Vom Schmutzfink zum Grünspecht

RWE will € 50 Mrd. für 50 GW „Growing Green“ investieren

„RWE ist Gestalter und Schrittmacher der grünen Energiewelt,“ und „heute schon einer der weltweit führenden Anbieter im Bereich Erneuerbare Energien“. So beschreibt sich der Essener Energie-Konzern ziemlich selbstbewusst in einer Medienmitteilung am 15.11.2021. Darin kündigt RWE an, der bisherige Kohle-Riese werde sich „vom schmutzigsten Unternehmen Europas zu einem der größten Erneuerbaren-Konzerne des Kontinents“ (Handelsblatt) wandeln. RWE „wappnet sich damit für einen möglicherweise schnelleren Ausstieg aus der Kohle“, erläutert die FAZ nüchtern.

Braunkohletagebau – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

RWE Vorstandsvorsitzende Markus Krebber erklärte im Rahmen einer Pressekonferenz, die umfangreiche strategische Neuausrichtung von RWE sei „erfolgreich abgeschlossen. Wir sind bestens aufgestellt, die Schlüsseldekade der Energiewende aktiv zu gestalten.“ Durch den grünen Ausbau wachse das bereinigte EBITDA (laut RWE „bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen“) im Kerngeschäft jährlich im Schnitt um 9 Prozent – 2030 sollen es 5 Milliarden Euro sein, voraussichtlich mehr als doppelt so viel wie im laufenden Geschäftsjahr. Und Krebber liefert seine eigene Definition vom Ausstieg aus Braun und Steinkohle: „Bei RWE hat der Kohleausstieg längst begonnen.“

Mit „Growing Green“ investiere das bis 1990 „Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk“ genannte EVU pro Jahr durchschnittlich 5 Milliarden Euro brutto in Offshore- und Onshore-Windkraft, Solar, Speicher, flexible Backup-Kapazitäten und Wasserstoff. Photovoltaik soll gar verachtfacht, die Kapazität bei Offshore-Wind von 2,4 auf 8 Gigawatt im Jahr 2030 verdreifacht werden. Das Unternehmen erweitert so sein Portfolio nach eigenen Angaben in den attraktiven Märkten Europa, Nordamerika und im asiatisch-pazifischen Raum um 25 auf 50 GW.

Das Zubautempo wird deutlich erhöht: Bislang wollte RWE ihre Gesamtleistung pro Jahr um durchschnittlich 1,5 GW steigern. Künftig sollen es im Durchschnitt 2,5 GW jährlich sein; eine Steigerung um gut 70 Prozent. Darin enthalten ist auch grüner Wasserstoff: Bis zum Ende des Jahrzehnts wird RWE 2 GW eigene Elektrolysekapazitäten aufbauen. Das vor allem deshalb, weil Deutschland das einzige Industrieland sei, in dem sowohl Kernenergie als auch Kohle sehr schnell zu ersetzen seien. Deshalb werde RWE „auch hier das Tempo anziehen und in den 2020er Jahren zwischen 10 und 15 Milliarden Euro brutto in den Ausbau von Offshore- und Onshore-Windkraft, Solar, Speichern, flexiblen Backup-Kapazitäten und Wasserstoff investieren. Für das sehr regional geprägte Onshore-Wind- und Solargeschäft eröffnet RWE sieben weitere Büros in unterschiedlichen Teilen Deutschlands. Kurzfristig werden hierfür etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Projektentwicklung vor Ort eingestellt. Der Anspruch ist klar: Im Erneuerbaren-Bereich soll in Deutschland jedes Projekt realisiert werden, das möglich ist.“

„An der Börse kamen die Pläne gut an. Die Aktie legte um fast 3 Prozent zu“ (FAZ).

Das pv magazine erinnert an einen Wermutstropfen: „Zurzeit muss sich RWE wieder mal gegenüber Klimaschützern und Dorfbewohnern rund um den Braunkohletagebau Garzweiler verantworten. Eigentlich soll die Ortschaft Lüzerath den Aktivitäten des Tagebaus weichen, doch Klimaaktivisten hatten zur Besetzung der Ortschaft aufgerufen. Die Räumung des Ortes wurde durch eine Einigung zwischen dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und dem Konzern RWE erst mal bis Anfang Januar aufgeschoben.“

Und schließlich steht noch ein Jahrhundert-Prozess aus: Ob RWE-Klimagase zur Schmelze eines Andengletschers beitragen, ist Gegenstand des ersten „Klimawandel“-Prozesses der Geschichte, der seit 2015 läuft: Der peruanische Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya hatte, unterstützt von Germanwatch am 24.11.2015 beim Landgericht Essen Klage gegen RWE eingereicht. Der Grund: Die gewaltigen Emissionsmengen des Energiekonzerns gefährden seine Familie, sein Eigentum sowie einen großen Teil seiner Heimatstadt Huaráz. Ein durch den Klimawandel schnell wachsender Gletschersee wird  zum Risiko für die 120.000-Einwohner-Stadt in den Anden (Solarify berichtete: solarify.eu/peruanischer-bauer-nimmt-weitere-huerde-im-rwe-klimaprozess und: solarify.eu/gletschersee-bedroht-peruanische-stadt-huaraz).

->Quellen: