Elektroauto mit eigenem PV-Strom fahren

Optimierte Ladestrategie mit Batteriespeicher am effizientesten

Die parallele Einführung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge (BEV) und der Ausbau der Photovoltaik vor allem auf Dächern bergen enormes Synergiepotenzial, denn der tatsächliche Dekarbonisierungseffekt von BEVs hängt stark vom CO2-Fußabdruck der Stromquelle ab; zudem benötigt der PV-Ausbau lokale Speicher als Puffer, um negative Auswirkungen auf das Verteilnetz zu reduzieren. Forscher der ETH Zürich präsentierten am 04.01.2022 eine empirische Analyse, die auf einem detaillierten 10-monatigen Datensatz des Lade- und Mobilitätsverhaltens von 78 BEV-Nutzern basiert.

Ladesäulen – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Forscher testeten vier verschiedene intelligente Ladestrategien mit unterschiedlichem Komplexitätsgrad und stellten fest, dass BEV-Besitzer beim ungesteuerten Laden nur 15 % des BEV-Bedarfs mit der auf den Dächern ihrer eigenen Häuser erzeugten PV decken können. Ein einfaches kontrolliertes Laden erhöht die durchschnittliche Deckung auf 56 % und auf bis zu 90 % oder 99 %, wenn eine optimierte Ladestrategie ohne oder mit einem Batteriespeicher zu Hause verwendet wird. Alle Ladestrategien stellen sicher, dass das individuelle Mobilitätsverhalten der BEV-Besitzer nicht beeinträchtigt wird.

Für die vier Ladestrategien  berechneten die Wissenschaftler, welcher Anteil des eigenen Solarstroms für das Laden der Elektroautos herangezogen werden kann, wobei die Nutzenden ihr Mobilitätsverhalten nicht verändern. Im ersten Fall werden die Elektroautos zu den gleichen Zeiten mit Solarstrom geladen wie bisher mit Netzstrom. Das Ergebnis ist ernüchternd: Im Durchschnitt werden in dem Fall nur 15 Prozent des jährlichen Strombedarfs durch PV-?Strom gedeckt (der Rest durch Netzstrom).

Anders das Ergebnis bei Ladestrategie 2, bei der eine einfache intelligente Steuerung (Smart-?Charging) dafür sorgt, dass die Batterie vorzugsweise dann geladen wird, wenn hauseigener Solarstrom zur Verfügung steht. In dem Fall kann über die Hälfte (56 Prozent) des Strombedarfs mit eigenem Solarstrom gedeckt werden, und dies ohne Einsatz eines Zwischenspeichers. Smart-?Charging könne den Eigenverbrauch von Solarstrom markant erhöhen – und das Fahrzeug lasse sich gleich flexibel nutzen, als würde es mit Netzstrom geladen, so einer der Forscher.

Algorithmen für Smart-Charging

Schöpft man das Potenzial der intelligenten Steuerung konsequent aus (Ladestrategie 3), können die E-?Mobile sogar zu 90 Prozent mit eigenem Solarstrom „betankt“ werden. Wird der PV-?Strom in einem Speicher gepuffert (Ladestrategie 4), sind die Fahrzeuge praktisch ausschließlich mit Solarstrom unterwegs. Indes sehen die ETH-?Forscher Zwischenspeicher zwiespältig: Der Eigenverbrauch von grünem PV-?Strom lässt sich damit zwar noch ein wenig steigern – die Nachhaltigkeitsbilanz des gesamten Ladesystems wird allerdings durch den Umstand getrübt, dass die Herstellung von Stromspeichern relevante CO2-?Emissionen verursacht.

„Unsere Fallstudie führt das bislang kaum genutzte Potenzial von Smart-?Charging für eine dezentrale und netzdienliche Versorgung mit erneuerbaren Energien vor Augen“, sagt Prof. Martin Raubal, Professor für Geoinformations-Engineering an der ETH Zürich. An seinem Lehrstuhl werden zurzeit Strategien des maschinellen Lernens entwickelt mit dem Ziel, Solarertrag und Nutzerverhalten möglichst exakt vorhersagen zu können. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung von Smart-?Charging-Algorithmen, die in Ladestationen von Elektromobilen schon bald standardmäßsig eingesetzt werden dürften.

Die ETH-Forscher zeigen außerdem, dass die Nutzung von PV-Dachanlagen für das Laden von BEV ein großes Potenzial hat, die Klimaauswirkungen der E-Mobilität weiter zu verringern, und schlagen einfache Anpassungen vor, die bei Ladestrategien berücksichtigt werden sollten, um den PV-Stromverbrauch der Besitzer zu erhöhen.

Ein Forscherteam um Martin Raubal hat das Wachstum der Solarstrom-Produktion und der Elektromobilität nun gedanklich zusammengeführt. Die Wissenschaftler wollten wissen, in welchem Grad Elektroautos mit Strom aus einer eigenen Solaranlage geladen werden können, und das, ohne sich bei der Autonutzung stärker einschränken zu müssen als bei herkömmlichem Laden mit Netzstrom. Denn viele  sehen das Laden mit PV-Strom kritisch – sie fragen sich etwa, wie man ein Elektromobil nutzen könne, wenn es tagsüber bei Sonnenschein an die Ladestation muss.

Großes Potenzial zur Deckung des Mobilitätsenergiebedarfs durch Aufdach-PV-Erzeugung vorhanden

Die Studie der ETH-Forscher bestätigt diese Skepsis nicht, im Gegenteil. Die Auswertung der realen Ladevorgänge zeigt, dass ein großes Potenzial zur Deckung des Mobilitätsenergiebedarfs durch Aufdach-PV-Erzeugung vorhanden ist. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass ein ungesteuertes, „gieriges“ Laden, wie es derzeit meist der Fall ist, zu schlechten Ergebnissen bei der Deckung führt. Die Ergebnisse zeigen, dass es theoretisch möglich ist, den durchschnittlichen Deckungsgrad um 41 % zu erhöhen, ohne dass eine Änderung des Verhaltens des BEV-Besitzers erforderlich ist (z. B. das BEV immer an die Steckdose zu hängen). Diese Ergebnisse könnten durch zwei einfache Anpassungen der intelligenten Ladealgorithmen erreicht werden: Beschränkung der maximalen Ladung auf die verfügbare PV-Erzeugung, solange die Sonne scheint, und nachts keine vollständig Aufladung, um die Möglichkeit zu haben, das Sonnenlicht in den Morgenstunden zu nutzen.

Szenario 2 zeigt, dass fast alle BEV-Besitzer ihren Energiebedarf für die Mobilität vollständig mit PV-Dachanlagen decken könnten. In der Praxis wird es schwierig sein, diese Werte zu erreichen, da das gute Prognosen der PV-Erzeugung und des individuellen Mobilitätsenergiebedarfs erfordert. In der ETH-Untersuchung sind die Ergebnisse von Szenario 2 bereits nahe am Optimum, was zu der Schlussfolgerung führen könnte, dass die Installation eines zusätzlichen Heimbatteriespeichers unnötig ist. Der Entwurf einer guten Ladestrategie, die sich auf unsichere Prognosen stützt, wird jedoch durch die Möglichkeit der Pufferung der Energie deutlich erleichtert. Diese Überlegung könnte also die Installation eines Hausbatteriesystems rechtfertigen.

Potenzial von Rooftop-PV zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens

Auch wenn BEV geringere Treibhausgasemissionen aufweisen als mit fossilen Brennstoffen betriebene Fahrzeuge, hängen ihre Emissionen stark von den für die Stromerzeugung verwendeten Technologien ab. Die Analyse der durchschnittlichen CO2-Emissionen in den verschiedenen Szenarien zeigt das große Potenzial, das die Kombination von PV-Dachanlagen und BEVs für die Dekarbonisierung des Individualverkehrs bietet. Das Reduktionspotenzial hängt von der Emissionsintensität des dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Energiemixes ab, was bedeutet, dass das Potenzial mit fortschreitender Dekarbonisierung des Energiesektors mit der Zeit geringer wird. Die Auswirkungen des Aufladens zu Hause können verringert werden, wenn ein BEV am Arbeitsplatz mit PV aufgeladen werden kann.

Potenzial von PV- und BEV-Dachanlagen für die Erhöhung der Netzstabilität

Die Stabilität des Verteilnetzes ist ein wichtiger Faktor, der sowohl beim Ausbau der Photovoltaik als auch bei der Einführung von E-Autos berücksichtigt werden muss. Es ist realistisch, dass ein großer Teil des Energiebedarfs für die Mobilität durch die eigene PV-Erzeugung auf den Dächern gedeckt werden kann, wodurch die Netzauswirkungen des Aufladens von BEV verringert werden könnten. Der umgekehrte Fall könnte jedoch nicht zutreffen, da der kritische Punkt für die PV die Spitzenlast in der Mitte des Tages ist, wo BEV normalerweise nicht zu Hause verfügbar sind.

Einschränkungen

Die Ergebnisse dieser Studie unterliegen aufgrund der angewandten Methoden und der verwendeten Datensätze mehreren Einschränkungen: Die Bewegungsdaten, die zur Schätzung der BEV-Nachfrage verwendet wurden, stammen vollständig aus der Schweiz, einem Land, das für seine hervorragende Verkehrsinfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr bekannt ist. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Länder mit einer anderen Infrastruktur könnte aufgrund des Einflusses, den die verfügbare Infrastruktur auf die BEV-Nachfrage hat, eingeschränkt sein.

Schlussfolgerung

In der Arbeit wurde die offene Frage untersucht, inwieweit BEV-Besitzer durch die Nutzung von Aufdach-PV-Strom autark sein können. Die Ergebnisse zeigen, dass die derzeit eingesetzten unkontrollierten gierigen Ladestrategien (Basisszenario) zu einem sehr niedrigen Deckungsgrad von durchschnittlich nur 15 % über alle BEV-Nutzer führen. Sehr einfache Anpassungen ohne Änderung der Mobilität oder des Plug-in-Verhaltens können diesen Wert bereits deutlich auf einen durchschnittlichen Deckungsgrad von 56 % erhöhen. Wir argumentieren, dass diese Werte in der Praxis durch die derzeit verfügbaren intelligenten Ladealgorithmen leicht reproduziert werden können, wenn sie langsamer laden und ihre Ladeaufnahme auf die aktuell verfügbare PV-Erzeugung beschränken und wenn sie während der Nacht nicht vollständig laden, um die Vorteile der Morgenstunden zu nutzen.

Es wurde außerdem gezeigt, dass die obere Grenze der Abdeckung mit und ohne zusätzlichen Heimbatteriespeicher über alle Nutzer im Durchschnitt 90 % bzw. 99 % beträgt, ohne eine Person in ihrer Mobilität einzuschränken. Inwieweit diese Werte in der Praxis erreicht werden können, hängt stark von der Qualität der Prognosen für den Mobilitätsbedarf und die Stromerzeugung ab. In Anbetracht dieser Unwägbarkeiten könnte es sein, dass der Heimbatteriespeicher einen bedeutenderen Vorteil bietet als für die theoretische Obergrenze.

Unabhängig vom Ladeplan-Szenario erhöhen alle Szenarien den Verbrauch der auf dem Dach erzeugten PV-Anlagen erheblich, was die Emissionen aus dem Betrieb des BEV deutlich reduziert. Dies unterstreicht das große Potenzial, das die PV-Stromerzeugung auf Dächern hat, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors durch BEV zu beschleunigen.

Zukünftige Arbeiten sollten intelligente Ladealgorithmen untersuchen, die das Ziel der Maximierung der Nutzung von PV-Energie auf Dächern berücksichtigen, da dies kostengünstiger und nachhaltiger für den Nutzer ist. Sehr hohe Eigenverbrauchsquoten für das Laden von BEV sind nur erreichbar, wenn ausreichend gute Vorhersagen über den Energiebedarf des BEV vorliegen. Zuverlässige Vorhersagen des individuellen Mobilitätsverhaltens, das den Mobilitätsbedarf auslöst, sind jedoch noch ein offenes Problem, das in Zukunft angegangen werden sollte.

->Quellen: