Extreme Überschwemmungen durch Erderwärmung

Warmphasen beeinflussen Häufigkeit von Hochwassern

Eine Analyse von Überschwemmungen der vergangenen 10.000 Jahre im Alpenraum hat ergeben, dass in Warmphasen kleine Hochwasser jeweils zurückgingen, große Ereignisse je nach Einzugsgebiet hingegen häufiger wurden. Das zeigt eine internationale Studie, an der laut einer Medienmitteilung Forschende der Universität Bern maßgeblich beteiligt waren.

Bohrkampagne der Universität Bern auf dem Oeschinensee 2001. Das Team entnimmt Sedimentkerne zur Untersuchung im Labor – Foto © Martin Grosjean, UniBE

Nach wie vor sei unklar, ob mit der Klimaerwärmung Starkniederschläge und Überschwemmungen zu- oder abnehmen. Offene Fragen gebe es insbesondere auf regionaler Ebene, so die Berner Forscher. In einer soeben in Nature Geosciences erschienenen paläohydrologischen Studie wurden dazu die Häufigkeit und die Stärke von Hochwassern rekonstruiert. Dabei wurde zwischen kleinen Hochwassern (mit 10-jähriger Wiederkehrperiode) und großen Ereignissen (mit 100-jähriger Wiederkehrperiode) unterschieden.

„Wir wollten beurteilen können, wie sich die Hochwassergefahren in vergangenen Warmphasen entwickelt haben, weil es für die betroffene Bevölkerung von großer Bedeutung ist, wie sich diese Risiken als Folge der heutigen Klimaerwärmung verändern“, sagt Flavio Anselmetti, Professor für Geologie an der Universität Bern und Mitglied des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung.

Tatsächlich seien Überschwemmungen im Alpenraum allgegenwärtig – und sie verursachten von allen Naturgefahren die höchsten Kosten. Vor allem Extremereignisse wie etwa 2005. Dazu komme, dass Bergregionen wie die Alpen besonders empfindlich auf den Klimawandel reagierten, da sie sich überdurchschnittlich starker erwärmten. Zudem sei das Hochwasserrisiko in den Bergen der Topografie und der hydrometeorologischen Prozesse wegen besonders ausgeprägt. Diese Faktoren begünstigten nicht zuletzt das Auftreten von Sturzfluten.

Rekonstruktion mit Hilfe von Seesedimenten

Nun haben Forschende aus Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Italien Überschwemmungen im Alpenraum während der vergangenen 10.000 Jahre rekonstruiert. Insgesamt seien Daten von 7.792 Hochwasserereignissen in die Untersuchung eingeflossen. Die Forscher haben dazu Informationen aus Seesedimenten genutzt. Sie stellen ein natürliches Umwelt- und Klimaarchiv dar. Denn während Hochwassern werde in den Flüssen vermehrt erodiertes Material transportiert, das schließlich auf den Grund von Seen absinke, wo es charakteristische Hochwasserablagerungen bilde, erklären die Wissenschaftler. Diese Ablagerungen seien über die Jahrtausende hinweg perfekt erhalten geblieben. Durch die Analyse von Seesedimenten ließen sich deshalb Veränderungen in der Häufigkeit und Intensität von Hochwasser im Laufe der Zeit rekonstruieren.

„Wir haben speziell für diese Studie Sedimentkerne gebohrt und analysiert. Im Kanton Bern zum Beispiel im Grimsel-, Hinterburg-, Oeschinen- und Iffigsee und konnten zudem auf zahlreiche bereits früher gezogene Kerne aus dem ganzen Alpenraum zurückgreifen“, erklärt Anselmetti. So sei die bisher umfassendste Rekonstruktion von Hochwasserereignissen an insgesamt 33 verschiedenen Standorten in den Alpen entstanden. Bei der Analyse der Daten richteten die Forschenden ihr Augenmerk auf das Geschehen in vergangen Warmphasen.

Zunahme extremer Hochwasser

Ihr Fazit: Betrachte man lange Zeitskalen, führe in den vergangenen 10.000 Jahren eine Erwärmung systematisch zu einer Abnahme kleiner Hochwasserereignisse. In Kaltphasen sei also die generelle Überschwemmungshäufigkeit grösser gewesen. Bei den Extremereignissen jedoch hätten sich je nach Einzugsgebiet unterschiedliche Tendenzen gezeigt: „Es scheint, dass extreme Hochwasser während warmer Perioden insbesondere im Alpenraum häufiger aufgetreten sind“, so Anselmetti. (Als extrem gelten Hochwasser dann, wenn sie statistisch gesehen nur alle 100 Jahre auftreten.) Die Tendenz zu häufigeren extremen Hochwassern während Wärmephasen stimme mit Modell-Projektionen für die Zukunft überein. Auch diese zeigten, dass Starkniederschläge mit steigenden Temperaturen häufiger würden und damit auch die Hochwasserereignisse, resümiert Anselmetti.

Was die Studie auch beleuchtet: Sowohl die ermittelten Trends wie die Differenzierungen lassen sich nicht allein anhand von Messdaten erkennen, da diese nicht weiter als 200 Jahre zurückreichen. „Wir sind für die schlüssige Beantwortung solcher Fragen auf lange Überschwemmungszeitreihen angewiesen“, erklärt Martin Grosjean, der Direktor des Oeschger-Zentrums. „Die Studie bekräftigt die eminente Bedeutung von paläoklimatischen Archiven, auf deren Auswertung sich unser Zentrum unter anderem spezialisiert hat.“

Ganz allgemein zeigten die nun vorliegenden paläohydrologische Rekonstruktionen aus dem Alpenraum, wie sich die komplexen Beziehungen zwischen Klima und Hochwasser entschlüsseln lassen – und wie dadurch auf lokaler und regionaler Ebene die Risikobewertung und das Risikomanagement verbessert werden könnten. „Wir erwarten. dass dieser Ansatz unser Verständnis der regionalen Zusammenhänge zwischen Temperatur und Hochwasser unter vergangenen und zukünftigen Klimabedingungen erheblich verbessern wird. Und das dürfte letztlich zu einem besseren Umgang mit Hochwassern führen“, so die Autoren der Studie.

Oeschger-Zentrum für Klimaforschung

Das Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) ist eines der strategischen Zentren der Universität Bern. Es bringt Forscher aus 14 Instituten und vier Fakultäten zusammen. Das OCCR forscht interdisziplinär an vorderster Front der Klimawissenschaften. Das Oeschger-Zentrum wurde 2007 gegründet und trägt den Namen von Hans Oeschger (1927-1998), einem Pionier der modernen Klimaforschung, der in Bern tätig war.

->Quelle und mehr: