Landwirtschaft: Weltweit könnte Anbaufläche halbiert werden

LMU-Geographen haben vor Hintergrund des Zielkonflikts zwischen Landnutzung und Biodiversität Flächeneinsparungspotenzial simuliert

Weltweit steigt die Nachfrage nach Agrarprodukten für Nahrungs- und Futtermittel und Bioenergie. Damit wächst auch der Druck auf die Ressource Land. Gleichzeitig sind Flächen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, wichtig, um den wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – dem Verlust von Biodiversität und dem weltweiten Klimawandel – zu begegnen. Eine Lösung dieses Konflikts könnte es sein, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern und dadurch die benötigte Anbaufläche zu verringern. Die LMU-Geographen Julia Schneider und Florian Zabel haben gemeinsam mit Forscherinnen der Universitäten Basel und Hohenheim nun in einer interdisziplinären, modellbasierten Studie analysiert, wie viel Fläche durch effizientere Anbaumethoden global eingespart werden könnte und welche ökonomischen Auswirkungen – etwa auf die Preise und den Handel – dies hätte.

Wie die Autorinnen und Autoren im Fachmagazin PLOS ONE berichten, zeigten die Modelle, dass unter optimierten Bedingungen bis zu knapp die Hälfte der derzeitigen Anbaufläche eingespart werden könnte. Aufgrund der gesteigerten Effizienz würden in allen Regionen die Preise für Agrargüter sinken und die weltweite Agrarproduktion um 2,8 Prozent steigen.

Stroh nach Ernte auf Feld – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Ausgangspunkt unserer Arbeit war ein aktueller Diskurs in der Wissenschaft, ob es für den Schutz der Biodiversität besser ist, auf mehr Fläche extensiver oder auf weniger Fläche intensiver zu wirtschaften, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen“, sagt Schneider. „In diesem Zusammenhang hat uns interessiert, von welchem Flächeneinsparungspotenzial wir eigentlich sprechen und welche Auswirkungen eine solche Flächeneinsparung ökonomisch hätte.“ Zur Beantwortung dieser Fragen analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe eines prozessbasierten biophysikalischen Ertragsmodells für 15 weltweit wichtige Nahrungs- und Energiepflanzen, welche Flächeneinsparungspotenziale sich durch intensivierte Landnutzung ergeben. Dabei gingen sie davon aus, dass die Lücke zwischen aktuell erzielten und potenziell möglichen Erträgen durch effizientere Anbaumethoden – etwa durch den effizienten Einsatz von Düngemitteln und die Optimierung von Aussaatzeitpunkten oder Schädlings- und Krankheitsbekämpfung – zu 80 Prozent geschlossen werden kann, und dass die insgesamt produzierten Mengen an Agrargütern weiterhin den heutigen entsprechen müssen.

Knapp die Hälfte der Anbaufläche würde auch reichen

Die Autoren kommen insgesamt zu dem Schluss, dass unter diesen Bedingungen der derzeitige Bedarf an Ackerfläche global zwischen 37 und 48 Prozent reduziert werden könnte. Regional gesehen ist das Flächeneinsparungspotenzial unterschiedlich: In Europa oder Nordamerika etwa ist das Flächeneinsparungspotenzial gering, da die Landwirtschaft hier bereits stark industrialisiert und der Intensivierungsgrad sehr hoch ist. „Teilweise werden hier die maximal möglichen Erträge auch bereits erreicht“, sagt Mitautor Zabel. „In Regionen wie Subsahara-Afrika dagegen liegen die aktuell erzielten Erträge meist weit unter dem, was aufgrund der naturräumlichen Gegebenheiten und bei optimierten Anbaumethoden möglich wäre.“ Etwas weniger ausgeprägt als in Subsahara-Afrika sei dies den Modellrechnungen zufolge auch in Indien und Teilen Lateinamerikas der Fall. Eine effizientere Produktion könne in diesen Regionen daher zu großen Flächeneinsparungspotenzialen führen. Was die Anbaufrüchte betrifft, fanden die Forschenden vor allem für Kulturen wie Sorghum oder Hirse, die aktuell hauptsächlich von Kleinbauern in Regionen angebaut werden, in denen noch große Ertragslücken vorhanden sind, große Flächeneinsparungspotenziale. Für sogenannte Cash Crops, etwa Palmfrucht oder Zuckerrohr, die aktuell bereits sehr intensiv angebaut werden, zeigte das Modell dagegen nur ein geringes Flächeneinsparungspotenzial.

Im nächsten Schritt integrierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Flächeneinsparungspotenziale in ein ökonomisches Modell der Universitäten Basel und Hohenheim, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Flächenreduktion zu untersuchen. „Dabei zeigte sich, dass die effizientere Flächennutzung in allen Regionen und für alle Anbaufrüchte zu einem Rückgang der Preise führen würde“, sagt Schneider. Dies könne sich in manchen Regionen positiv auf die Ernährungssicherung auswirken. Die gesteigerte Effizienz wiederum motiviere laut Modell in manchen Regionen die Landwirte dazu, ihre Produktion zu erhöhen, so dass global die Produktion landwirtschaftlicher Güter um 2,8 Prozent stiege.

Stärkste ökonomische Effekte in Gebieten mit hohem Flächendruck

Die ökonomischen Effekte der Flächeneinsparung hätten dabei stark zwischen den untersuchten Regionen variiert. „Spannend für uns war, dass die stärksten ökonomischen Effekte, also die größten Veränderungen in den Preisen, der Produktion und den Handelsströmen, nicht in den Regionen mit den größten Flächeneinsparungspotenzialen auftraten, sondern in dicht bevölkerten Regionen mit hohem Flächendruck, etwa in Malaysia und Indonesien und auch Teilen von Südamerika. In diesen Ländern stellt Land eine besonders knappe Ressource dar und spielt deshalb als ‚kostbares Gut‘ in den Produktionskosten eine große Rolle “, sagt Schneider. Durch die globalisierten Agrarmärkte und internationalen Handel könnten zudem Effekte einer Flächeneinsparung in geographisch weit entfernte Regionen verlagert werden. So hätten global fallende Preise beispielsweise im Nahen Osten und Teilen Nordafrikas zu rund 30 Prozent höheren Importen geführt, da diese günstiger gewesen seien als die Inlandsproduktion.

Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen diese Ergebnisse, wie wichtig es ist, die Potenziale und Auswirkungen der Flächeneinsparungen in einem integrativen globalen Ansatz und im Kontext globaler Märkte zu untersuchen. So könnten mögliche Zielkonflikte und Co-Benefits zwischen dem Schutz von Klima, Biodiversität und der Nahrungsproduktion identifiziert werden. Die errechneten Möglichkeiten zur Flächeneinsparung sollten als Ausgangspunkt dienen, um den Einsatz potenziell frei werdender Flächen für alternative Nutzungen zu bewerten, zum Beispiel für Aufforstung oder Renaturierung zur Eindämmung des Klimawandels. Die Forscherinnen und Forscher berechneten, dass durch eine Renaturierung der frei werdenden Flächen mit der Wiederherstellung der natürlichen Vegetation ein zusätzliches Kohlenstoffspeicherungspotenzial zwischen 114 und 151 Gigatonnen CO2 erreicht werden könnte. Die jährlichen globalen Emissionen liegen zum Vergleich aktuell bei ca. 42 Gigatonnen CO2. Darüber hinaus könnten die potenziell frei werdenden Flächen für den Anbau von Bioenergiepflanzen oder den Schutz der biologischen Vielfalt, beispielsweise durch die Errichtung von Schutzgebieten, genutzt werden. „Vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung und sich verändernder Konsumgewohnheiten wird auch nach wie vor über eine Expansion der aktuellen Anbauflächen zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gesprochen“, sagt Schneider. „Unsere Studie hat gezeigt, dass man diese Forderungen durchaus kritisch betrachten kann, und dass eine effizientere Nutzung der aktuellen Flächen den Druck auf die Landressourcen deutlich verringern würde.“ 

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