So gelingt der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur

Fernleitungsnetzbetreiber legen Wasserstoffbericht vor

Deutschland muss Tempo machen beim Wasserstoffhochlauf, um die Versorgung zu sichern und Klimaschutz voranzutreiben. Der am 01.09.2022 von den Fernleitungsnetzbetreibern gemäß § 28q EnWG vorgelegte Wasserstoffbericht zeigt auf, wie mit einer Integration der Wasserstoffnetzplanung in die bewährte Gasnetzplanung die notwendige Transportinfrastruktur effizient, zügig und zielgerichtet aufgebaut werden kann. Mit zwölf Empfehlungen geben die Fernleitungsnetzbetreiber der Bundesnetzagentur und dem Gesetzgeber Vorschläge an die Hand, die noch in diesem Jahr umgesetzt werden sollten.

Gasspeicher Berlin-Spandau – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Kern des Wasserstoffberichtes ist ein Konzept für einen verbindlichen und integrierten Netzentwicklungsplanungsprozess für Gas (Wasserstoff und Methan). „Wasserstoff ist zwar das kleinste Element im Periodensystem, aber seine Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist umso größer. Der Wasserstoffhochlauf ist angesichts Klimakrise, hoher Energiepreise und der aktuellen geopolitischen Lage dringlicher denn je“, erklärt FNB Gas-Vorstandsvorsitzender Thomas Gößmann.

Integrierte Netzplanung gesetzlich verankern

Inga Posch, Geschäftsführerin des FNB Gas: „Mit ihren Wasserstoffnetzmodellierungen im Rahmen des Netzentwicklungsplans Gas sind die Fernleitungsnetzbetreiber in den vergangenen Jahren bereits in Vorleistung gegangen. Damit unsere Umstellungs- und Ausbauvorschläge auch von der Bundesnetzagentur bestätigt und dann umgesetzt werden können, brauchen wir jetzt dringend eine gesetzliche Verankerung der integrierten Netzplanung Gas (Wasserstoff und Methan).“

In ihrem Bericht empfehlen die Fernleitungsnetzbetreiber zudem die Schaffung eines Ordnungsrahmens, der eine einheitliche und verpflichtende Regulierung für alle Betreiber eines Wasserstoffnetzes der öffentlichen Versorgung vorsieht. Dieser muss auch die Refinanzierung der durch die Netzbetreiber getätigten Investitionen ermöglichen und zu Netzentgelten führen, die für die Wasserstoffkunden tragbar sind.

Ein schneller Wasserstoffhochlauf setzt auch eine enge Abstimmung von Maßnahmen auf den unterschiedlichen Netzebenen?voraus. Der Wasserstoffbericht enthält daher ebenfalls ein unter Mitwirkung von BDEW, DVGW, VKU sowie der Initiative H2vorOrt erstelltes Kapitel über die Planung von Umstellungsmaßnahmen im Verteilernetz sowie die Schnittstellen zur Fernleitungsnetzebene.

Neue Handlungsspielräume schaffen

Allein in den letzten zwei Jahren hat sich der Transportbedarf für Wasserstoff, den die Fernleitungsnetzbetreiber im Rahmen der Netzentwicklungsplanung abfragen, verzehnfacht. „Industrie, Stadtwerke und Verbraucher erwarten jetzt Planbarkeit. Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt darf Deutschland nicht länger warten. Jede Verzögerung verteuert den Umstieg und gefährdet die zukünftige Versorgungssicherheit“, so Gößmann. „Die Fernleitungsnetzbetreiber stehen in den Startlöchern, damit Deutschland mit Wasserstoff neue Handlungsspielräume gewinnt. Sobald der notwendige Ordnungsrahmen da ist, kann es losgehen.“

1. Wichtig ist zuallererst ein verbindlicher und integrierter Prozess zur Netzentwicklungsplanung, wie er im Strombereich seit vielen Jahren etabliert ist. „Mit ihren Wasserstoffnetzmodellierungen im Rahmen des Netzentwicklungsplans Gas sind die Fernleitungsnetzbetreiber in den vergangenen Jahren bereits in Vorleistung gegangen“, erklärt Inga Posch, Geschäftsführerin der Vereinigung Fernleitungsnetzbetriebe (FNB) Gas, mit Blick auf die Bereitstellung von grünem Wasserstoff und Methan. „Damit unsere Umstellungs- und Ausbauvorschläge auch von der Bundesnetzagentur bestätigt und dann umgesetzt werden können, brauchen wir jetzt dringend eine gesetzliche Verankerung der integrierten Netzplanung Gas.“ Dann könne auch der regelmäßige Wasserstoffbericht entfallen, die die Betreiber von Wasserstoffnetzen jährlich abgeben müssen.

2. Vorher sollte aber noch ein Startnetz bestätigt werden, von dem die weitere Planung ausgeht. Dieses leitet sich aus den strategischen Schwerpunkten der Erzeugung und des Verbrauchs von grünem Wasserstoff ab.

3. Die Wasserstoff- und des Stromnetze sollten weiterhin getrennt geplant werden. Doch sollte es eine Abstimmung der beiden Planungsprozesse geben, damit die Wasserstoffinfrastruktur auch zum Stromnetz passt.

4. Entsprechend sollten auch die Netzentwicklungspläne zeitlich aufeinander abgestimmt und die gegenseitigen Wechselwirkungen einbezogen werden.

5. Grundlage der gesamten Netzplanung muss aber ein Energieszenario sein. Hier steht die Frage im Mittelpunkt, wie das Energiesystem der Zukunft konkret aussieht, anhand dessen eine Wasserstoff- und Stromnetzplanung überhaupt ausgerichtet werden kann.

6. Dazu müssen auf der Erzeugerseite die optimalen Standorte für die Power-to-Gas-Anlagen gefunden werden. Auf der Verbraucherseite müssen aber auch die Wasserstoffkraftwerke strategisch so geplant werden, dass sie einerseits zur Strom- und Wasserstoffproduktion aber andererseits auch zum Strom- und Wasserstoffverbrauch passen.

7. Ganz wichtig sei ein Ordnungsrahmen und eine einheitliche Regulierung, die für alle Wasserstoffnetzbetreiber einheitlich verpflichtend gilt. Nur so könne die Zusammenarbeit im Rahmen der Wasserstoffnetzplanung gelingen und den Informationsaustausch möglich werden. Er muss alle Rechte und Pflichten beinhalten, die für den Betrieb eines Wasserstoffnetzes wichtig sind. Neben der Pflicht der Zusammenarbeit der Netzbetreiber bei der Ausarbeitung eines Netzentwicklungsplans muss dieser Ordnungsrahmen auch eine Pflicht zur Umsetzung der beschlossenen Netzausbaumaßnahmen umfassen.

8. Es müssen aber auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, wie sich die Wasserstoffnetze und deren Ausbau refinanzieren können. Hier ist vor allem die erste Phase wichtig, in der grüner Wasserstoff in den Markt kommt. Denn die Netzbetreiber wollen einerseits nicht auf den Investitionen sitzen bleiben. Andererseits müssen aber auch Netzkosten stehen, die wirtschaftlich tragbar sind.

9. Die beteiligten Verbände lehnen die Entflechtung zwischen Erdgas- und Wasserstoffnetzbetrieb ab. Statt dessen sollte der Netzbetrieb grundsätzlich von der Produktion und dem Verkauf des grünen Wasserstoffs getrennt werden.

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10. Für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur sind auch Regelungen notwendig, wie und wann die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff erfolgen soll und kann. Dazu schlagen die Verbände vor, dass die Netzbetreiber eine rechtliche Handhabe bekommen, ganze Netzgebiete inklusive der dort angeschlossenen Verbraucher umstellen zu können.

11. Diese Umstellung muss auch im Netzentwicklungsplan berücksichtigt und durch diesen bestätigt werden. Dadurch kann die Umstellung – auch für die Verbraucher – verbindlich umgesetzt werden.

12. Schon im Vorfeld sollten die Verbraucher dazu verpflichtet werden, dass sie Geräte einbauen, die nicht nur Erdgas, sondern grundsätzlich auch grünen Wasserstoff nutzen können. Dies vereinfacht den Umstellungsprozess ungemein.

Statements der mitwirkenden Verbände zur Veröffentlichung des Wasserstoffberichts – Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung:

„Um unabhängig von fossilen Energieträgern und damit auch Gasimporten aus Russland zu werden, brauchen wir den schnellen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Dies kann nur gelingen, wenn zügig die passende Leitungs- und Speicherinfrastruktur geschaffen wird. Zum Teil kann hierzu vorhandene Gasinfrastruktur umgestellt und somit für den Kunden günstig weitergenutzt werden. Darüber hinaus kann die Wasserstoffnetzinfrastruktur das Stromsystem entlasten und zu einer höheren Resilienz des Versorgungssystems insgesamt beitragen. Neben Wasserstoff-Großprojekten gibt es insbesondere auch auf der Gasverteilernetzebene zahlreiche weitere spannenden und zukunftsträchtige Projekte. Hierzu gehören auch bereits praxisreife Anwendungsfälle in Industrie, Mobilität und der Wärmeversorgung. Die Dekarbonisierung der Gasversorgung, der Hochlauf von Wasserstoff und die Kommunale Wärmeplanung müssen dazu Hand in Hand gehen und integriert betrachtet werden.“

Prof. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender DVGW:

„Eine klimaneutrale Energiewende gelingt mit einer funktionierenden Wasserstoffinfrastruktur. Die Voraussetzungen hierfür sind hervorragend, denn weite Teile der bestehenden Gasversorgung aus Transport- und Verteilnetzen sowie Endgeräten sind bereits wasserstofftauglich oder können H2ready gemacht werden. Das schmälert die Ausgaben für notwendigen weiteren Zubau. Mit dem Wasserstoff-Regelwerk und dem technischen Knowhow liefert der DVGW den unverzichtbaren Beitrag, um Ausbaupläne schnell und mit gesicherter Qualität Realität werden zu lassen. Aber zeitgleich ist entschlossenes Handeln der Politik gefragt, damit alle Beteiligten in einem verlässlichen Ordnungsrahmen planen und investieren können. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung wurde Wasserstoff eine tragende Rolle zugeschrieben. Aus Ankündigungen müssen jetzt verbindliche Zusagen werden.“

Florian Feller, Vorsitzender H2vorOrt:

„Die monatelange und intensive Zusammenarbeit zwischen Fernleitungsnetzbetreibern, Verteilnetzbetreibern und Verbänden hat sich gelohnt. Der Wasserstoffbericht zeichnet ein klares und branchenweit einheitliches Bild der Planung der Transformation der Gasnetze hin zur klimaneutralen Wasserstoffversorgung. Die Partner von H2vorOrt konnten mit dem im März gestarteten Prozess des Gasnetzgebietstransformationsplans (GTP) einen wichtigen Baustein zu diesem Planungsprozess beitragen. Nun gilt es, die regulatorischen Weichen zu stellen, um die Transformation konkret voranzubringen.“

Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer:

„Außer in Industrienetzen spielt Wasserstoff noch keine große Rolle. Das muss sich dringend ändern. Der Bericht zeigt uns den Weg auf, wie das gelingen kann. Um den Transformationsprozess hinzubekommen, sind wir auf alle Infrastrukturakteure angewiesen. Auch die Gasverteilernetze können Wasserstoff. Sie sind für den zukünftigen Transport und die Verteilung von Wasserstoff bestens geeignet und bieten einen flexiblen, kostengünstigen und schnellen Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. Daneben tun wir gut daran, die verschiedenen Systeme und Energieträger (Strom, Gas, Wasserstoff) übergreifend zu betrachten und zu planen – mit einer verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung.“

->Quellen: