Dezentrale Koordination

Intelligentes Laden reduziert Verteilnetzausbau 

Strom aus Erneuerbaren, Infrastruktur sowie individuelle Präferenzen von Verbrauchern müssen bei zunehmender Elektrifizierung von Wärme- und Verkehrssektor koordiniert werden. Wie das gelingen kann, hat ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) im Rahmen ihrer neuen Kurzstudie „Dezentrale Koordination – Auswirkungen unterschiedlicher Ladekonzepte für Elektrofahrzeuge auf Markt und Netz“ untersucht und am 23.09.2022 veröffentlicht.

E-Auto, ladend – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Durch die fortschreitende Elektrifizierung von Wärme- und Verkehrssektor werden Engpässe in Verteilnetzen wahrscheinlicher. Dadurch könnte es notwendig werden, die Netze auszubauen – sofern es nicht gelingt, vorhandene Flexibilität bei Verbrauch und Erzeugung zu nutzen. Um diese Flexibilitätspotenziale zu heben, braucht es Koordinationsmechanismen, die Knappheitssignale aus dem Strommarkt und dem Stromnetz transparent machen. So könnten durch intelligentes Laden die Ausbaubedarfe von Verteilnetzen auch bei deutlich mehr Elektrofahrzeugen reduziert werden.

Unterschiedliche Koordinationsmechanismen

In der Kurzstudie hat ein Team des EWI am Beispiel von Ladevorgängen von Elektrofahrzeugen unterschiedliche Koordinationsmechanismen untersucht. Dazu haben Dr. Johannes Wagner, Nils Namockel und Arne Lilienkamp ein Strommarkt- und ein Netzmodell miteinander gekoppelt und vier verschiedene Ladekonzepte miteinander verglichen:

  1. Isoliertes Laden: Keine Informationen aus dem Stromnetz oder dem Strommarkt. In der Analyse zeigt sich, dass der Elektrofahrzeughochlauf auch unter dem Status quo (ungesteuertes/isoliertes Laden) nicht zwangsläufig zu Netzengpässen führen muss, die Wahrscheinlichkeit von Netzengpässen in diesem Fall jedoch steigt.
  2. Netzorientiertes Laden: Mengensignale aus dem Stromnetz. Netzorientiertes Laden kann Lastspitzen begrenzen (z.B. Zeitfenster mit Leistungsbegrenzungen für Wallboxen). Der Ansatz kann jedoch zu Ineffizienzen führen, wenn die Ladeprozesse pauschal abgeregelt werden und die Infrastruktur nicht optimal genutzt wird.
  3. Marktorientiertes Laden: Preissignale aus dem Strommarkt. Marktorientiertes Laden durch variable Stromtarife, die den aktuellen Großhandelspreis abbilden, kann dazu beitragen, die Ladekosten von Haushalten zu reduzieren und gleichzeitig den Anteil erneuerbarer Energien am Ladestrom zu erhöhen. Das Angebot variabler Strompreise ist damit sowohl im Interesse der Energieversorger, weil es zur Glättung der Beschaffungsprofile beiträgt, als auch im Interesse von Endkundinnen, die zu geringeren Preisen laden können. Variable Strompreise erhöhen die Attraktivität der Elektromobilität und können dadurch einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende in Deutschland leisten. Einfache sogenannte Time-of-use-Tarife können hier ein Anfang zur Flexibilisierung sein.
  4. Systemorientiertes Laden: Informationen aus dem Stromnetz und dem Strommarkt. Variable Strompreise können jedoch die Spitzenlast im Vergleich zum ungesteuerten Laden durch Herdenverhalten auch deutlich erhöhen. Dies kann das Auftreten von Engpässen im Verteilnetz begünstigen. Durch die optimale Kombination von Netz- und Marktsignalen und die Ausnutzung des Flexibilitätspotenzials von Ladevorgängen, dem sog. systemorientierten Laden, können Engpässe im Verteilnetz vermieden und Ladekosten reduziert werden.

Hürden bei Markt- und Netzsignalen

„Grundsätzlich können mit den Flexibilitätspotenzialen der Ladevorgänge Netzengpässe vermieden werden – und damit Netzausbau reduziert werden“, sagt Nils Namockel. Dies gilt sowohl für den fortschrittlichen Ansatz des systemorientierten Ladens, der Markt- sowie Netzsignale berücksichtigt, als auch für einfachere rein netzorientierte Ansätze wie eine pauschale Leistungsbegrenzung. Dabei können in der zugrundeliegenden Analyse mit beiden Ansätzen Netzengpässe vermieden werden, ohne das Mobilitätsverhalten einzuschränken.

„Für eine erfolgreiche Umsetzung gibt es jedoch noch Hürden“, so die Autoren. Während die Umsetzungshürden für die Integration von Marktsignalen eher technischer Natur sind (z.B. Verzögerung des Smart-Meter-Rollouts), gibt es in Bezug auf Netzsignale zusätzlich regulatorische Hürden. So fehlt beispielsweise die regulatorische Grundlage, um bei steuerbaren Verbrauchseinrichtungen (zum Beispiel Elektroautos) netzdienliches Verhalten anzureizen. „Hier müsste u.a. §14a EnWG reformiert werden, der steuerbare Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung adressiert.“

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