Bundesregierung hält an Abschöpfung von Zufallsgewinnen fest

Rückwirkende zum 01.09.2022 – scharfe Kritik der Verbände

Der laut pv magazine (Sandra Enkhardt) bekannt gewordene Referentenentwurf der Ampelkoalition zur Strompreisbremse hält am zuletzt präferierten Modell der rückwirkenden Übergewinnabschöpfung Wahlmöglichkeiten zur Refinanzierung ab 01.09.2022 fest. An der Schwelle von einem Megawatt soll festgehalten werden, also nur Anlagen ab dieser Leistung sind von den Plänen betroffen. Herbe Kritik kommt weiterhin von den Verbänden, BSW Solar, BEE, DUH und Fachverband Biogas. Der Entwurf soll bald im Kabinett beraten werden.

PV und Windenergie – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die EU hatte mit ihrer Notfallverordnung den Weg frei gemacht, derzufolge die Mehrerlöse an den Strommärkten in den EU-Mitgliedsstaaten bis zu 90 Prozent abgeschöpft werden können. Zunächst war dafür ein Konzept aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt geworden, das eine Abschöpfung teilweise ab 01.03.2022 vorsah. In der letzten Version war dann noch vom 1. September die Rede; daran scheint die Bundesregierung festhalten zu wollen.

Aus Regierungskreisen verlautete, Kraftwerke müssten einen Teil ihrer sogenannten Zufallsgewinne vom 01.09.202 bis mindestens 30.06.2023 abführen müssen. Betroffen seien Kraftwerke mit niedrigen Stromerzeugungskosten, die ihren Strom zu sehr hohen Preisen hätten verkaufen können und noch könnten, weil die Erzeugungskosten von anderen Kraftwerken, vor allem von Gaskraftwerken, sehr schnell und sehr stark gestiegen seien. Zu den Kraftwerken mit den vergleichsweise niedrigen Stromerzeugungskosten gehörten Wind-, Photovoltaik- und Wasserkraftanlagen, weiter Abfallverbrennungsanlagen, Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke. Nur bei diesen Kraftwerken würden Zufallsgewinne abgeschöpft, heißt es weiter.

Für die Abschöpfung könnten sie dann „zwischen zwei Abrechnungsarten entscheiden“:  Die Kraftwerksbetreiber könnten entweder die Verträge für ihre einzelnen Kraftwerke offenlegen und die tatsächlichen Mengen und Preise geltend machen. Oder sie könnten ihre Erlöse anhand von durchschnittlichen Preisen am Spot- und Terminmarkt berechnen lassen. „Die Anrechnung auf Basis tatsächlicher Verträge gilt bei Bestandsanlagen nur für bereits laufende Verträge, andernfalls wäre es zu leicht, der Abschöpfung mit kreativen Neuverträgen zu umgehen“, hieß es aus Regierungskreisen weiter. „Für Neuanlagen können zusätzlich auch neu abgeschlossene Verträge geltend gemacht werden. Dies ist zwingend erforderlich, um den Zubau vor allem von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien nicht zu gefährden. Dadurch bleiben alle neuen Investitionsprojekte wirtschaftlich attraktiv.“

Für beide Mechanismen soll ein Sicherheitszuschlag gewährt werden. „Um die Unsicherheiten von Produktions- und Preisdaten zu berücksichtigen, gibt es deshalb einen Sicherheitszuschlag von 3 Cent pro Kilowattstunde auf die errechneten Erlöse, den die Kraftwerksbetreiber einbehalten können. Für die zukünftig erfassten Termingeschäfte wird ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag von 1 Cent pro Kilowattstunde angerechnet, der immer zugunsten der Unternehmen wirkt. Damit es sich für die Kraftwerksbetreiber weiterhin lohnt, den Strom in Zeiten mit besonders hohen Preisen zu verkaufen, also dann, wenn er besonders gebraucht wird, werden nur 90 Prozent der errechneten Zufallsgewinne abgeschöpft. 10 Prozent verbleiben als sicherer Gewinn bei den Kraftwerksbetreibern. Die vorgeschlagenen Regelungen zur Abschöpfung sichern, dass Kraftwerksbetreiber weiterhin sichere Gewinne am Strommarkt erzielen“. Die Regierungskreisen will am Merit-Order-Prinzip unverändert festhalten. Beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht man die Pläne mehr als kritisch.

DUH fordert Anrechnung von (Re-)Investitionen in Erneuerbare Energien

„Expertinnen und Experten bewerten das diskutierte Modell sowohl steuerlich als auch rechtlich als fraglich“, erklärte Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Die Verunsicherung ist entsprechend groß. Erste EE-Projekte und Investitionen wurden bereits gestoppt. Die  bewertet den aktuellen Entwurf der Strompreisbremse als ungerecht. Mit einer Schlechterstellung der erneuerbaren Anlagen würde die Bundesregierung die Linie des Tragbaren überschreiten. Einen guten Kompromiss sieht die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation im Grundgedanken des Österreichischen Modells, der lautet: ‚Wer in Erneuerbare investiert, zahlt weniger‘. Damit schafft es Anreize zur Investition in grüne Technologien und zur Loslösung von fossilen Abhängigkeiten.“

Dazu DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner: „Die Strompreisbremse darf keinesfalls zulasten Erneuerbarer Energien gehen. Der derzeitige Diskussionsstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Investitionen in Erneuerbare müssen attraktiv bleiben. Österreich hat dazu ein vielversprechendes und gleichzeitig einfaches Modell vorgestellt, das Investitionen in Erneuerbare fördert. So gelingt es Österreich, den Anreiz zu setzen, Investitionen in Erneuerbare zu erhöhen und deren Ausbau zu beschleunigen. Gleichzeitig können dadurch zukünftige Mangellagen vermieden und Übergewinne für die Strompreisbremse abgeschöpft werden.“

Das Österreichische Modell sieht vor, dass Firmen, die ihre Übergewinne in EE investieren, weniger Zufallsgewinne abgeben. Diese Regelung setzt einen starken Anreiz in den weiteren Ausbau und könnte einfach für die deutsche Situation adaptiert werden.

Für stromerzeugende bzw. -handelnde Firmen gilt:

  • Der Erlös wird auf 180 Euro pro Megawattstunde (MWh) gedeckelt
  • Dieser maximale Erlös sinkt auf 140 Euro/MWh, wenn keine Investitionen in EE nachgewiesen werden können
  • Abgeschöpft werden 90 Prozent dieser Zufallsgewinne

Für fossile Energiekonzerne wie Erzeuger und Händler von Öl und Gas gilt:

  • Liegt der aktuelle Gewinn um mehr als 20 Prozent über dem durchschnittlichen Gewinn von 2018 bis 2021, so werden 40 Prozent der Gewinne abgeschöpft
  • Werden diese Gewinne in die Umrüstung auf EE investiert, reduziert sich die Abschöpfung auf 33 Prozent
  • Weiterhin fällt eine Körperschaftssteuer von 25 Prozent an

Warnung vor Solarenergie-Markteinbruch – gesetzeswidriger Eingriff ins Eigentumsrecht?

Der BSW warnt weiter vor einem Solarenergie-Markteinbruch in Deutschland für den Fall, dass die Bundesregierung rückwirkend oder in unverhältnismäßiger Höhe Erlöse bei Solaranlagenbetreibern abschöpfen sollte. Das über die jüngsten EU-Beschlüsse zur Strompreisbremse noch deutlich hinausgehende Vorhaben bewege sich weder in den Vorgaben der EU-Verordnung, noch in den Grenzen des Verfassungsrechts, ergab eine Prüfung durch die Berliner Wirtschaftskanzlei Raue im BSW-Auftrag. Die Abschöpfung von Erlösen sei bislang nur als Sanktionsmaßnahme im deutschen Recht vorgesehen. Da gemäß den BMWK-Plänen tatsächlich erwirtschaftete Gewinne jedoch überhaupt nicht in die Berechnung einfließen, liege sogar ein ungerechtfertigter Eingriff in das Eigentumsrecht nahe.

Der BSW warnt eindringlich vor dem „Tabubruch“ eines rückwirkenden Markteingriffs und vor der Beschneidung von Solarerlösen. Ihr Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig erklärte: „Derartige Eingriffe würden das Investitionsklima für marktgetriebene Solarkraftwerke nachhaltig vergiften. Sie drohen die Markteinführung der Photovoltaik um viele Jahre zurückzuwerfen. Um eine bezahlbare und unabhängige Energieversorgung zu erreichen sowie horrende Klimafolgekosten zu dämpfen, müssen wir den Solarenergieausbau vervielfachen und nicht ausbremsen.“ Das Bundesverfassungsgericht habe bereits im letzten Jahr die Bedeutung von umfassenden klimaschutzpolitischen Maßnahmen zur Einhaltung der Verfassung betont. Die Ampelkoalition hatte sich selbst erst in diesem Sommer das Ziel gesetzt, den Ausbau der Photovoltaik bis zum Jahr 2030 nahezu zu vervierfachen.

BEE: „Abschöpfungs-Irrweg gefährdet Investitionen in Erneuerbare Energien“ – Klagewelle droht

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht in dem Vorschlag „einen Irrweg, der das Investitionsklima bei den Erneuerbaren Energien auf lange Zeit zu beschädigen droht und die Einhaltung der Klimaziele riskiert“. „Deutschland steigt aus den fossilen Energien aus und zieht gleichzeitig den Erneuerbaren Zukunftsträgern den Boden unter den Füßen weg. Die Bundesregierung riskiert hier mutwillig und ohne Not die bisher erzielten Fortschritte bei der Energiewende“, so BEE-Präsidentin Simone Peter.

Der Gesetzentwurf benachteilige die Erneuerbaren Energien gegenüber fossilen Quellen wie Steinkohle oder Erdgas, sei investitionsfeindlich und nicht rechtssicher. Mit einer Klagewelle aus der gesamten Branche sei zu rechnen. Der heutige Vorschlag gehe zudem weit über den europäischen Rahmen hinaus. Er spreche von einer Begrenzung bis ‚mindestens Juni 2023‘ und sogar einer Verordnungsermächtigung zur Verlängerung bis Ende 2024. Damit sei keine echte zeitliche Begrenzung gegeben. „Das eröffnet eine neue Baustelle und schafft zusätzliche Unsicherheit“, so Peter weiter.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass die Abschöpfung bereits ab September 2022 und damit rückwirkend greifen soll. „Eine Rückwirkung ist verfassungswidrig; hierzu gibt es auch ein entsprechendes Rechtsgutachten.“ Daneben würden unterschiedliche Kraftwerkstypen unterschiedlich belastet. Dieser Ansatz sei nicht mit geltendem EU-Recht vereinbar. „Der Entwurf zielt weiter auf die Abschöpfung von Gewinnen statt von Erlösen. Das entzieht den Unternehmen in großem Umfang Liquidität, die aber dringend für die notwendigen Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren gebraucht wird.“ Auch die Sicherheitszuschläge bildeten keineswegs die Realitäten der Kostenstrukturen ab. Sie sind damit nicht dazu geeignet, den Unternehmen tatsächlich Sicherheit bieten zu können. „Eine Steuer auf Erlöse wäre nicht nur explizit mit EU-Recht vereinbar gewesen, sie hätte auch viel unnötige Bürokratie vermeiden können“, so Peter.

„Warum Deutschland hier an einem Sonderweg festhält, statt dem Vorschlag der EU und dem Beispiel anderer EU-Staaten wie Österreich, Spanien oder Belgien zu folgen, ist uns nicht begreiflich. Noch weniger begreiflich ist, dass man den EU-Rahmen als Begründung nutzt, um Bioenergie nicht vollständig zur Ausnahme zu erklären. Für viele Biogasanlagenbetreiber ist das jetzt das Aus“, so Peter. Dabei würde gerade Biogas zum Ersatz des fossilen Erdgases benötigt, sei heimisch und flexibel steuerbar. „Die Branche geht zurecht auf die Barrikaden und hat für heute zu einer Protestaktion von Bioenergie-Bauern vor dem Deutschen Bundestag in Berlin aufgerufen.

Weshalb die Regierung mit diesem unausgereiften Konzept ohne Not voranprescht anstatt sich – auch jenseits der notwendigen zeitnahen Entlastung – für die Ausgestaltung der Abschöpfung die gebotene Zeit zu nehmen, erschließt sich uns nicht. Wir sehen im Gegenteil Milliardeninvestitionen gefährdet, die jetzt gegen die Versorgungs- und Kostenkrise investiert werden müssten. So wird die Energiewende erneut ausgebremst – ein fatales Signal an Standort und Klima“, so Peter abschließend.

Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, kommentiert:

„Der Entwurf des Wirtschaftsministeriums zeigt, wie gering die Bereitschaft ist, sich auf die besondere Situation der Bioenergie einzulassen. So wird in dem Entwurf betont, die gestiegenen Kosten in Bezug auf Wartung, Reparatur, Betriebsmittelkosten und Substrate zu berücksichtigen, allerdings nur bei Biogasanlagen und weit unterhalb dessen, was zur Vermeidung einer Abschaltung der Anlagen nötig wäre. Doch auch eine Erhöhung des Sicherheitspuffers von 3 auf 6 Cent pro Kilowattstunde reicht in keiner Weise aus, um einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb zu ermöglichen und Investitionsanreize zu bewahren. Die Kostensteigerungen bei der Holzenergie werden völlig ignoriert. Folgerichtig ist nach wie vor die vollständige Ausnahme der Bioenergie die einzige Lösung für Versorgungssicherheit im aktuellen Winter. Sollte dies keine Option sein, müssten zumindest die Sicherheitszuschläge von 12 ct/kWh für Biogas, 13 ct/kWh für Altholz und 9 ct/kWh für Frischholz angehoben werden.

Die vorgeschlagene Bagatellgrenze für Erneuerbare Energien Anlagen untere einem Megawatt ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, diskriminiert aber insbesondere jene Biogasanlagen, die ihre Leistung zur flexiblen Stromproduktion erhöht und sich frühzeitig für eine teurere, aber netzdienlichere Stromproduktion entschieden haben. Die Grenze muss daher ein Megawatt Höchstbemessungsleistung betragen.
Auf vollkommenes Unverständnis in der Branche stößt ebenfalls die rückwirkende Abschöpfung zum 1. September dieses Jahres. Dies verspielt massiv Vertrauen der Marktakteure und greift direkt in die Zukunftsfähigkeit einer Vielzahl von Bioenergieanlagen ein, die bereits in großen Maßstabe Investitionen getätigt und die Erlöse zur Kostendeckung verwendet haben.“

->Quellen: