Verwertung von Altfahrzeugen in Deutschland

Untersuchung der Herausforderungen und Potenziale für effizientere Kreislaufwirtschaft

Im Juli 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Überarbeitung der mehr als 20 Jahre alten EU-Altfahrzeug-Richtlinie veröffentlicht. Mit einem aktuellen Papier widmen sich Forschende des Wuppertal Instituts, in Kooperation mit IN4climate.RR, nun genau diesem Thema: Das Paper mit dem Titel „Die Verwertung von Altfahrzeugen in Deutschland – Status Quo, Herausforderungen und Potenziale im Hinblick auf eine effizientere Kreislaufwirtschaft in Deutschland und dem Rheinischen Revier“ benennt Schwachstellen und blinde Flecken im aktuellen System – und enthält Vorschläge für eine bessere Verwertung von Altfahrzeugen.

Ausschnitte aus dem Paper

Papier „Verwertung von Altfahrzeugen“ – Titel © Wuppertal-Institut, IN4climate.RR

Die effiziente Verwertung von Altfahrzeugen ist vor dem Hintergrund einer notwendigen Transformation der Industrie in eine Kreislaufwirtschaft von hoher Relevanz für den Automobilstandort Deutschland.
Mit rund 2,2 Millionen Beschäftigten ist die Automobilindustrie der beschäftgungsstärkste Industriezweig in Deutschland. Trotz der krisenbedingt rückläufigen Zahlen produzierten die deutschen Autohersteller im Jahr 2021 weltweit über elf Millionen Pkw, davon gut drei Millionen in Deutschland. Bei aktuell rund 2,7 Millionen Neuzulassungen pro Jahr beondet sich der Fahrzeugbestand bundesweit auf einem Allzeithoch von 48,6 Millionen Pkw. Hierin gebunden sind enorme Mengen an Materialien, angefangen bei energieintensiven Grundstoffen über Edelmetallen bis hin zu seltenen Erden. Die Potenziale zur Wiederverwendung dieser Rohstoffe werden jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft.

Pkw und eine kleinere Anzahl weiterer Fahrzeugklassen fallen in Deutschland nach einer Nutzungsdauer von durchschnittlich 17 Jahren als Altfahrzeuge zur Verwertung an. Insgesamt wurden im Jahr 2020 2,8 Millionen Fahrzeuge endgültig stillgelegt. Allerdings wurden im gleichen Jahr lediglich etwa 400.000 Altfahrzeuge in anerkannten Demontagebetrieben behandelt. Mit rund 80 % wird der größte Anteil an stillgelegten Fahrzeugen bereits in der Nutzungsphase als Gebrauchtwagen in andere Länder exportiert, sodass diese nicht als Altfahrzeuge in Deutschland anfallen. Darüber hinaus ist der Verbleib von etwa 200.000 Altfahrzeugen statistisch nicht erfasst, was eine illegale Demontage in nicht anerkannten Betrieben sowie illegalen Export vermuten lässt.

Dadurch gehen signifikante Mengen an Sekundärrohstoffen für eine Verwertung in Deutschland verloren, was den Bedarf nach energieintensiver Primärproduktion erhöht und gerade bei kritischen Rohstoffen zur Abhängigkeit von globalen Lieferketten beiträgt.

Doch auch bei den in Deutschland verwerteten Altfahrzeugen setzen die bestehenden Strukturen nur geringe Anreize für eine umfassende Rückgewinnung wertvoller Ressourcen. So gibt es bundesweit zwar über 1.000 anerkannte Demontagebetriebe für Altfahrzeuge, hier werden jedoch meist aus wirtschaftlichen Gründen neben der fachgerechten Entnahme von Betriebsmitteln nur vereinzelt Bauteile einer Wiederverwendung zugeführt. Der überwiegende Teil der Restkarosse wird 46 Schredderbetrieben in Deutschland weitergegeben. Diese sortieren vorwiegend nach Eisen-, Nicht-Eisen- und Leichtfraktion. Bei der anschließenden Verwertung dieser Stoffströme handelt es sich jedoch meistens nicht um hochwertiges Recycling, sondern überwiegend um Downcycling und energetische Verwertung. Darüber hinaus wird von einer unbekannten Anzahl illegaler Demontagebetriebe ausgegangen, die in direkter Konkurrenz zu den anerkannten Demontagebetrieben stehen und durch deren Aktivitäten unbekannte Mengen an Sekundärrohstoffen dem Markt entzogen werden. Auch der aktuelle regulatorische Rahmen setzt nur bedingt Anreize für eine höherwertige Verwertung. Insgesamt führt dies dazu, dass trotz relativ hoher gesetzlicher Vorgaben der deutschen Altfahrzeug-Verordnung die tatsächlichen Quoten und Qualitäten seit Jahren rückläufig sind.

Das vorliegende Papier zielt daher darauf ab, ein umfassendes Verständnis für das gegenwärtige System der Fahrzeugverwertung und der damit verbundenen Rohstoffpotenziale in Deutschland zu schaffen, Lösungsansätze zur Verbesserung der Kreislaufführung aufzuzeigen und dabei mögliche Beiträge des Rheinischen Reviers zu diskutieren. Die Region ist sowohl von Ballungsgebieten mit einer hohen Anzahl an Altfahrzeugen umgeben als auch durch eine für die Fahrzeugproduktion relevante Industriestruktur gekennzeichnet – mit Grundstonerstellern aus Bereichen wie Aluminium, Glas und Kunststofffe. Daher soll insbesondere das Potenzial einer Kreislaufschließung durch eine effiziente und qualitativ hochwertige Verwertung von Altfahrzeugen diskutiert werden. Das Papier schafft somit eine wesentliche Grundlage, um die hier skizzierten Ansätze im weiteren Projektverlauf von IN4Climate.RR gemeinsam mit Revierakteuren zu konkretisieren.

Hierzu wird nach einer thematischen Einführung zunächst der gegenwärtige Prozess der Fahrzeugverwertung analysiert und die Relevanz des Themas für das Rheinische Revier aufgearbeitet. Anschließend werden zentrale Herausforderungen für eine intensivierte Fahrzeugverwertung beleuchtet und verschiedene Ansätze zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Automobilsektor skizziert. Diese werden sowohl hinsichtlich ihrer potenziellen Relevanz für das Rheinische Revier bewertet als auch in die gegenwärtige Überarbeitung des regulatorischen Systems eingeordnet. Das Papier schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Schlussfolgerungen und einem Ausblick auf die im weiteren Projektverlauf geplanten Arbeiten zum Thema.

Dieses Papier zielt darauf ab, ein umfassendes Verständnis für das gegenwärtige System der Fahrzeugverwertung zu schaffen, die Herausforderungen bei der Ausschöpfung von Rohstoffpotenzialen aufzuzeigen und erste Lösungsansätze für eine Verbesserung in Richtung Kreislaufwirtschaft zu diskutieren.

Hierfür wurde zunächst der aktuelle Prozess der Fahrzeugverwertung in Deutschland beleuchtet. Die Ergebnisse der stofffstromanalyse in Kapitel 2 zeigen, dass die bereits relativ hohen stoffflichen Verwertungsquoten von insgesamt 83 % maßgeblich durch das Metallrecycling bestimmt werden. Die Wiederverwendung von demontierten Teilen oder das Recycling nicht-metallischer Rohstofffe wie Glas, Kunststofffe und Textilien spielen hingegen aktuell kaum eine Rolle. Auch werden gegenwärtig rund 40 % aller zur Verwertung anstehenden Fahrzeuge in illegalen Betrieben mit unklaren Demontage- und Recyclingquoten verarbeitet. Hier gibt es erhebliche Verbesserungspotenziale. Die anschließende Akteursanalyse zeigt, dass im Rheinischen Revier bereits eine vielfältige Akteurslandschaft entlang der Wertschöpfungskette von Fahrzeugen angesiedelt ist – auch wenn weder die Region noch Nordrhein-Westfalen insgesamt eine Fokussierung auf die eigentliche Produktion von Fahrzeugen legt. Aus einer systemischen Perspektive ergeben sich insbesondere mit der überregional ansässigen Grundstofffindustrie sowie den zahlreichen Grundstofffverarbeitern Synergiepotenziale zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft.

Dass eine intensivierte Verwertung von Altfahrzeugen jedoch komplex und mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist, zeigt Kapitel 4. Als wichtigste Hürden wurden die sehr hohen Exportquoten für Altfahrzeuge in Höhe von 78 %, der hohe Anteil illegaler Verwertung sowie die häufig fehlende Wirtschaftlichkeit für eine tiefe Demontage und die Rückgewinnung kritischer Rohstofffe identifiziert. Auf diese Weise gehen sehr große Mengen an energieintensivem Material und seltenen Ressourcen für eine Wiederverwendung in Deutschland und Europa verloren. Wie der Exkurs zur Elektromobilität zeigt, stellt eine besondere Herausforderung das Batterierecycling dar, welches bislang kaum praktiziert wird, jedoch binnen kurzer Zeit den Aufbau massiver Kapazitäten zum Refurbishment, Repurposing und Recycling von E-Akkus erfordert. Dass bereits Lösungsansätze zur Verbesserung des gegenwärtigen Systems der Altfahrzeugverwertung bestehen, zeigt Kapitel 6 – hier werden vier verschiedene Ideen zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft skizziert, hinsichtlich ihrer potenziellen Relevanz für das Rheinische Revier bewertet und in die gegenwärtige Überarbeitung des regulatorischen Systems auf EU-Ebene eingeordnet.

Die Erkenntnisse dieses Überblickpapiers werden im Projektverlauf von IN4Climate.RR weiter konkretisiert. Hierzu sollen die skizzierten Herausforderungen und Lösungsansätze zunächst projektintern weiterentwickelt und anschließend gemeinsam mit relevanten Revierakteuren diskutiert werden. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage, wie sich verschiedene Akteure über die Wertschöpfungskette von Fahrzeugen und angrenzenden Industrien besser miteinander vernetzen lassen, um sowohl Kreislaufwirtschaft zu fördern als auch ökonomisch tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hierfür bieten sich insbesondere Workshop-Formate mit Stakeholdern von unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfungsketten an, wie Grundstofffproduzenten und Verarbeitern, Zulieferern, Demontagebetrieben und Verwertern. Perspektivisch wird der Anspruch einer tiefergehenden Demontage von Altfahrzeugen und einer Intensivierung der Kreislauführung von Rohstofffen eine integrative Aufgabe bleiben, bei der wir gesamtgesellschaftlich einen anderen Umgang mit wertvollen Ressourcen lernen müssen. Hierzu gehört auch eine Flankierung vonseiten der Politik durch eine echte Kreislaufstrategie für kritische Rohstofffe in Europa, die gerade mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die Umsetzung der Energiewende von zentraler Bedeutung ist. Die gegenwärtige Überarbeitung der ELVD durch die europäische Kommission stellt hierfür eine wichtige Voraussetzung dar, bei der es jedoch auf die konkrete  Umsetzung der einzelnen Maßnahmen ankommen wird und die gleichzeitig einzubetten ist in eine übergeordnete und sektorenübergreifende Kreislaufstrategie.

->Quellen: