Circular Economy: „Ein neues Konsumverhalten etablieren“

Untersuchung des Öko-Instituts

Die Keislaufwirtschaft (Circular Economy) unterstützt den Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft, die Klima und Biodiversität schützt. In einer umfassenden Kreislaufwirtschaft werden Produkte und Rohstoffe möglichst lange genutzt und anschließend wiederverwendet – so ändert sich die Art des Wirtschaftens und Konsumierens. Wie das umgesetzt werden könnte und welche vielversprechenden Ansätze und Studien es bereits dazu gibt, erklärt eine am 20.10.2023 zuerst veröffentlichte neue Folge des Podcasts „Wenden bitte“ des Öko-Instituts (von Clara Löw).

Grenzenloser Konsum? – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Der Fokus der Kreislaufwirtschaft sollte darauf liegen, Abfälle zu vermeiden und Produkte möglichst lange zu verwenden. Dadurch können sich Kreisläufe verlangsamen und sogar schließen. „Diese Änderungen betreffen alle Produktions-, Konsum- und Lebensweisen“, erklärt die Wissenschaftlerin Carla Löw aus dem Bereich Produkte & Stoffströme des Öko-Instituts. „Weniger Rohstoffe zu verwenden, verringert Umweltauswirkungen, senkt die Abhängigkeit von anderen Ländern und den Energieverbrauch. All das hilft, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen und das Klima zu schützen.“

Im Rahmen des Projekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“ des Öko-Instituts will eine Forschungsgruppe herausfinden, wo derzeit die größten Hemmnisse für eine echte Kreislaufwirtschaft liegen. Das vierte Brennglas behandelt die Möglichkeiten, ein neues Konsumverhalten zu etablieren.

Second-Hand-Läden, Teilen, Reparieren, Leihen und Mieten von Dingen sind Formen des Konsums, an die man in einer Circular Economy schnell denkt. Solche alternativen Nutzungskonzepte sind ein guter Ansatz, um die Nutzungsdauer von Gegenständen zu verlängern und zu intensivieren, so dass wir insgesamt weniger neue Konsumgüter benötigen und Ressourcen einsparen.

Bisher besetzen solche Ansätze jedoch lediglich kleine Nischen und funktionieren nicht im Massenmarkt. So ist die Anzahl von CarSharing-Autos in den letzten Jahren zwar stetig gestiegen, der Marktanteil von stationsbasiertem Car-Sharing lag im Jahr 2020 aber unter 0,1 Prozent – und im Jahr 2023 gab es mehr Autos als jemals in den letzten 30 Jahren“.

Die Mehrheit der zirkulären Geschäftsmodelle ist derzeit wirtschaftlich nicht tragbar, Sie stehen in Konkurrenz mit Unternehmen, die billig produzieren, da sie Kosten für Umwelt- und Gesundheit nicht berücksichtigen. Oft haben alternative Nutzungskonzepte auch schlicht wenig Transformationspotenzial: So ist z.B. der Verleih von Werkzeugen zur Erhöhung der Nutzungsintensität zwar durchaus sinnvoll, hat aber auf große Stoffströme wenig Einfluss.

Um innerhalb der planetaren Grenzen zu leben und zu wirtschaften, ist eine Reduktion unseres Rohstoffkonsums von derzeit 16 Tonnen auf etwa 7 Tonnen pro Person und Jahr bis 2045 notwendig. Die genannten Geschäftsmodelle, Effizienzmaßnahmen und der technologische Wandel sind dafür bei Weitem nicht ausreichend“, was bedeutet, dass wir unsere Art des Konsumierens verändern müssen.

Ressourcenschutz braucht gesamtgesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Verantwortung

Maßnahmen für rohstoffarmen Konsum scheitern oft an Akzeptanzproblemen. Das liegt daran, dass die Forderung, unseren Ressourcenverbrauch zu reduzieren, mit Angst vor Wohlstandsverlusten und Verboten einhergeht. In der aktuellen Debatte entsteht der Eindruck, dass ein nachhaltiges Leben von Verzicht geprägt und teurer wird. Dabei ist es so: Je höher das Einkommen, desto umweltschädlicher das Leben, z.B. größere Wohnungen, häufigere Autofahrten und mehr Fluqrelsen.? Doch hätten gerade diejenigen mit höherem Einkommen weniger Schwierigkeiten, die Kosten zu tragen, wenn diese die Umweltauswirkungen beinhalten.

Und: Es geht in der Circular Economy keineswegs darum, Wohlstand aufzugeben. Vielmehr soll sie einen Weg aufzeigen, wie wir innerhalb der planetaren Grenzen unsere Bedürfnisse langfristig weiter erfüllen können. Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft können aufzeigen, wie neue Wege aussehen können und welche alten Gewohnheiten wir ablegen sollten.

Oft kann etwas auf den ersten Blick wie ein Verzicht aussehen, sich aber am Ende als Gewinn herausstellen. Auf Mobilität bezogen könnte das heißen: Natürlich sollen alle Menschen die Möglichkeit haben, sich unkompliziert fortzubewegen. Der Besitz eines eigenen Autos könnte aber vielleicht durch die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs in Verbindung mit Fahrrad oder Car-Sharing abgelöst werden. Für NutzerInnen ergeben sich dadurch auch erhebliche Vorteile: Kosten können sich verringern, der Aufwand für Reinigung, Wartung und Reparatur entfällt und Zeit im Zug kann für Dinge genutzt werden, die später am Tag Zeit einsparen. Öffentlichen Nahverkehr und Carsharing bereitzustellen bzw. dafür zu sorgen, dass sie wirtschaftlich tragfähig arbeiten können, ist Aufgabe der Politik.

Die bisherigen Ressourcenschonungsstrategien und Ansätze für eine Ressourcenpolitik in Deutschland bieten keinen Rahmen, um die Mechanismen des Marktversagens (Auslagerung von Umweltkosten, fehlende Standards, Infrastruktur und Investitionen, Pfadabhängigkeiten etc.) zu überwinden. Wie muss die Politik einen Wandel des Konsumverhaltens steuern? Die Politik muss die Rahmenbedingungen verändern.

Das bedeutet: Sie muss regulative Instrumente zur Ressourcenschonung ambitioniert und verbindlich umsetzen (vgl. Policy Mix im MDCE Blueprint“), Insbesondere müssen solche Instrumente zum Einsatz kommen, die direkt oder indirekt Preise verändern, so dass Kaufentscheidungen ökologisch motiviert und umweltfreundliche Alternativen für alle zugänglich sind.? Auch staatliche Infrastrukturen müssen ausgebaut und die öffentliche Beschaffung reformiert werden.

Wer fängt an mit Umdenken? – Die Rolle der Politik

Der Übergang zu einer umfassenden Circular Economy ist eine tiefgreifende Veränderung und passiert nicht von allein, sondern muss gesteuert werden. Wir gehen nicht davon aus, dass VerbraucherInnen über die Nachfrage und politische Meinungsäußerung diese Veränderung allein steuern könnten. Sie brauchen einen Anreiz, sodass Veränderung nicht Mehraufwand bedeutet sondern selbstverständlich ist. Die wissenschaftlichen Studien zeigen, dass sich „von allein“ bzw. nur aufgrund veränderter Nachfrage keine Gesellschaft wandelt, stattdessen ist es die Politik, die hier eingreifen, steuern und die passenden Rahmenbedingungen schaffen muss. Und auch Unternehmen richten ihre Investitionen nach richtungsweisenden politischen Entscheidungen aus.

Die Rolle der Politik beim Übergang zu einem nachhaltigen Konsumverhalten, haben wir im Fact-Sheet „Ein neues Konsumverhalten etablieren“ dargelegt: Es ist wichtig, dass die Politik die Rahmenbedingungen so setzt, dass einerseits planetare Grenzen respektiert werden, dass andererseits sichergestellt ist, dass umweltfreundliches Verhalten für VerbraucherInnen so einfach wie möglich wird, z.B. durch guten öffentlichen Nahverkehr, das Verhindern von Greenwashing oder gute Rücknahmesysteme für beispielsweise Elektroaltgeräte, Sperrmüll usw. Weiterhin muss die Politik dafür Sorge tragen, dass die Bevölkerung bei diesem Vorhaben mitgenommen und beteiligt wird. Durch gute Kommunikation, Kooperationen und geschickte Bündelung von Maßnahmen kann die Akzeptanz der Konsumwende erhöht werden. Nicht zuletzt muss Politik auch einen Diskurs darüber anstoßen, was ein gutes Leben eigentlich ausmacht – brauchen wir dafür immer mehr Konsum oder welche Dinge machen ein lebenswertes Leben aus? Bin ich glücklicher, wenn ich neue Klamotten von meiner Lieblingsonlineplattform bestelle oder wenn ich Zeit mit FreundInnen verbringe? Genieße ich es, mit Familien oder FreundInnen Selbst-Gekochtes zu Abend zu essen oder mir etwas Schnelles und Verpacktes liefern zu lassen?

Wie zivilgesellschaftliche Akteure, Unternehmen, Wissenschaft und Medien-Aktive zu einer Konsumwende beitragen können

Obwohl zuerst die Politik in der Verantwortung steht, kann ein Wandel des Konsumverhaltens nicht gelingen, wenn nicht gleichzeitig auch viele andere Akteure aktiv werden und auf ein Umdenken hinarbeiten. Parteien, Unternehmen, NGOs, Medien, WissenschaftlerInnen, Social-Media-ExpertInnen und Einzelpersonen können und müssen einen wichtigen Beitrag leisten.

Bezogen auf Konsumgüter kann Qualität statt Quantität befreiend wirken und sogar Geld sparen. Die gemeinsame Nutzung von Gütern, z.B. durch Nachbarschaftsinitiativen wie Nebenan.de oder Urban Gardening, kann zu mehr Gemeinschaft führen. Steigende Kosten in bestimmten Bereichen können durch sozialpolitische Flankierung abgemildert werden. Wenn man nicht „immer mehr“ und „immer schneller“ Leistung erbringen muss, sinken Stresslevel und die freie Zeit für FreundInnen, Familie und Hobbys steigt. Kurzum: Ein Leben innerhalb planetarer Grenzen ist möglich, lebenswert und gibt auch unseren Kindern und EnkelInnen die Chance auf ein solches!

  1. Thema sichtbar machen: Erst einmal geht es darum, unser aktuelles Konsumverständnis zu reflektieren und das Thema Suffizienz öffentlich zu machen, es in das tägliche Leben zu bringen. Wir verstehen unter Suffizienz „Änderungen in Konsummustern, die helfen, innerhalb der ökologischen Grenzen der Erde zu bleiben, wobei sich Nutzenaspekte des Konsums ändern“. Ein Beispiel wie Suffizienz sinnvoll angewandt wird, sind Wohngemeinschaften, wo Vieles aus dem Hausstand und Wohnraum geteilt wird.. Da Veränderungen für Menschen herausfordernd sind, ist es wichtig, das Thema passend für unterschiedliche Wissensstände darzustellen, z.B. brauchen EinsteigerInnen in das Thema eine andere Ansprache als solche, die bereits umweltbewusst konsumieren.
  2. Ein positives Bild der Zukunft zeichnen: Nachhaltige und ressourcenschonende, zirkuläre Lebensstile werden oft mit Verboten und Verzicht assoziiert, nachhaltiger Konsum wird als zu schwierig und zu teuer empfunden. Das Verändern von Gewohnheiten stellt nach diesem Narrativ eine Zumutung, einen Zwang und eine Beschneidung der individuellen Freiheit dar. Es entsteht der Eindruck, dass ein nachhaltiges Leben nicht lebenswert sei und eine „Rückkehr zum einfachen Leben“ darstellt. Als Alternative wird die Möglichkeit präsentiert, dass „alles bleibt, wie es ist“. Ein solches Narrativ ist erstens nicht korrekt, denn ein „Weiter wie bisher“ wird durch das Überschreiten der planetaren Grenzen starke Auswirkungen auf unser Leben haben. Zweitens ist es nicht hilfreich, denn es motiviert nicht zum Handeln und es übersieht die Vorteile, die suffizientere Lebensstile mit sich bringen können.
    Akteure sollten stattdessen ein positives Narrativ des Lebens innerhalb planetarer Grenzen zeichnen und stärken, beispielsweise:- Eine intakte Natur als Aufenthalts- und Erholungsraum,
    – saubere Luft,
    – gesündere Lebensmittel und
    – mehr Gerechtigkeit, auch global gesehen.Bezogen auf Konsumgüter kann Qualität statt Quantität befreiend wirken und sogar Geld sparen. Die gemeinsame Nutzung von Gütern, z.B. durch Nachbarschaftsinitiativen wie Nebenan.de oder Urban Gardening, kann zu mehr Gemeinschaft führen. Steigende Kosten in bestimmten Bereichen können durch sozialpolitische Flankierung abgemildert werden. Wenn man nicht „immer mehr“ und „immer schneller“ Leistung erbringen muss, sinken Stresslevel und die freie Zeit für FreundInnen, Familie und Hobbys steigt. Kurzum: Ein Leben innerhalb planetarer Grenzen ist möglich, lebenswert und gibt auch unseren Kindern und EnkelInnen die Chance auf ein solches!
  3. Den Wachstumsbegriff reflektieren: Den verallgemeinerten Wachstumszwang zu hinterfragen, bedeutet, sich bewusst zu machen, in welchen Bereichen durch die Circular Economy positive und negative sozioökonomische Effekte auftreten können. Bestimmte Wirtschaftsbereiche, z.B. Bergbau und Tierhaltung, können nämlich in einer Welt innerhalb der planetaren Grenzen nicht weiterwachsen, wenn eine hohe Umweltverschmutzung mit der Produktionsweise, z.B. im Bergbau, oder dem Konsum dieser Güter, z.B. Fleisch, einher geht. Alle Akteure sollten dies thematisieren und diskutieren, die Politik sollte die wirtschaftspolitischen Weichen stellen.
  4. Angst vor Veränderungen nehmen: Ein positives Narrativ suffizienter Lebensstile sollte den Menschen zudem die Angst vor Veränderungen nehmen und aufzeigen, dass jede*r etwas beitragen kann. Auch kleine Schritte führen zum Ziel. Wichtig ist, sich auf den Weg zu begeben und die Gesellschaft in kleinen Schritten dahin zu führen, dass weniger Ressourcen verbraucht werden. Zum Beispiel existiert mit PSLifestyle ein Tool, das „dich dazu inspiriert, gemeinsam nachhaltige Lebensstile in ganz Europa zu gestalten“.
  5. Alle einbeziehen: Um alle Menschen einzubeziehen, sollten Ziele und Inhalte zielgruppengerecht erklärt und begründet werden. Das ermöglicht Menschen, aktiv den Wandel zu gestalten. Insbesondere Menschen, die sich bisher wenig mit ressourcenschonenden und nachhaltigen Lebensstilen auseinandergesetzt haben, sollten adressiert und einbezogen werden. Niederschwellige Möglichkeiten, neues Verhalten auszuprobieren, machen suffiziente Alternativen z.B. in Reallaboren sichtbar und erlebbar. Während Politik beispielsweise neue Radwege beauftragt, können z.B. kommunale Initiativen Radtouren für NeubürgerInnen anbieten. Auf großen Messen genauso wie auf Stadtteilfesten könnten Second-Hand-Stände oder vorwiegend vegetarisches Catering angeboten werden.

Akteursspezifische Strategien für ein neues Konsumverständnis

  • Politik in der Regierungsverantwortung: Rahmenbedingungen schaffen (siehe Factsheet)
  • Parteien (unabhängig von Regierungsverantwortung): Basierend auf ihren Positionen ein positives Bild der Zukunft zeichnen, Standpunkte und Maßnahmen begründen und erklären.
  • Unternehmen: Umorientierung von Unternehmenszielen und -praktiken, neue Unternehmensformen fordern und wählen, die Frage nach „gutem Wirtschaften“ erörtern, Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den Blick nehmen, Überproduktion und Retouren-Vernichtung vermeiden, langlebige Produkte herstellen und darüber kommunizieren, Kapital mit langfristigen Erträgen anlegen & Reinvestition des Gewinns in das Unternehmen, sekundärer Ressourceneinsatz, kurze Transportwege und nahe Produktionsstandorte wählen, Sparen von finanziellen Ressourcen im Marketing, sinnstiftende Arbeit als Arbeitsmarktvorteile nutzen, Wert schöpfen durch die Gewichtung von Qualität über Quantität.
  • Verbraucherverbände und NGOs: Alle Bevölkerungsgruppen adressieren, Vorteile suffizienter Lebensstile kommunizieren, den Wachstumsbegriff reflektieren
  • Medien: Suffiziente Lebensstile auf positive Weise sichtbar machen, reale Vorbilder zeigen, wissenschaftliche Erkenntnisse zielgruppengerecht erklären.
  • WissenschaftlerInnen: Sich an der Debatte um alternative Wirtschaftsindikatoren und ein neues Wirtschaftssystem beteiligen, wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich kommunizieren.
  • Social-Media-ExpertInnen: Dem Thema Sichtbarkeit verleihen, Debatten anstoßen, zum Mitmachen anregen.
  • Individuen: Suffizienz in kleinen Schritten für sich erproben (weniger Fast Fashion kaufen, fleischärmere Ernährung testen, Dinge reparieren, nachhaltige Mobilitätsformen ausprobieren, weniger Einwegplastik kaufen, …), gemeinwohlorientierte Unternehmen bevorzugen, mit anderen darüber ins Gespräch kommen, an Reallaboren teilnehmen.

->Quellen: