Die Energiewende braucht Silber, doch genau das wird knapp. Neue Studien zeigen: Schon in wenigen Jahren droht ein massives Defizit, vor allem durch den Boom bei Solarzellen.

Silber in Reinform: Ein elektrolytisch gezüchteter Silber-Kristall mit gut erkennbaren Strukturen © Alchemist-hp (CC-BY-SA)
Die weltweite Nachfrage nach Silber steigt rasant. Ein Haupttreiber ist die Solarindustrie. Forschende der Universität Gent zeigen: Schon bis 2030 könnte die Nachfrage die weltweite Förderung deutlich übersteigen. Die Forscher fordern, den Verbrauch zu senken, das Recycling auszubauen und verstärkt auf Strategien der Kreislaufwirtschaft zu setzen.
Die neue Studie der Universität Gent zeigt, dass der Photovoltaiksektor künftig zwischen 10.000 und 14.000 Tonnen Silber jährlich benötigen könnte. Das entspräche über 40 Prozent der globalen Förderung. Gleichzeitig dürfte das Gesamtangebot bei lediglich 34.000 Tonnen liegen. Deutlich zu wenig, um die globale Nachfrage nach Silber von bis zu 54.000 Tonnen zu decken. Für die Herstellung moderner Solarzellen wird deutlich mehr Silber benötigt als bei älteren Modultypen. Besonders neue Technologien wie TOPCon und HJT treiben den Materialverbrauch nach oben und könnten so zum Engpassfaktor der Energiewende werden. Wer künftig Energietechnik im großen Maßstab produzieren will, muss also anders mit Ressourcen umgehen – und zwar über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Der Großteil des weltweit geförderten Silbers (über 70 %) stammt nicht aus Silberminen, sondern fällt als Nebenprodukt bei der Gewinnung anderer Metalle an. Eine rasche Ausweitung der Förderung ist daher kaum realistisch. Deswegen fordern die Forschenden, dass die gesamte Lebensdauer von Silber stärker in den Blick zu nehmen ist. Kreislaufwirtschafts-Strategien wie Reduce, Recycle und Refurbish gewinnen an Bedeutung. Ziel müsse sein, Silber möglichst effizient zu nutzen, vorhandene Produkte länger im Kreislauf zu halten und Recyclingtechnologien gezielt weiterzuentwickeln. „Die Versorgung mit Rohstoffen ist entscheidend für das Tempo der Energiewende“, so Studienautorin Vittoria Cattaneo. Ein durchdachter Materialeinsatz ist also keine Nebensache. Es wird die Grundlage für den Ausbau der Energieversorgung sein.
Silber wird in Solarzellen als Leitmaterial für elektrische Kontakte benötigt. Moderne Zelltechnologien wie TOPCon (Tunnel Oxide Passivated Contact) und HJT (Heterojunction Technology) versprechen zwar hohe Effizienzwerte, verbrauchen aber deutlich mehr Silber als herkömmliche Zellen. Laut einer Studie der Universität Gent könnten allein durch den Photovoltaiksektor bis zu 14.000 Tonnen Silber pro Jahr benötigt werden. Das wäre mehr als ein Drittel der aktuellen globalen Fördermenge. Da ein Großteil des Silbers nicht aus reinen Silber-Minen stammt, sondern als Nebenprodukt gewonnen wird, ist eine schnelle Ausweitung der Produktion unwahrscheinlich. Der Markt reagiert. Der Silberpreis liegt aktuell bei rund 45 Euro pro Feinunze. Fast doppelt hoch so viel wie noch vor zwei Jahren.
Was das bedeutet: Die Energiewende stößt nicht nur an technische oder politische Grenzen, sondern auch an stoffliche. Dem zunehmenden Materialbedarf neuer Technologien muss mit Strategien begegnet werden, die Ressourcen im Kreislauf halten. Prof. Cattaneo von der Universität Gent fordert deshalb ein radikales Umdenken im Design, in der Nutzung und im Recycling solartechnischer Komponenten. Wer Energiesysteme weiterdenken will, muss sie auch stofflich nachhaltig gestalten. Das gilt nicht nur für Silber, sondern für alle kritischen Rohstoffe der Zukunftstechnologien. Kreislaufwirtschaft ist damit nicht nur ein ökologisches Prinzip, sondern eine strategische Notwendigkeit für Versorgungssicherheit und technologischen Fortschritt.
Quellen:
- Academic Bibliography Universiteit Gent: Forecasting silver demand and supply by 2030: Impact of silver-intensive photovoltaic cells and sectoral competition. In: Resources, Conservation and Recycling
- pv magazine (international): Die PV-Industrie könnte 2030 für 40 % der weltweiten Silbernachfrage verantwortlich sein