Sauerstoffproduktion im Dunkeln

Erstmals bei Archaeen nachgewiesene Fähigkeit könnte bisherige Sicht auf marinen Stickstoffkreislauf verändern

Es gäbe keinen Sauerstoff auf der Erde, wenn es nicht das Sonnenlicht gäbe, die Schlüsselkomponente der Photosynthese. Nun haben Forscher die entdeckt, dass Sauerstoff auch ohne Sonnenlicht produziert wird, möglicherweise tief unter der Meeresoberfläche. Aber nur wenige Mikroorganismen sind in der Lage, Sauerstoff in völliger Dunkelheit herzustellen. Ein neues Mitglied in diesem exklusiven Kreis ist der extrem kleine Einzeller Nitrosopumilus maritimus. Er kommt häufig in Meeresregionen mit sehr geringen Sauerstoffkonzentrationen vor und gehört zu den Archaeen.

Der Einzeller Nitrosopumilus maritimus kann Sauerstoff produzieren. Das haben Forschende der Universität Oldenburg und der Syddansk Universiteit nachgewiesen – erstmals bei einem Organismus aus der Domäne der Archaeen. – Bild © presse.uni-oldenburg.de

Diese bilden neben Eukaryoten, zu denen etwa Menschen und Tiere zählen, und Bakterien die dritte Domäne, in die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle Lebewesen der Erde einteilen. N. maritimus zählt dabei zu den Ammoniak-oxidierenden Archaeen, die Ammoniak zu Nitrit umwandeln können. Vermutlich nutzt der untersuchte Organismus einen bislang unbekannten Stoffwechselweg, um diesen biochemischen Prozess mit selbst produziertem Sauerstoff durchzuführen, berichten Forschende der Universität Oldenburg und der Syddansk Universitet in Odense (Dänemark) jetzt am 06.01.2022 in Science.

An dieser Beobachtung hat unter anderem der Oldenburger Meeresmikrobiologe Prof. Martin Könneke mitgewirkt. Er stellte den Organismus Nitrosopumilus maritimus zur Verfügung und plante die Versuche mit, die in Laboren der Syddansk Universitet durchgeführt wurden. Dort forschen die Mikrobiologin (und Absolventin der Universität Oldenburg), Prof. Beate Kraft, und der Biologe Donald Canfield an der Bedeutung von Mikroorganismen für die marinen Stoffkreisläufe.

Sauerstoffmenge auf der Erde unbeeinflusst

Bereits vor der aktuellen Entdeckung war bekannt, dass Ammoniak-oxidierende Archaeen – eine der häufigsten Lebensformen auf dem Planeten – eine wichtige Rolle im Stickstoffkreislauf spielen. Diese Organismen wandeln Ammoniak (NH3) zu Nitrit (NO2) um und starten so einen wichtigen biologischen Prozess beim Abbau von Biomasse, die sogenannte Nitrifikation. Um Ammoniak zu Nitrit umwandeln zu können, benötigen die Mikroorganismen molekularen Sauerstoff. Umso erstaunlicher schien es, dass diese Lebewesen besonders in Gewässern ohne Sauerstoff zahlreich vertreten sind. Um dieses Rätsel zu lösen, legten die Forschenden entsprechende Kulturen mit sauerstoffarmem Wasser an.

Was sie beobachteten, war erstaunlich: Nachdem die Mikroben den letzten Sauerstoff aufgebraucht hatten, stieg der Sauerstoffgehalt im Wasser sofort wieder an. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen damit erstmals nach, dass ein Archaeon molekularen Sauerstoff produziert. Bisher war diese Fähigkeit nur bei Organismen der beiden anderen Domänen beobachtet worden. N. maritimus stellt zwar nicht genug Sauerstoff her, um das Vorkommen auf der Erde zu beeinflussen, aber doch etwas mehr, als es selbst braucht. Davon könnten andere Meeresorganismen in seiner direkten Umgebung profitieren.

Kraft und Canfield beschlossen, sie im Labor zu testen: „Wir wollten sehen, was passiert, wenn ihnen der Sauerstoff ausgeht – so wie es der Fall ist, wenn sie aus sauerstoffreichem Wasser in sauerstoffarmes Wasser kommen. Würden sie überleben? Wir sahen, wie sie den gesamten Sauerstoff im Wasser verbrauchten, und dann, zu unserer Überraschung, stieg der Sauerstoffgehalt innerhalb von Minuten wieder an. Das war sehr aufregend“, erinnert sich Don Canfield.

Mehr noch: In sauerstoffarmer Umgebung produzieren die untersuchten Mikroben auch Stickstoff. Kraft will die Einzeller jetzt weiter untersuchen. Ihr Fokus liegt dabei auf dem beobachteten Zusammenspiel von Sauerstoff- und Stickstoffproduktion. „Sollte dieser Prozess in den Ozeanen weit verbreitet sein, müssen wir unser gegenwärtiges Verständnis des marinen Stickstoffkreislaufs überdenken“, sagt die Wissenschaftlerin.

Kraft studierte von 2003 bis 2009 an der Universität Oldenburg. Sie und Könneke blieben über die folgenden Jahre und verschiedene berufliche Stationen in Kontakt. Könneke leitet jetzt am Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) die Arbeitsgruppe Benthische Mikrobiologie und koordiniert das bundesweite Forschungsprojekt „Kultivierung von bisher unkultivierten Mikroorganismen aus verschiedenen aquatischen Lebensräumen“.

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