Erstmals wird in Deutschland unter realen Bedingungen erprobt, wie Batteriespeicher und neuartige netzbildende Wechselrichter das Stromnetz stabil halten können. Und das ganz ohne konventionelle Kraftwerke. Mit dem Projekt SUREVIVE wird erforscht, wie die Energiewende sicher und zuverlässig umgesetzt werden kann.

Im Multi-Megawatt-Lab des Fraunhofer ISE werden Störfälle simuliert, um das Verhalten des Wechselrichters zu testen. So stellt im Fall eines Spannungseinbruchs der Wechselrichter Blindleistung zur Verfügung, um das Stromnetz zu stabilisieren. (C) Fraunhofer ISE
Das deutsche Stromnetz verändert sich rasant. Immer mehr Strom wird aus Solar- und Windanlagen gewonnen, während die Stromerzeugung aus Kohle- und Gaskraftwerken sinkt. Damit fällt auch ein entscheidender, wenn auch stiller Beitrag dieser alten Kraftwerke weg: ihre Fähigkeit, Spannung und Frequenz im Netz stabil zu halten. Das Forschungsprojekt SUREVIVE untersucht, wie moderne Batteriespeicher und sogenannte netzbildende Wechselrichter diese Aufgabe übernehmen können. Ab Oktober werden in Föhren in Rheinland-Pfalz erstmals im deutschen Verteilnetz unter realen Bedingungen Tests durchgeführt, um die Funktionsweise dieser Technik zu erproben. Beteiligt sind unter anderem das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Westnetz und die Universität Stuttgart.
Netzbildende Wechselrichter sind Geräte, die nicht nur Strom ins Netz einspeisen, sondern auch selbstständig eine stabile Netzfrequenz vorgeben können. Das unterscheidet sie von den bisher üblichen „netzfolgenden” Wechselrichtern, die sich am bestehenden Netzsignal orientieren. Vereinfacht gesagt sind netzfolgende Geräte wie Tänzer, die den Takt einer Band aufnehmen, während netzbildende Geräte die Rolle des Dirigenten übernehmen und den Takt vorgeben. In der Praxis bedeutet das: Auch wenn plötzlich eine Störung auftritt oder die Spannung abfällt, können netzbildende Wechselrichter zusammen mit einem Speicher reagieren und so das Netz stützen. Das ist entscheidend, wenn konventionelle Kraftwerke wegfallen, denn deren große Generatoren liefern bisher die sogenannte Momentanreserve, eine Art Puffer für das Stromnetz.
In Föhren wird dafür ein Großbatteriespeicher mit 20 Megawatt Leistung und 55 Megawattstunden Kapazität direkt an ein Umspannwerk angeschlossen. Dieser ist groß genug, um für einige Stunden gezielt Energie zu liefern oder aufzunehmen und so das Netz zu stabilisieren. Um sicherzustellen, dass die Technik zuverlässig funktioniert, testet das Fraunhofer ISE die Anlagen zuvor in seinem „Multi-Megawatt-Labor“ in Freiburg. Dort wird ein Teil der künftigen Anlage inklusive eines kleineren Speichers umfassend geprüft: mit Simulationen von Spannungseinbrüchen, plötzlichen Lastwechseln oder Netzfehlern. Laut Projektleiterin Rebekka Denninger soll so ein „Best Practice Guide“ entstehen, der später anderen Betreibern und Herstellern als Anleitung dient.
Das Projekt läuft bis Juni 2028, wobei es kurzfristig darum geht, in realen Netzen zu zeigen, dass netzbildende Wechselrichter die bisherige Rolle großer Generatoren und Kraftwerke übernehmen können. Gelingt das, könnten künftig auch kleinere, dezentral verteilte Anlagen zur Stabilität des gesamten Stromsystems beitragen. Langfristig eröffnet diese Technologie die Chance, ein Stromnetz zu betreiben, das vollständig mit erneuerbaren Energien arbeitet, ohne dass Abstriche bei der Versorgungssicherheit gemacht werden müssen. Für die Energiewende ist das ein wichtiger Schritt, denn nur wenn Strom zuverlässig verfügbar ist, können fossile Kraftwerke abgeschaltet werden.
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