Nobelpreisträger: „Vom Unsinn der Biokraftstoffe“

Von Hartmut Michel, Max-Planck-Institut für Biophysik

Der Autor, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main und Nobelpreisträger für Chemie (1988 zusammen mit Johann Deisenhofer und Robert Huber für die Erforschung der Photosynthese im Purpurbakterium Rhodopseudomonas viridis) beklagt den „‚Unsinn der Biokraftstoffe‘. Ethanol aus Mais oder Diesel aus Raps sind seiner Analyse nach weit davon entfernt, im Tank gespeicherte Sonne zu sein, wie es bisweilen poetisch heißt“ (Süddeutsche Zeitung vom 27.07.2012). Gerade mal ein Promille der Sonnenenergie finde sich im Biodiesel wieder; im Ethanol seien es magere zwei Promille. Das liege vor allem daran, dass die Fotosynthese ein sehr ineffektiver Prozess sei. Die Umwandlung der Biomasse in flüssige Treibstoffe verschlechtere die Bilanz dann noch mehr.

PV um Faktor 600 besser als Bioenergie

Die Produktion von Biokraftstoffen stelle „eine extrem ineffiziente Nutzung der verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche dar“.  Stattdessen empfiehlt Michel Solarzellen, die „wandeln das Sonnenlicht bereits mit einer Effizienz von mehr als 15 % um, und die erzeugte elektrische Energie kann ohne größere Energieverluste in elektrischen Batterien gespeichert werden. Diese Energiespeicherung ist damit schon 150-mal besser als die in Form von Biokraftstoffen. Hinzu kommt, dass rund 80 % der in der Batterie gespeicherten elektrischen Energie für den Fahrzeugantrieb genutzt werden können, während von einem Verbrennungsmotor nur etwa 20 % der im Kraftstoff steckenden Energie auf die Räder übertragen werden.“ Das bedeute unterm Strich, „dass die Kombination Photovoltaikzelle/elektrische Batterie/Elektromotor das verfügbare Land um den Faktor 600 besser nutzt als die Kombination Biomasse/Biokraftstoff/Verbrennungsmotor.“ Michels Fazit daher: „Die Zukunft muss den Elektrofahrzeugen gehören!“

Michel: „Die fossilen Brennstoffe – Mineralöl, Kohle und Erdgas – sind aus der Biomasse längst vergangener Zeiten entstanden. Damit sind sie indirekte Produkte der Photosynthese. Es liegt deshalb nahe zu fragen, ob wir die uns derzeit zur Verfügung stehende Biomasse für die Herstellung von Biokraftstoffen wie Biodiesel und Biogas nutzen sollen. Die Erzeugung von Biowasserstoff wäre eine weitere Option. Man kann des Öfteren lesen, die Nutzung von Biokraftstoffen sei CO2-neutral und deshalb eine Maßnahme gegen die Erderwärmung. Ihre Herstellung könne auch den Import von Erdöl und Erdgas reduzieren und damit von Energieimporten unabhängiger machen. Im Folgenden werde ich die Effizienz der Biokraftstoff-Herstellung diskutieren, sie mit Alternativen vergleichen, die offensichtlichen Schlussfolgerungen ziehen und Visionen präsentieren.“

Effizienz der Photosynthese

Zunächst betrachtet Michel die Effizienz der photosynthetischen Lichtenergie-Umwandlung. Zusätzlich präsentiert er einige Ideen, „wie die Effizienz der Photosynthese und damit die Produktion von Biomasse gesteigert werden könnte“.

 „Die Produktion von Biokraftstoffen stellt eine extrem ineffiziente Nutzung der verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche dar“

Michel: „Die photosynthetischen Pigmente der Pflanzen absorbieren und nutzen nur 47% (energiebezogen) des Sonnenlichts. Grünes Licht, UV- und IR-Strahlung werden nicht genutzt. Theoretisch benötigt die Pflanze 8 Photonen, um 2 Moleküle NADP+ zu NADPH zu reduzieren, gemessen werden hierfür jedoch 9.4 Photonen. Vergleicht man die durchschnittliche Energie der Photonen mit der in Form von NADPH gespeicherten Energie, so stellt man fest, dass nur 11.8 % der Energie des Sonnenlichts in Form von NADPH gespeichert worden sind. Dieser Wert definiert dann auch etwa die obere Grenze für die Effizienz der photosynthetischen Wasserstoffherstellung.

Die Effizienz der Photosynthese ist bei niedriger Lichtintensität am höchsten. Bereits bei 20 % des vollen Sonnenlichts ist der photosynthetische Apparat gesättigt, 80 % des Sonnenlichts werden damit nicht genutzt. Limitierend ist sehr wahrscheinlich der Elektronenfluss durch die photosynthetischen Reaktionszentren. Zusätzlich führen hohe Lichtintensitäten zu Schäden an einer zentralen Proteinuntereinheit des photosynthetischen Apparats: Pflanzen reparieren ihr Photosystem-II-Reaktionszentrum in einer Stunde dreimal durch Austausch des D1-Proteins. 3.5 Milliarden Jahre Evolution haben nicht ausgereicht, einen Mechanismus zu entwickeln, der die Schädigung verhindert.“

Unterm Strich stellt Michel fest, dass „4.5 % als Obergrenze für die Effizienz der photosynthetischen Lichtenergieumwandlung“ gesehen werden müssten. „In der Realität werden jedoch selbst für schnell wachsende Hölzer wie Pappel lediglich etwa 1 % beobachtet“.  Der Prozentsatz der Energie des Sonnenlichts, der in Biokraftstoffen gespeichert wird, liege für deutschen Biodieselbei „weniger als 0.1 %, für Bioethanol weniger als 0.2 % und für Biogas etwa 0.3 %“. Zusammengefasst stellt Michel fest, „dass die Produktion von Biokraftstoffen eine extrem ineffiziente Nutzung der verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche darstellt. Dies gilt auch für die Herstellung von Bioethanol aus Zuckerrohr in Brasilien.“ (Zuerst veröffentlicht: 20.02.2012 – hier weiterlesen…)
->Quelle: Angewandte Chemie 2012, 124, 2566 – 2568 – © 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim – DOI: 10.1002/ange.201200218