Deutsch-französische Energie-Zusammenarbeit – Kritik und Dokumentation

Dena und ADEME bereiten deutsch-französische Energiewende-Plattform vor

Die Energieagenturen von Deutschland (Deutsche Energieagentur – dena) und Frankreich (Agence de l’Environnement et de la Maîtrise de l’Energie – ADEME) entwickeln eine gemeinsame Plattform für die bilaterale Zusammenarbeit bei der Energiewende. Dies gab die dena im Anschluss an das Treffen des Deutsch-Französischen Ministerrats am 19.02.2014 in Paris bekannt. Damit werde die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel angekündigte verstärkte Kooperation der Energieagenturen verwirklicht, erklärt das Bundeswirtschaftsministerium. Scharfe Kritik übten der BEE und Ex-MdB Hans-Josef Fell an der gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Merkel und des französischen Präsidenten Hollande. Solarify dokumentiert die Erklärung.

Die gemeinsame Plattform will Industrie, Verwaltungen und Investoren beider Länder an einen Tisch bringen. Schwerpunkte der geplanten bilateralen Projekte sind die Entwicklung einer gemeinsamen Energiewendestrategie, der Netzausbau, die Integration von erneuerbaren Energieträgern und Strategien zur Steigerung der Energieeffizienz. Weitere Themen sind industrielle Projekte und Exportstrategien zu Speichertechnologien, Wind- und Solarkraftwerken und der Energieeffizienz in Gebäuden. Noch in diesem Jahr soll die gemeinsame Energiewende-Plattform gegründet werden. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.

BEE: „Deutschland und Frankreich opfern Energiewende den Privilegien der Schwerindustrie und der Atomwirtschaft“

Deutschland gebe in seiner gemeinsamen Positionierung mit Frankreich wesentliche Positionen in der Energiepolitik au – kritisierte der BEE: „Erstmals setzt sich die deutsche Bundesregierung nur noch für einen Anteil von 27 Prozent an erneuerbaren Energien bis 2030 ein. Bis vor dem Treffen des Wirtschaftsministers Gabriel mit dem Wettbewerbskommissar Almunia am vergangenen Montag hatte sich Deutschland noch für einen 30-prozentigen Anteil auf EU-Ebene stark gemacht“, so eine Pressemitteilung des Erneuerbaren-Bundesverbandes. „Die Bundesregierung opfert jetzt ihr 30-Prozent-Ziel den Privilegien der deutschen Schwerindustrie“, beklagte Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des BEE, mit Blick auf den anhaltenden Beihilfenstreit zwischen Wirtschaftsminister Gabriel und der Europäischen Kommission. „27 Prozent sind Business-as-Usual ohne jegliche Ambition beim Ausbau der Erneuerbaren und für einen besseren Klimaschutz. Nach dem Willen der Kanzlerin ist Deutschland statt im Energiewende-ICE nun im Bummelzug mit Kohledampflok unterwegs. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gemeinsam mit Frankreichs Präsident Hollande der Atomkraft faktisch einen Freifahrtschein ausgestellt.“

BMWi im Widerspruch für 30 Prozent

Im Widerspruch dazu spricht sich das Wirtschaftsministerium nach Informationen von Reuters ungeachtet der Regierungserklärung weiterhin für einen 30-prozentigen Anteil auf EU-Ebene aus. „Die deutsche Regierung verfolgt keine konsistente und konsequente Position auf europäischer Ebene“, kritisiert Falk. Die Bundesregierung forderte erst kürzlich in einer Stellungnahme an die Kommission selbst noch ein EU-weites Ziel von 30 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch, um nicht hinter ihr eigenes bisheriges „Ambitionsniveau“, zurückzufallen und nicht „auf halber Strecke stehen zu bleiben“. Sie verwies in dem Schreiben auch auf die Folgenabschätzung der Kommission, die die Vorteile von mindestens 30 Prozent Erneuerbaren-Anteil und eine mindestens 40-prozentige Treibhausgas-Einsparung mit sich bringen, klar belegt.

Von verbindlichen nationalen Zielen für Klima und Energie ist jetzt keine Rede mehr. Dadurch haben die Länder, die auf Atomenergie setzen wollen, die freie Wahl. Die Energiewende hört damit an der Landesgrenze auf.

Auch das existenzielle Treibhausgas-Einsparziel hätten die beiden Regierungschefs in ihrer gestrigen Erklärung aufgeweicht, kritisiert Falk, da klare innereuropäische Vorgaben fehlen. Der BEE erneuert seine Forderung nach einem verbindlichen Ziel für Energie aus regenerativen Quellen von 45 Prozent bis 2030, unterlegt mit verbindlichen nationalen Ausbauzielen. Von der Vorreiterrolle Deutschlands bei der Energiewende kann seit der Formulierung des Koalitionsvertrages keine Rede mehr sein. Inzwischen stehe sogar in Frage, ob Deutschland sein verpflichtendes Erneuerbare-Energien-Ausbauziel für 2020 erreiche. Insofern sei es wenig überraschend, dass Deutschland jetzt auch keine Ambitionen mehr auf europäischer Ebene zeige.

Fell: „Merkel verkauft Energiewende an Frankreichs Atomindustrie“

In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande am 19.02.2014 für ein EU-weites Erneuerbare-Energien-Ausbauziel von 27% bis 2030 ausgesprochen. Von den verbindlichen nationalen Zielen, die Deutschland zuvor gefordert hatte, ist in der deutsch-französischen Erklärung keine Rede mehr. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ später mitteilen, man halte weiterhin am Ziel eines 30%igen Anteils Erneuerbarer Energien auf EU-Ebene fest. Tags darauf fügte Bundeswirtschaftsminister Gabriel hinzu, ambitionierte verbindliche Ausbauziele für Erneuerbare Energien seien schwer durchzusetzen.

„Das ist wahr“, schreibt der grüne Energie-Experte Hans-Josef Fell auf seiner Webseite. „Aber Deutschland hätte mit seiner starken Stellung in der EU sehr wohl die Durchsetzungskraft für eine erfolgreiche Erneuerbare-Energien-Politik in Europa, so wie es unter Rot-Grün der Fall war. Gerade mit Frankreich hätte eine gemeinsame starke Strategie formuliert werden können. So wären die massiven Widerstände gegen den Ausbau der Erneuerbaren in manchen, vor allem osteuropäischen Mitgliedstaaten aufzubrechen. Doch die Kohlepolitik Gabriels verstärkt nun die Kohlepolitik in Polen und Tschechien und die Atompolitik Osteuropas kann sich zusammen mit den Atomwünschen Großbritanniens und Frankreichs ungestört entfalten.“

Die deutsch-französische Energiepolitik liefere dann auch noch die Argumente gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien, indem ein „Risikovorsorgesystem“ für Industrieinvestitionen vorgeschlagen werde, um sie vor Carbon Leakage zu schützen. „Schlimmer kann man den Klimaschutz nicht mit Füßen treten. Die als Wendepunkt verkaufte deutsch-französische Energiewende-Kooperation ist im Grunde nichts als ein Schutzprogramm für die europäische Kohle- und Atomindustrie“ – so der Ex-MdB.
Folgt: Dokumentation: Die gemeinsame deutsch-französische Erklärung, soweit sie die Energiepartnerschaft betrifft