Ein Weckruf der Kanzlerin

Nachhaltigkeit: auch in Zukunft gutes Leben

Aber egal, ich wollte ja die Brundtland-Definition als Grundlage nehmen; und deshalb will ich sie jetzt nicht selbst zerreden. Also noch einmal: „ … eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Das heißt also, Nachhaltigkeit betrifft Gegenwart und Zukunft gleichermaßen. Sie fragt nicht allein dramatisch nach dem Überleben, sondern sie fragt danach, wie wir heute leben, um das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass auch in Zukunft ein gutes Leben geführt werden kann. Darum geht es auch bei unserer geplanten Regierungsstrategie „gut leben – Lebensqualität in Deutschland“.

Lebensqualität hat viele Facetten. Die Spannbreite reicht von einem glücklichen Familienleben über Freundschaften und Gesundheit und Bildung bis hin zu Beruf und angemessenem Einkommen. Wir wollen mit Bürgerinnen und Bürgern einen Dialog zum Verständnis von Lebensqualität führen. Aus den Ergebnissen werden wir ein Indikatorensystem und einen Aktionsplan entwickeln.

Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Ganz einfach: Der eigene Lebensstil wirkt sich auch auf die Spielräume aus, die kommende Generationen für ihre eigenen Lebensstile haben werden. Wir knüpfen mit dieser Frage nach der Lebensqualität im Grunde auch an die Arbeit einer Enquetekommission an, die sich mit einem erweiterten Wachstumsbegriff befasst hat, der eben Lebensqualität auch in Dimensionen erfasst, die Sie im Nachhaltigkeitsrat längst im Blick haben, etwa was die Frage anbelangt, was wichtig im Leben ist, ohne dabei auf Ressourcenverbrauch oder Ähnliches abzustellen – zum Beispiel Freunde zu haben, ein gutes Familienleben zu führen, Bildungsintensität zu steigern. Ich glaube, dass sich diese Dinge sehr gut ergänzen, wenn es darum geht, Wachstum und Lebensqualität zu definieren.

Nationale Nachhaltigkeitsstrategie: Staatliches Handeln an Kriterien für nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise ausrichten

Wie wir wirtschaften, wie wir konsumieren, wie wir vorsorgen – all das bestimmt unser Erbe. Die Strategie „gut leben“ zielt darauf ab, beim Regierungshandeln die Werte und Ziele der einzelnen Bürgerinnen und Bürger stärker zu berücksichtigen, sie erst einmal aufzunehmen – deshalb der Dialog – und damit auch eine Verbreiterung der Basis für die gesamte Nachhaltigkeitsarbeit zu erreichen. Bei der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie geht es darum, staatliches Handeln an den Zielen und Kriterien für eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise insgesamt auszurichten. Das heißt, es sind politische Entscheidungen gefragt, die langfristig tragfähig sind. Wann ist das der Fall? Das ist dann der Fall, wenn ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Dabei sind die Folgen dieser Entscheidung nicht nur für unser Land, sondern natürlich auch für andere Menschen in der Welt zu bedenken.

Es ist klar, dass wir vor riesigen globalen Herausforderungen stehen. Diese Herausforderungen manifestieren sich derzeit sehr sichtbar auch in den Flüchtlingsströmen zum Beispiel aus Afrika. Globale Herausforderungen müssen wir stärker in unser Handeln einbeziehen.

Überlegen wir uns einmal: Es hat Millionen Jahre gedauert, bis die Weltbevölkerung im 19. Jahrhundert zum ersten Mal die Schwelle von einer Milliarde überschritt. Heute sind wir schon über sieben Milliarden Menschen. Und 2050 werden wir wohl mehr als neun Milliarden Menschen sein. Daran kann man die unglaubliche Beschleunigung der Entwicklungen sehen.
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