Merkel vor RNE – Jahr der Nachhaltigkeit?

Die Nach-2015-Entwicklungsziele – Armut gesunken

Das fügt sich auch sehr gut in den Verhandlungsprozess zu den Nach-2015-Entwicklungszielen ein. Wir wissen ja, bei der Umsetzung der bisherigen Millenniumentwicklungsziele gibt es Licht und Schatten. Wir hinken zum Beispiel bei der Mütter-Kinder-Gesundheit der Zielvorgabe deutlich hinterher. In anderen Bereichen haben wir durchaus etwas erreicht. Aber es ist natürlich auch wichtig, dass wir nicht nur das Ziel an sich erreichen, sondern dieses Ziel auch möglichst flächendeckend in allen Ländern erreichen. Es nützt ja wenig, wenn einige Länder zwar sehr gut dastehen und sich in anderen Ländern aber viel zu wenig geändert hat.

Ein Beispiel dafür, dass wir etwas erreicht haben, ist die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben müssen. Diese Zahl ist um die Hälfte gegenüber dem Jahr 2000 zurückgegangen – und das, obwohl die Weltbevölkerung in den letzten 15 Jahren rasant gewachsen ist. Aber das ist natürlich nicht genug. Unser Ziel ist es, Hunger und absolute Armut bis 2030 auszulöschen oder nahezu auszulöschen. Diesem Ziel fühlt sich Deutschland verpflichtet.

Im September gilt es in New York, in der Post-2015-Agenda einige Ziele fortzuschreiben und andere Ziele, wie ich schon sagte, neu zu definieren. Darauf arbeiten wir schon lange hin. Ich glaube, die UN-Konferenz in Rio 2012 hat sich hierbei wirklich als ein guter Motor erwiesen. Damals hatte sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, internationale Nachhaltigkeitsziele zu formulieren – die sogenannten „Sustainable Development Goals“; kurz: „SDGs“. Diese sollen genau da anschließen, wo die Millenniumentwicklungsziele aufhören. Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Entwicklung und Nachhaltigkeit sind seit 2012 immer wieder in den Blick genommen worden. Das Ergebnis dieser intensiven Diskussion sind 17 übergeordnete Ziele, auf die wir uns international weitgehend verständigt haben. Deutschland unterstützt diese Ziele. Diese neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung haben das Potential, nicht nur unsere Entwicklungspolitik, sondern auch die gesamte politische Agenda in den nächsten Jahren zu prägen.

Ich setze mich dafür ein, dass sich die G7 zu den Hauptaufgaben dieser Post-2015-Agenda klar bekennt. Wenn sich die führenden Industrienationen einig sind, dann ist schon vieles gewonnen, aber natürlich längst noch nicht alles. Wir erreichen die Ziele nur in globaler Partnerschaft. Wir müssen dazu auch altes Denken hinter uns lassen. Wir müssen aufhören, die Welt in Nord und Süd zu unterteilen. Wir sind auf unserer Erde eine Schicksalsgemeinschaft, in der wir viele Chancen und genauso viele Probleme teilen. Unsere Zukunft ist eine gemeinsame – und wie sie aussehen wird, hängt von allen Nationen ab. Deshalb haben wir eine gemeinsame Verantwortung, die in ihrer Ausprägung natürlich unterschiedlich sein kann. Aber insgesamt haben wir eine gemeinsame Verantwortung.

Bundesregierung plant für 2016 bis 2019 zusätzlich 8,3 Milliarden Euro Entwicklungshilfe

Natürlich können wir die Aufgaben, vor denen wir stehen, nicht ohne Geld lösen. Nachhaltige und gerechte Entwicklungschancen für sieben, acht und später neun Milliarden Menschen erfordern enorme finanzielle Ressourcen. Dafür soll die UN-Konferenz in Addis Abeba die Grundlagen legen. Deutschland will und wird seinen Beitrag leisten. Die Bundesregierung plant für den Zeitraum von 2016 bis 2019 zusätzlich 8,3 Milliarden Euro für die öffentliche Entwicklungshilfe ein, die wir genau in diesem Sinne einsetzen werden.

Welche Früchte dann diese Gelder tragen, hängt allerdings auch davon ab, auf welchen Boden sie fallen – also von den Rahmenbedingungen und eigenen Anstrengungen in den Entwicklungsländern. Wir haben unsere Verantwortung, Deutschland hat selbst viel zu tun. Aber ich sage ganz offen, dass es auch zu einer globalen Partnerschaft gehört, dass wir mit den Ländern, die Hilfe empfangen, darüber sprechen, wie eine nachhaltige Erreichung von Zielen aussieht, wie eine transparente Regierungsführung aussieht, wie eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft aussieht. Für Frieden und Stabilität kommt es wesentlich darauf an, dass sich möglichst viele, auch Länder auf anderen Kontinenten, zu einer Mitwirkung der Zivilgesellschaft entscheiden.

Wir unterstützen daher Länder nicht nur durch klassische Entwicklungshilfe, sondern auch durch Beratung, was gute Regierungsführung anbelangt, auch was die Entwicklung von fairen Steuersystemen und Kapitalmarktstrukturen anbelangt. Es gehört dazu, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern nicht nur gegen illegale Finanztransfers, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung vorgehen, sondern es kommt auch darauf an, mehr private Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren. Allein mit staatlichen Mitteln würde man schnell an Grenzen gelangen. In immer mehr Ländern, gerade auch in Afrika, steht die Entwicklung des privaten Wirtschaftssektors im Vordergrund. Ich bin sehr dankbar dafür, dass diese Entwicklung der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Afrika-Forum ganz bewusst voranbringt.

Ich will aber nicht den Eindruck erwecken, als ginge es allein um nachhaltige Entwicklung in den ärmeren Ländern. Denn auch in den Industriestaaten wie Deutschland sind wir dazu angehalten, den angestrebten Paradigmenwechsel zu vollziehen. Für die Umsetzung der Post-2015-Agenda in Deutschland bietet sich die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie als wesentlicher Rahmen geradezu an, denn wir nehmen mit ihr verschiedene Indikatoren für nachhaltige Entwicklung in den Blick. Das Spektrum ist breit – es reicht vom Klimaschutz über die Gleichstellung von Frauen und Männern bis hin zum Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen.

Reihe von Zeitzielen mittlerweile erreicht

Eine Reihe von Zeitzielen unserer Strategie ist mittlerweile erreicht. Und die weiteren Ziele laufen fast durchgängig nur noch bis zum Jahr 2020. Das heißt, wir müssen unsere Strategie weiterentwickeln und über das Jahr 2020 hinaus denken. Der Dialog dazu startet im Oktober dieses Jahres mit einer Konferenz der Bundesregierung in Berlin. Anschließend werden wir eine Vielzahl von regionalen Veranstaltungen haben.

Ich kann nur begrüßen, dass auch die Bundesländer Fragen zur Nachhaltigkeit verstärkt in den Blick nehmen. Mehr als zwei Drittel der Bundesländer haben entweder eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie bereits verabschiedet oder sind dabei, eine zu erarbeiten. Der Bundesrat hat die Bedeutung der Länder hervorgehoben, die ihnen bei der Umsetzung unserer Ziele zukommt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns über verschiedene Ebenen und Zuständigkeiten hinweg austauschen, dass wir an einem Strang und dann auch noch in eine Richtung ziehen. Ebenso beharrlich wirbt die Bundesregierung dafür, dass auch die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung gestärkt wird. Das Thema Nachhaltigkeit muss auf allen Ebenen fest verankert werden.

Sie können an vielen Beispielen sehen, dass die Bundesregierung Nachhaltigkeit als Leitprinzip wirklich ernst nimmt. Das gilt auch für die Haushalts- und Finanzpolitik. 2014 hatten wir erstmals seit 1969 einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden. Mit dem auszukommen, was man einnimmt – das ist sowohl eine Frage der Generationengerechtigkeit als auch der wirtschaftspolitischen Vernunft. Je geringer die Last der Schuldzinsen ist, desto größer ist der Spielraum für staatliche Investitionen. Als weiteres Beispiel möchte ich die öffentliche Beschaffung nennen. „Soziale, ökologische und innovative Aspekte sollen im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gestärkt werden“ – so heißt es in den Eckpunkten, die wir zur Reform des Vergaberechts beschlossen haben.

Folgt: Dank an RNE