Gletscherschmelze in „Höllentempo“

„Dahinter steht ganz klar der Klimawandel“

„Im Moment verlieren wir mit Blick auf die globalen Gletscher 75 Zentimeter – zwischen einem halben und einem ganzen Meter – an Eisdicke pro Jahr. Das ist doppelt so viel wie in den 90er Jahren und das Dreifache der 80er Jahre“, erklärt Zemp. „Exakte Messungen dieser Eisverluste gibt es zwar nur von ein paar hundert Gletschern, die Resultate werden aber qualitativ bestätigt durch feld- und satellitengestützte Beobachtungen von zehntausenden von Gletschern weltweit.“ Dahinter stehe ganz klar der mutmaßlich vom Menschen verursachte Klimawandel. Die von einigen Forschern zurzeit diskutierte Verlangsamung der Klimaerwärmung lasse sich jedenfalls an den Gletschern nicht erkennen. Im Gegenteil: Sie schrumpften schneller.

Zuerst in der Dicke, dann in der Länge

Ein Grund dafür ist, dass Gletscher besonders empfindlich auf Veränderungen im Klima reagieren: Sowohl Veränderungen im Schneefall als auch in der Temperatur wirken sich auf das Eis aus. Die Dicke des Gletschers reagiert zuerst. Jahre oder gar Jahrzehnte später schrumpft das Eis dann auch in der Länge. So ist laut Zemp die Zunge des Aletschgletschers auf der Südabdachung der Berner Alpen im Kanton Wallis, flächenmässig der größte und längste Gletscher der Alpen, beispielsweise das Resultat der letzten 50 bis 100 Jahre Wetter: „Bis sich zeigt, wo das Klima tatsächlich steht, muss sich der Aletschgletscher also noch zwei bis drei Kilometer weiter zurückziehen.“

Weltweite Gletscherschmelze – Gletscher verlieren selbst ohne Klimawandel Eis

Gemäß dem internationalen Autorenteam ist die Geschwindigkeit der aktuellen, globalen Gletscherschmelze beispiellos, zumindest seit Beginn der Messperiode und wohl auch im Zeitraum der schriftlich und bildlich belegten Geschichte. Die Studie zeigt außerdem, dass das langfristige Zurückschmelzen der Gletscherzungen ein globales Phänomen ist. Die großen Eisverluste der letzten beiden Jahrzehnte hätten weiter dazu geführt, dass die Gletscher in verschiedenen Regionen der Welt stark aus dem Gleichgewicht geraten seien. „Diese Gletscher werden weiterhin Eis verlieren, selbst ohne fortschreitenden Klimawandel“, so Zemp.

Der World Glacier Monitoring Service sammelt mit der Unterstützung seiner internationalen Korrespondenten in jährlichen Daten-Aufrufen die Resultate der weltweiten Gletscherbeobachtungen. Die aktuelle Datenbank umfasst über 5.000  Messungen von Volumen- und Massenänderungen seit 1850 und über 42.000 Beobachtungen und Rekonstruktionen von Gletscherlängenänderungen, die bis zurück ins 16. Jahrhundert reichen. Der internationale Dienst hat seinen Sitz am Geographischen Institut der Universität Zürich, wird mitfinanziert durch das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz im Rahmen von GCOS Schweiz und arbeitet unter dem Patronat diverser internationaler Organisationen.

Folgt: Englischer Original-Abstract aus dem Journal of Glaciology