Braunkohlereserve nur letzte Wahl

Grünen-Anfrage: Aktueller Stand Strommarktgesetz und Kohlereserve

Die Bundesregierung reagiert in Sachen Braunkohle zunehmend sensibel: Sie versteht – wie sie in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/6141) schreibt – jetzt den Einsatz der Braunkohlekraftwerke, die in die sogenannte Kapazitätsreserve eingebracht werden sollen, lediglich als „ultima ratio“. Diese Braunkohlekraftwerke sollen nur dann angefahren werden, wenn es trotz freier Preisbildung am Strommarkt „keinen Ausgleich von Angebot und Nachfrage geben sollte und keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen“. Die Braunkohlekraftwerke würden vor allem erst dann eingesetzt, wenn die Gefährdung oder Störung der Stromversorgung nicht durch den Einsatz der Netz- oder Kapazitätsreserve beseitigt werden könne. (Nach hib/HLE) – Solarify dokumentiert das Frage- und Antwortspiel in der Vorabfassung – sie wird später durch die lektorierte Version ersetzt.

Vorbemerkung der Fragesteller (u.a. Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden)

„Auf dem Energiegipfel der Parteivorsitzenden der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD am 1. Juli 2015 im Bundeskanzleramt wurde eine Reihe von Maßnahmen zur zukünftigen Ausgestaltung des Strommarktes beschlossen. Wesentliche Fragen sollen in einem Strommarktgesetz beantwortet werden. Ein Entwurf desselben liegt seit dem 14. September 2015 vor. Doch auch hier bleibt die Bundesregierung nach Auffassung der Fragesteller wesentliche Antworten zur Zukunft des Strommarktes schuldig, etwa wie die vorgesehene Kapazitätsreserve und Kohlereserve (Klimasegment) konkret ausgestaltet sein soll. Entscheidende Punkte sollen erst durch eine Rechtsverordnung ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates innerhalb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie entschieden werden.

1. Mit welchen Akteuren der Energiewirtschaft und der Bundesregierung gab es seit dem 1. Juli 2015 bis heute Gespräche zum Thema Strommarktgesetz und Kohlereserve (bitte unter Angabe von Datum, Teilnehmerkreis, Thema und Ergebnis)?

2. Welche Gespräche zwischen der Bundesregierung, den Kohlekraftwerksbetreibern und den Gewerkschaften gab es zur sogenannten Kohlereserve (bitte unter Angabe von Datum, Teilnehmerkreis und Ergebnis)?

3. Plant die Bundesregierung, die Verhandlungen mit den Betreibern der Kohlekraftwerke über die genaue Ausgestaltung der Kohlereserve abgeschlossen zu haben, bevor sie den Deutschen Bundestag im Rahmen des Strommarktgesetzes um Ermächtigung bittet, und falls nein, warum nicht?

Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD haben in dem Eckpunktepapier vom 1. Juli 2015 vereinbart, dass die Details zum Klimasegment mit den Betreibern der Kraftwerke abgestimmt werden. Vor diesem Hintergrund führt das BMWi derzeit Gespräche mit den Betreibern der Braunkohlekraftwerke. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Es handelt sich um einen laufenden Vorgang, der in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung fällt. Die Ergebnisse dieser Gespräche werden in den Entwurf des Strommarktgesetzes einfließen, über den anschließend der Deutsche Bundestag Beschluss fassen wird. Ob und inwieweit über die gesetzliche Umsetzung hinaus auch eine Verordnung zum Klimasegment erforderlich sein wird, ist noch nicht entschieden.

4. Mit welchen Einsatzzeiten in überführten Braunkohlekraftwerke kalkuliert die Bundesregierung die Kosten der Kohlereserve (bitte mit Benennung der Gutachten)?

Es ist beabsichtigt, die Braunkohlekraftwerke als „ultima ratio“ einzusetzen. Sie sollen nur dann eingesetzt werden, wenn wider Erwarten trotz freier Preisbildung am Strommarkt es keinen Ausgleich von Angebot und Nachfrage geben sollte und keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. Die Braunkohlekraftwerke würden insbesondere erst dann herangezogen, wenn die Gefährdung oder Störung nicht durch den Einsatz der Netz- oder Kapazitätsreserve beseitigt werden kann.

5. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung der Fragesteller zu, dass die Einführung eines Kohlebeitrages, wie vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel ursprünglich vorgeschlagen, die kosteneffizientere, juristisch sicherere und klimapolitisch wirksamere Maßnahme gegenüber der vorgeschlagenen Kapazitätsreserve ist (bitte begründen)?

Die diskutierten Instrumente „Klimabeitrag“ und „Klimasegment“ sind zwei strukturell unterschiedliche Ansätze, um die Kohlendioxidemissionen im Stromsektor und insbesondere bei der Stromerzeugung in Braunkohlekraftwerken zu senken. Beide Instrumente haben Vor- und Nachteile. Im Ergebnis haben die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD nach einem intensiven Diskussionsprozess unter Berücksichtigung aller energie-, umwelt-, sozial-, wirtschaftsund finanzpolitischen Aspekte sowie unter Berücksichtigung der rechtlichen Machbarkeit das Klimasegment beschlossen.

6. Welche Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission gab es zur EU-Beihilfezulässigkeit der Kapazitäts- und Kohlereserve (bitte unter Angabe von Datum, Teilnehmerkreis und Ergebnis)?

Zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission gab und gibt es regelmäßig Gespräche auch zum o. g. Thema, wie es dem üblichen Ablauf von EU Beihilfeverfahren entspricht. Es handelt sich um einen laufenden Vorgang, der in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung fällt. Die Bundesregierung kann deswegen zu Teilnehmern und Inhalten keine Stellung nehmen.

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, dass die Kohlereserve EU-beihilferechtlich problematisch sein könnte, und falls nein, warum nicht? Nein. Die Bundesregierung wird einen Gesetzentwurf vorlegen, der beihilferechtskonform sein wird.

Folgt: Zweifel am EU-Beihilferecht und Skepsis der Kommission