EVU sollen sicher für AKW haften

Jahrtausend-Programm: „Langfristig und umfassend“ für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung zahlen

Energiekonzerne sollen sich nicht mehr aus der Haftung für ihre strahlenden Ruinen stehlen können. Nach dem neuen Gesetzentwurf für ein „Nachhaftungsgesetz“ (18/6615) sollen sie, besonders aber ihre Betreibergesellschaften, zukünftig langfristig und umfassend für Stilllegung, Rückbau, Entsorgung und Endlagerung des von ihnen erzeugten radioaktiven Abfalls haften. Selbst noch nicht bekannte zukünftig mögliche Zahlungspflichten sollen darunter fallen. Die Versuche von AKW-Betreibern, ihre teure, strahlende Erbschaft risikomindernd abzuspalten, hatte die Regierung auf den Plan gerufen.

Die Einleitung („Problem und Ziel“) liest sich – man achte auf den Zeitraum! – entweder verharmlosend oder ahnungslos: AKW-Betreiber seien jetzt schon „verpflichtet, die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung des von ihnen erzeugten radioaktiven Abfalls einschließlich der Endlagerung zu tragen“, schreibt die Regierung in den „Entwurf eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich“, um dann zur Erkenntnis zu gelangen: „Nach dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2022 entfallen einerseits die Einnahmen aus dem Betrieb der Kernkraftwerke und andererseits entstehen die Kosten für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung. Diese aus dem Vermögen der Betreiber zu tragenden Kosten werden in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten anfallen.“ Solarify fragt sich: Jahrzehnte…? Doch wohl eher Jahrtausende…!

Der Gesetzentwurf führe eine gesetzliche Nachhaftung von herrschenden Unternehmen für von ihnen beherrschte Betreibergesellschaften ein – und zwar recht umfassend

  • für die Kosten von Stilllegung und
  • Rückbau ihrer Kernkraftwerke sowie
  • Entsorgung einschließlich
  • Endlagerung der radioaktiven Abfälle.

Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und Beendigungen von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen innerhalb der Konzerne sollen diese durch die gesetzliche Sonder-Regelung für den Nuklearbereich nicht mehr von der Haftung für ihr Erbe befreien können – etwa durch eine Insolvenz der Betreiber-Töchter. Und um es dicht zu machen: „Wir werden im weiteren Verfahren klären, ob es Umgehungstatbestände des Gesetzes gibt und diese gegebenenfalls ausschließen“.

Denn es gebe derzeit keine gesetzlichen Regelungen, die sicherstellen, dass die Situation der durch Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge eng mit den Energiekonzernen verbundenen Betreibergesellschaften so fortbestehe, begründet die Regierung den Handlungsbedarf. Sie befürchtet im Gegenteil erhebliche finanzielle Risiken für die öffentlichen Haushalte, wenn es nach einer Vertragskündigung zu einer Zahlungsunfähigkeit der Atom-Betreibergesellschaft komme. Daher soll der Entwurf die volle Nachhaftung der herrschenden Unternehmen mit ihrem gesamten Konzernvermögen als Haftungsmasse langfristig sichergestellt werden.

Bereits der Rückbau eines AKW dauere über einen längeren Zeitraum. Mit eines Endlager für hoch-radioaktive,  Wärme entwickelnde Abfälle, werde frühestens 2050 gerechnet. Bis dieses dann verschlossen werden könne, sei mit weiteren Jahrzehnten zu rechnen. Durch das Gesetz solle sichergestellt werden, dass bis zum Verschluss des Endlagers eine Nachhaftung aller die Betreibergesellschaften beherrschenden Unternehmen für deren Stilllegungs- und Rückbau sowie Entsorgungsverpflichtungen besteht

Durch das Gesetz soll deshalb sichergestellt werden, dass bis zum Verschluss des Endlagers eine Nachhaftung aller die Betreibergesellschaften beherrschenden Unternehmen für deren Stilllegungs- und Rückbau- sowie Entsorgungsverpflichtungen besteht.

Solarify fragt: Und mit dem „Verschluss des Endlagers“ ist dann alles gut?

Verschiebung riskant

Die zuständige SPD-Berichterstatterin Nina Scheer dazu: “ Sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als auch die SPD-Bundestagsfraktion drängen auf eine wie vorgesehene Verabschiedung des Gesetzes noch in 2015. Auch wenn das Nachhaftungsgesetz mangels Einigung mit dem Koalitionspartner in dieser Woche nicht behandelt werden konnte, besteht nach wie vor die Möglichkeit einer Verabschiedung noch in 2015. Selbst wenn dies mit einer extremen Fristverkürzung beim Bundesrat verbunden wäre, sollte eine Verschiebung ins kommende Jahr nicht riskiert werden. Eine aus den Reihen von CDU/CSU derzeit angestrebte Synchronisierung mit der Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK), deren Ergebnisse erst im Frühjahr 2016 zu erwarten sind, birgt mit Blick auf die Energiekonzerne das Risiko, dass die Haftungsmasse bei den betreffenden Unternehmen in unumkehrbarer Weise verkleinert wird. Auf diesem Weg riskiert der Koalitionspartner eine massive, milliardenschwere Mehrbelastung des Steuerzahlers, für die er letztlich auch die politische Verantwortung tragen wird. Im öffentlichen und somit gemeinsamen Interesse erwarte ich von unserem Koalitionspartner, sich der Verantwortung des Gesetzgebers wahrzunehmen und lösungsorientiert eine Verabschiedung des Gesetzes noch in diesem Jahr zu ermöglichen.“

->Quellen: