Kein Wunschkonzert der Wirtschaftslobby

Affront für die Zivilgesellschaft

Totz: „Der Prozess spielt inzwischen in der Diskussion keine Rolle mehr. Es ist, als habe es das Papier vom März 2016 nicht gegeben – für die beteiligten Umweltverbände und Zivilpersonen ein Schlag ins Gesicht. Demokratie? Transparenz? Bürgerbeteiligung? Abgehakt.“

Für die politische Kultur in Deutschland sei das ein Fiasko – so die Greenpeace-Diagnose. Auch das Gutachten komme zu dem Schluss, dass ein Beteiligungsverfahren unter solchen Umständen eine destruktive Wirkung entfalten könne: Es demotiviere im Hinblick auf künftige Beteiligungsangebote, und es untergrabe das ohnehin gestörte Vertrauen in die politischen Organe und in das politische Personal. Rucht: „Auch im vorliegenden Fall öffnet sich eine Kluft zwischen der Praxis eines ehrgeizigen, aufwändigen, komplexen und äußerst transparenten Verfahrens einerseits und der Missachtung oder gar Diskreditierung von dessen Ergebnissen durch die Politik unter dem Druck starker  wirtschaftlicher Interessen.“

Rucht wörtlich zum Schluss des Gutachtens: „Solange die organisierte wie nicht organisierte Bürgerschaft den Eindruck hat, ihr Input in den politischen Prozess würde ernst genommen und sachlich gewürdigt, entsteht auch dann kein legitimatorisches Problem, wenn Abweichungen von Willen der involvierten Bürgerschaft plausibel und sachbezogen begründet werden. Werden dagegen politische Entscheidungen wider besseres Wissen als „alternativlos“, als Ergebnis von „Sachzwängen“ oder als Resultat eines Parallelogramms von Kräften dargestellt, dem selbst die Politik mehr oder weniger ohnmächtig gegenüberstehe, so entfaltet das Beteiligungsverfahren eine destruktive Wirkung in mehrfacher Hinsicht. Es frustriert die Beteiligten, es demotiviert im Hinblick auf künftige Beteiligungsangebote, und es untergräbt das ohnehin erheblich gestörte Vertrauen in die politischen Organe und in das politische Personal.
Auch im vorliegenden Fall öffnet sich eine Kluft zwischen der Praxis eines ehrgeizigen, aufwendigen, komplexen und äußerst transparenten Verfahrens einerseits und der Missachtung oder gar Diskreditierung von dessen Ergebnissen durch die Politik unter dem Druck starker wirtschaftlicher Interessen. Anstatt sich daran zu machen, die Wirtschaft in langfristiger Perspektive sozial- und umweltverträglich umzubauen, ohne ihre aggregierte Leistungsfähigkeit zu untergraben, werden in lernresistenter Beharrung jene Bastionen verteidigt, die kurz- und mittelfristige Profitabilität sichern sollen. Es ist bemerkenswert, dass die Bürgerdelegierten, die aus einem Kreis von zufällig ausgewählten Personen gelost wurden und insofern nicht schon a priori das Anliegen einer klimafreundlichen Politik verinnerlicht hatten, dieses Anliegen mit zunehmender Intensität und Geschlossenheit vertraten, Dies spricht für die Qualität eines Verfahrens, das Raum für Lernprozesse bot.
Den Beteiligungsprozess am Klimaschutzplan 2050 als eine Beruhigungspille, als einen Modus symbolischer Akzeptanzbeschaffung in instrumenteller Absicht zu behandeln, hieße die ohnehin schon vorhandene Entfremdung zwischen Bürgerschaft und „politischer Klasse“ zu verstärken. Wer bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement auf die Funktion bloßer Ideenproduktion reduziert (Motto: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, er kann gehen.“), wer dieses Engagement als Beschäftigungstherapie für notorisch Unzufriedene auf Nebenschauplätzen versteht oder ihm vor allem eine Ventilfunktion („Dampf ablassen“) zubilligt, unter schätzt den Grad an politischer Reife wie auch Mobilisierungs-und Konfliktfähigkeit der Bürgerschaft in diesem Lande.“

Debakel für den Klimaschutz: Klimaschutzfreundliche (Lippen-)Bekenntnisse contra klimaschädliche Entscheidungen

Für den Klimaschutz ist es ebenfalls ein Debakel. Mit medienwirksamen Lippenbekenntnissen ist die Klimaerwärmung nicht zu stoppen. Die Bundesregierung hat zwar am 22.09.2016 den Pariser Klimavertrag ratifiziert. Doch wie glaubwürdig ist auch international eine Regierung, die ungeniert klimaschutzfreundliche Bekenntnisse produziert, während sie im selben Atemzug klimaschädliche Interessen vertritt?

Verbände boykottieren Anhörung

Am 27.09.2016 findet in Berlin eine Anhörung der Verbände zur jetzigen Fassung des Klimaschutzplans statt. Schon jetzt hat die Bundesregierung jedoch klar gemacht, dass sie keine konkreten Aussagen zum Kohleausstieg und zu spezifischen Einsparzielen für einzelne Wirtschaftssektoren treffen wird. Greenpeace und andere Umweltverbände werden daher nicht an der Anhörung teilnehmen. „Der vorliegende Klimaschutzplan ist ein Debakel nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Demokratie“, sagt Münchmeyer. „Die notwendigen Maßnahmen liegen auf dem Tisch. Was fehlt, ist der Wille der Kanzlerin, die Klimaziele von Paris in Deutschland umzusetzen. Diese Anhörung ist eine Farce, an der wir uns nicht beteiligen werden.“

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