Blockchain – neue Möglichkeiten für den Energiemarkt

Blockchain und Dezentralisierung der Energieerzeugung

Blockchain (Economist: „The trust machine“) könnte die digitale Antwort auf die Dezentralisierung der Energieerzeugung sein, indem sie die direkte Verbindung von dezentralen Stromproduzenten und –verbrauchern und den traditionellen Energieversorgern schnellere Bilanzierung sowie Abrechnung samt Kostenersparnis – schließlich neue Geschäftsmodelle ermöglicht.

Eine Reihe von Fragen aber sind vorerst offen, wie etwa die Kompatibilität mit dem bestehenden regulatorischen System, neuen regulatorische Anforderungen oder Standardisierungen. So steht derzeit etwa das Bilanzkreissystem dem „peer-to-peer“ im Weg. Zudem könnte Regulierung Innovationen behindern. Marcus Müller von der TU München hält angesichts von neueren Entwicklungen wie Gemeindespeichern oder auch Mieterstrom-Modellen dabei einen „top-down“-Ansatz für weniger sinnvoll. „Könnte man nicht Standards auf kleinerer Ebene schaffen?“ fragt er, also quasi für eine lokale Blockchain, bei der die Leistung am Ortsnetz-Transformator gemessen würde. Das sei eine Frage des Netzkonzeptes.

[note Podium mit Tobias Federico (Brainpool), Klaus von Sengbusch (50Hertz), Thomas Dederichs (BDEW), Kirsten Hasberg (Uni Kopenhagen), und Moderator Andreas Kuhlmann (dena) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify]

Tobias Federico, Experte bei Energy Brainpool, sah vor allem zwei grundsätzliche Punkte „jenseits der Blockchain“, welche die Politik klären müsste: Wie wird das Solidaritätssystem in der Stromversorgung gestaltet? Und wer ist letztlich für die Versorgungssicherheit verantwortlich? Und wie sieht das Marktdesign aus? Für den zukünftigen Stromhandel erwartet Federico dezentrale Handelsplätze, die mit zentralen verknüpft werden: „Strom ist unendlich teilbar. Es gibt keinen Grund, warum Megawattstunden gehandelt werden müssen“. So aber, weil die Versorgungssicherheit auch weiterhin Strom-Großhandel erfordere, gebe es einen „Strukturbruch“ zwischen kurz- und langfristigen Grenzkosten.

[note Wachsende Bedenken gegenüber Intermediären
Frank Bolten sieht einen wichtigen Anstoß für die Entwicklung der Blockchain-Technologie im aufkommenden Misstrauen gegenüber Intermediären – vor allem gegenüber der Finanzwirtschaft: Zwar sind Internet-Nutzer an den Einsatz verschiedener Intermediäre von Bezahldiensten über Marktplätze und Vermittlungsplattformen bis hin zu Social-Media-Diensten gewöhnt und schätzen auch oft den von ihnen angebotenen Nutzungskomfort. Aber parallel zur steigenden Bedeutung der verschiedenen Plattformen wuchsen auch die Bedenken gegenüber Intermediären. Einerseits wird beklagt, dass die Intermediäre oft hohe (Transaktions-) Gebühren abschöpfen und über strikte Regelwerke den Handlungsspielraum von Anbietern und Nachfragern einengen. Andererseits gibt es Bedenken bezüglich Datensicherheit (zum Beispiel durch einen Hacker-Angriff auf zentral vom Intermediär verwalteten Daten) und Privatheit (die Nutzer der Plattformen wissen teilweise gar nicht, in welcher Form und zu welchem Zweck die durch sie generierten Daten ausgewertet und monetarisiert werden).]

Die Riesen entdecken Blockchain

Folglich rückte die BC–Technologie auch für andere Anwendungen ins Blickfeld. Denn das „Gewährleisten von Vertrauen“ als wesentlicher Nutzen der Blockchain-Technologie muss nicht auf digitale Währungen beschränkt bleiben. Deshalb wurden zu immer mehr klassischen „Intermediär-Modellen“ BC-Alternativen entwickelt. Bolten nennt zunächst  vor allem zwei Konzepte: Die Plattform Arcade City biete Fahrdienstleistungen à la „Uber“. Und openbazaar.org stelle eine Einkaufsplattform à la eBay bereit. Beide basierten auf Peer-to-Peer-Transaktionen, funktionieren also ohne Mittelmann. Doch auch die führenden IT-Konzerne seien nicht tatenlos: „IBM setzt beispielsweise mit dem Projekt hyperledger.org auf einen offenen Industrie-Standard und hat beeindruckende 44.000 Zeilen Programm-Code für das Open-Source-Projekt der Linux-Foundation geliefert. IBM spricht hierbei von einem „Betriebssystem für Interaktionen“ und arbeitet daran, ihre Aktivitäten im Bereich künstliche Intelligenz (Stichwort „Watson“) mit Blockchain-Technologie zusammenzubringen. Und Microsoft als zweites Schwergewicht der PC-Branche forciert auf seiner Cloud-Plattform Azure „Blockchain-as-a-Service“ und hat bereits eine nennenswerte Zahl von Entwicklern eingebunden. Microsoft verfolgt die „Vision einer offenen, modularen Blockchain-Struktur, die von Azure getrieben wird“ und hat  Mitte Juni 2016 unter anderem eine spezielle Middleware für Blockchain-Technologie angekündigt.

Zurück zur Energiewirtschaft: Jens Strüker von der Fresenius-Hochschule sgte beim dena-Dialog: „Wir werden die klassischen Stromverträge wahrscheinlich nicht mehr sehen“. Statt ihrer erwartet er einen spontanen Wechsel zwischen Energiemarkt und Eigenverbrauch, der durch Geräte-Authentifizierung ermöglicht werde. Das engere Zusammenrücken von Energiehandel und –verteilung führe zu besserer Ressourcenauslastung und effizienteren Ausgleichsmechanismen. Dabei könnten aus Verteilnetzbetreibern Plattformbetreiber werden; das zeige das Beispiel New York (siehe: solarify.eu/erstmals-blockchain-eingesetzt): dort seien eben Anreize für die Einbindung dezentraler Kleinerzeuger gesetzt worden und in Kalifornien werde kleinteilige Nachfragesteuerung erprobt. Strüker sieht im Weg in die „Echtzeit-Energiewirtschaft“ die Chance, die Ineffizienzen des traditionellen Energiesystems und die des im Aufbau befindlichen dezentralen Systems zu beseitigen.

Datenschutz

Bleibt noch ein in wichtiges Themenfeld bei der Blockchain: Datensicherheit und Datenschutz. Bei offenen Blockchains gebe es keinen Verantwortlichen, der zur Rechenschaft gezogen werden könne, betont Datenrechtler Oliver Süme von der Kanzlei Fieldfischer – bei privaten stelle der Betreiber die Regeln auf und validiere. Dabei gelte, dass zwar „dezentral sicherer als zentral“ sei, doch  bei personenbezogenen Daten, auch bei Blockchain-Prozessen greife das Datenschutzrecht mit der Drohung hoher Bußgelder ab 25.05.2018 mit der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung. Allerdings sei darin die Blockchain-Technologie noch gar nicht berücksichtigt, lediglich in Form eines vorgeschalteten Schutz-„Assessment“ für neue Technologien mit einem hohen Maß personenbezogener Daten – möglicherweise eine Hürde für Blockchain.

Bolten: „Schon heute ist abzusehen, die Blockchain-Technologie wird in den nächsten Jahren erheblich an Relevanz gewinnen und hat das Potenzial, viele Branchen fundamental zu verändern.“

->Quellen und mehr: