Die „Klimaschutz-Rente“

Konsequentes Weiter-Denken

Ein neues Buch unter dem Titel „Weiter Denken: von der Energiewende zur Nachhaltigkeitsgesellschaft“ gibt Antworten im Sinne eines Fahrplans für eine machbare gesellschaftliche Transformation in Deutschland. Es gibt einen kritisch-konstruktiven Überblick über gangbare Wege in die Nachhaltigkeit und empfiehlt die „Klimaschutz-Rente“ als ein Instrument, um die notwendige Versöhnung von Ökologie, Ökonomie und Sozialstaat bürger- und praxisnah zu finanzieren.

Das 21. Jahrhundert erfordert ein konsequentes Weiter-Denken, das weit über die Treibhausgasbedrohung hinausgeht: Wie beenden wir die fortlaufende Naturzerstörung? Was können wir gegen die fortgeschrittene Vergiftung unserer Lebensgrundlagen unternehmen? Wie entschärfen wir das Problem der Ressourcenverknappung? Des Ausuferns der Wertschöpfungsketten? Eines Wirtschaftswachstums ohne Rücksicht auf Mensch und Natur? Und nicht zuletzt: Welches Erbe wollen wir den nächsten Generationen hinterlassen? Diese Fragen sind nunmehr in der Gegenwart angekommen.

Das von Dieter Flämig und Lothar de Maizière herausgegebene Buch erhielt 2016 in Brüssel den Green Design International Contribution Award; das darin vorgeschlagene Instrument „Klimaschutz-Rente“ wird im politischen Raum bereits intensiv diskutiert (FAZ vom 05.11.2016: „CDU prüft Klimaschutz-Rente“). Den Autoren, darunter Dr. Lothar de Maiziere und Prof. Dr. Klaus Töpfer, ging es darum, den politischen Blick für die Herausforderungen zu weiten, für die es nach unserer Auffassung noch keine hinreichend nachhaltigen Lösungsansätze gibt.

Angesichts der Fülle von anstehenden „dringenden“ Aufgaben kommen in der breiten öffentlichen Diskussion den Autoren zufolge die großen finanziellen Zukunftslasten zu kurz:

  • die wachsende Finanzierungslücke in der gesetzlichen Rentenkasse bis 2050 durch den absoluten und den relativen Anstieg der potentiellen Rentenempfänger (geschätzt: 60 %) und den Rückgang der Rentenzahler (geschätzt: 30 %) – bezogen auf 2000. Die Jährliche systembedingte Lücke kann nach jetzigem Stand dann bei 200 Mrd. Euro (Realwert inkl. Rentenerhöhungen) liegen;
  • die exponentielle Zunahme der Klimaschutz- und Umweltschutzkosten durch den Klimawandel und die damit einhergehenden Umweltprobleme. Die Prognose des Umweltbundesamtes für eine 2-3°-C-Klimaerwärmung: jährliche Zusatzkosten in Höhe von 5,5 % des Bruttoinlandsprodukts (geschätzt: 275 Mrd. Euro Realwert) bereits um die Jahrhundertmitte.

2050 muss unsere Volkswirtschaft in diesem nicht unwahrscheinlichen Fall also fast 500 Mrd. Euro Zusatzkosten bewältigen, additiv zu den vielen anderen gesellschaftlichen Aufgaben. „Diese Lasten dürfen wir nicht in diesen Größenordnungen auf unsere Kinder und Enkelkinder abschieben!“ so die Autoren. Und weiter: „Wenn unser Gemeinwesen jetzt nicht rechtzeitig auf diese Entwicklungen vorbereitet wird, muss es bei einer solchen Belastung auf Sicht in die Knie gehen!“

Gleichzeitig leistet sich Deutschland bei der Geldanlage einen permanenten Aderlass: das reale Nettovermögen unserer Durchschnittshaushalte ist seit 2003 fünfstellig zurückgegangen, die Deutschen verloren in zwei Jahrzehnten 500 Mrd. Euro im Ausland (DIW), die großen deutschen Dax-Unternehmen gehören bereits zu ca. 60 % ausländischen Eigentümern, 95 % der Lebensversicherungen rechnen sich nicht (Bund der Versicherten), die Riester-Rente ist hochgradig ineffizient“ (DIW).

Warum haben wir nicht den Mut zu einer konsequenten Zukunftsorientierung jenseits der Verteilungslogik im Hier und Jetzt? Warum machen wir aus den Klima- und Umweltschutzaufgaben nicht ein dauerhaftes ökonomisches Aufschwungprogramm? Warum investieren wir zukünftige Rentengelder nicht gezielt und verstärkt in die Erneuerung unserer Volkswirtschaft und Gesellschaft? In Vorhaben, die sich lohnen und gleichzeitig Treibhausgase abbauen, Abfall vermeiden, unsere Lebensgrundlagen entgiften, uns, unabhängiger von Rohstoff- und Zuliefermärkten machen? Warum ertüchtigen wir durch Rentenmittel nicht vor allem die deutschen Klein- und Mittelunternehmen, das eigentliche Rückgrat unserer Volkswirtschaft?

Die Antwort heißt, so die Autoren: „Klimaschutz-Rente“ – eine kapitalbasierte Rente, die das überforderte Umlagesystem unserer Rentenversicherung ergänzen und mehr Investitionen in Deutschland verorten soll. Ihr Vorsorgekapital soll – unterstützt von stabilen Rahmenbedingungen – vor allem in Energieeffizienz, Netzausbau. Elektromobilität, Erneuerbare Energien und kommunale Klimaschutzprojekte maßvoll-renditeorientiert investiert werden. Unter Mitwirkung der KfW, der Sparkassen und Volksbanken sollen zudem Klein- und Mittelunternehmen durch Firmenanleihen. stille Beteiligungen oder Genussrechtkapital eigenkapitalähnliche Finanzmittel erhalten, um den Strukturwandel in unserem Land arbeitsplatzwirksam und mittelstandsnah voranzutreiben.

Durch das Einsammeln der Rentengelder im Pflichtrahmen der Rentenversicherung sollen z, B. die teuren Mitnahmeeffekte der Riester-Rente (Akquisitionskosten usw.) vermieden werden, damit die Rentensparer und ihre Investitionen eine attraktivere Verzinsung bekommen. Aus dem Problem „Klimawandel“ wird so das Zukunftsprogramm „Klimawandel“, dessen. Projekte unsere Volkswirtschaft auch im Interesse der nächsten Generationen ertüchtigen.

Aus dem Geleitwort von Prof. Klaus Töpfer:
„Die obligatorische ‚Klimaschutz-Rente‘ als vierte Säule unseres sozialen Sicherungssystems, ein breites ökologisch-soziales Vorsorgesparen, dessen Mittel hierzulande und solide in Nachhaltigkeitsinvestitionen angelegt werden sollen. Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ist nicht nur durch einen Rückgang der natürlichen Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnet, sondern auch durch einen rapiden Alterungsprozess sowie dadurch, dass die Bevölkerung immer ‚bunter‘ wird. Die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme wird damit ebenso eine herausfordernde Anforderung an Nachhaltigkeit, die nicht heutigen Wohlstand auf Kosten kommender Generationen ‚genießt‘.
Es ist zu wünschen, dass dieser kreative Vorschlag einer ‚Klimaschutz-Rente‘ als ein Schlüsselinstrument ökologisch-sozialen Wandels eine Diskussion in unserer Gesellschaft auslöst, die nicht in Kurzfristigkeit verbleibt oder sich im emotionalen Schlagabtausch erschöpft. Ein breiter gesellschaftlicher Diskurs darüber ist vor dem Hintergrund einer Welt, in der Wohlstandsunterschiede weiter ansteigen und dies nicht zuletzt dadurch, dass durch die abgewälzten Wohlstandskosten Zukunft belastet wird, unausweichlich. Durch eine solche systemische Versöhnung von Ökologie, Ökonomie und Sozialstaat im Rahmen einer ‚ökologischen und sozialen Marktwirtschaft‘ kann die Transformation zu einer Nachhaltigkeitsgesellschaft entscheidend befördert werden. Je erfolgreicher das geschieht, desto stärker kann unsere Gesellschaft als Vorbild und glaubwürdiger Unterstützer bei der Beseitigung von Fluchtursachen in weniger entwickelten Ländern beitragen.
In der Enzyklika ‚Populorum Progressio‘ hat Papst Paul VI. visionär darauf hingewiesen, dass ‚Entwicklung der neue Begriff von Frieden ist‘. Ein Beitrag zum Frieden leistet Entwicklung dann, wenn sie nicht auf Kosten anderer erfolgt, wenn sie ’nachhaltig‘ aufgebaut wird. Das Diktat der Kurzfristigkeit durch die Erarbeitung von Alternativen aufzubrechen – das ist eine Herausforderung, der sich dieses Buch stellt. Es ist zu hoffen, dass es den notwendigen gesellschaftlichen Diskussionsprozess über die Entwicklung von Nachhaltigkeit voranbringt.“

->Quellen: