Vor Diesel-Gipfel: Regierung ringt um Geschlossenheit

Entscheidung zwischen Soft- und Hardware

Am Tag vor dem Diesel-Gipfel am 02.08.2017 im BMVI sah der Berliner Tagesspiegel „die Bundesregierung in der Sackgasse“, denn die Ministerien waren uneins über die zu stellenden Forderungen an die Autoindustrie. Die Grünen schlugen eine „Zukunftskommission“ unter Vorsitz von Klaus Töpfer vor. VW, Daimler, BMW, Opel und Co sollten darlegen, wie sie Diesel-Motoren nachrüsten wollen, dass sie weniger gesundheitsgefährdende Abgase ausstoßen. Die Bundesregierung tat sich aber offensichtlich schwer mit gemeinsamen Forderungen an die Adresse der Konzerne. Umweltverbände blieben ausgesperrt.

Offen blieb bis zuletzt, ob akzeptiert werden sollte, dass die Autoindustrie ältere Diesel-Fahrzeuge nur mit einem Software-Update aufrüstet oder ob größere Umbauten notwendig wären, um die Stickoxidbelastung zu reduzieren. Auch die Frage einer staatlichen Förderung, etwa durch Kaufanreize für moderne Diesel, blieb unbeantwortet. „Die Bundesregierung wird mit einer abgestimmten Position in das Nationale Forum Diesel gehen“, hatte ein Sprecher des Verkehrsministeriums am am 31.07.2017 in Berlin versichert; er sah die Abstimmung „auf den letzten Metern“, die Regierung werde eine „einheitliche Linie“ vertreten – aber bereits dieses Statement machte klar, dass die Regierung um Geschlossenheit rang. Ein BMUB-Sprecher verwies auf ausstehende Gespräche mit den Bundesländern und sagte, es gehe um „keine einfache Materie“. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist überzeugt, dass Software- Updates allein nicht reichen. Dadurch wird der Stickoxid-Ausstoß laut Verkehrsministerium im Schnitt um 40 Prozent bis 50 Prozent reduziert – der Verband der Automobilindustrie hatte aber von nur 25 Prozent gesprochen.

Halbes Kabinett und neun Länder-MPs am Tisch – Dobrindt unter Druck

Dobrindt und Hendricks (SPD) sind Gastgeber des Diesel-Gipfels – mit den Kabinettskolleginnen Wanka und Zypries sowie einem Vertreter des Bundeskanzleramts, dazu die Ministerpräsidenten von neun Bundesländern. Die Autoindustrie vertreten VW, Daimler, BMW, Opel und Ford sowie ihre Interessensverbände VDA und der Verband der internationalen Kraftfahrzeughersteller. Schließlich die IG Metall, deren Betriebsräte in deutschen Autokonzernen  in einer gemeinsamen Erklärung forderten, die wichtigste Maßnahme sei die „möglichst flächendeckende Nachbesserung von Fahrzeugen der Euro-5- Norm“. Der Diesel sei im Übrigen als Brückentechnologie zur Elektromobilität unverzichtbar. Die Bundesregierung erwartete von der Autobranche verbindliche Zusagen, wie sie Diesel-Motoren der Norm Euro 5 und Euro 6 und ältere Diesel nachrüstet.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz griff Bundeskanzlerin Angela Merkel an: „Es ist unerträglich, dass Frau Merkel dem Treiben von Herrn Dobrindt und seiner Behörde seit Monaten tatenlos zuschaut“, sagte Schulz den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.Unter wachsenden Druck gerät Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) forderte von ihrem Kabinettskollegen Aufklärung der Vorwürfe, das dem BMVI unterstellte Kraftfahrtbundesamt habe auf Betreiben der Autoindustrie Untersuchungsberichte über den Abgasskandal entschärft. „Dobrindt muss öffentlich darstellen, was er, sein Ministerium und das Kraftfahrtbundesamt wussten“, erklärte Zypries am Montag. Das Verkehrsministerium wies den Vorwurf zurück, man habe Untersuchungsberichte geschönt. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin forderte laut Rheinischer Post Dobrindt zum Rücktritt auf und twitterte: „Wie Dobrindt Dieselgate zum Betriebsgeheimnis umlog“ .

Grüne für „Zukunftskommission umweltfreundliche Mobilität“ mit Töpfer

Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (79) sei bereit, eine von den Grünen ins Spiel gebrachte „Zukunftskommission umweltfreundliche Mobilität“ zu leiten, sagten die grünen Spitzenkandidaten am 31.07.2017. Ihr Vorbild: Die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“, die nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 unter Leitung von Töpfer den Atomausstieg vorbereitet hat.

Folgt: DUH beschwert sich: Kein Zutritt zum Diesel-Gipfel