EU-Vorschlag verfehlt Ziel

cep-Bewertung

Ordnungspolitische Beurteilung

Die Kommission fordert zu Recht eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung der Mitgliedstaaten bei der Prävention und der Bewältigung von Stromversorgungskrisen. Denn erstens sind die Mitgliedstaaten einer Region, z.B. bei länger andauernden Kälte- oder Hitzeperioden oder aufgrund von geopolitischen Konflikten mit Drittstaaten, oft gleichzeitig von Stromversorgungskrisen betroffen. Zweitens können nicht abgestimmte Maßnahmen zur Prävention oder Bewältigung von Stromversorgungskrisen in einem Land aufgrund der zu-nehmenden grenzüberschreitenden Vernetzung zu veränderten Stromflüssen im Binnenmarkt führen, was die Versorgungssicherheit in benachbarten Mitgliedstaaten gefährden kann.

Folgen für Effizienz und individuelle Wahlmöglichkeiten

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, genau eine zuständige Behörde zu benennen, führt zu klaren Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichen. Zudem erleichtert es die Kommunikation unter den Behörden und damit die regionale Koordination von Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung von Stromversorgungskrisen.
Nach einheitlichem Muster erstellte Risikovorsorgepläne verbessern die Möglichkeit, diese miteinander zu vergleichen, und erleichtern damit ein abgestimmtes Vorgehen der Behörden einer Region bei der Vermeidung und Bewältigung von Stromversorgungskrisen.

Die Verordnung sollte festlegen, welche Konsequenzen es hat, wenn sich die zuständigen Behörden einer Region nicht auf gemeinsame Maßnahmen in den Risikovorsorgeplänen einigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine Einigung gezielt verhindert wird, um regionale Kooperationen bei der Prävention oder Bewältigung von Stromversorgungskrisen zu vermeiden.

Die Pflicht zur regionalen Zusammenarbeit und Unterstützung im Falle einer Stromversorgungskrise – z.B. in Form grenzüberschreitender Stromlieferungen – kann dazu beitragen, dass bei Eintritt einer Stromversorgungskrise große wirtschaftliche Schäden oder gar humanitäre Katastrophen in einzelnen Mitgliedstaaten vermieden werden. Die Grundvoraussetzung für gegenseitige Hilfe muss dabei aber die ausreichende Fähigkeit zur Eigenversorgung sein. Denn sonst besteht die Gefahr, dass einige Mitgliedstaaten in der Hoffnung auf Solidarität im Krisenfall keine ausreichende Eigenvorsorge treffen („Trittbrettfahrerverhalten“), was die Sicherheit der Stromversorgung in der Region insgesamt senkt.

Die Vorgabe, dass Mitgliedstaaten für die Unterstützung bei der Bewältigung von Stromversorgungskrisen in anderen Mitgliedstaaten von diesen eine Gegenleistung erhalten müssen, wirkt Trittbrettfahrerverhalten entgegen und erhöht damit die Stromversorgungssicherheit in einer Region. Der Begriff der „Gegenleistung“ ist allerdings zu unspezifisch. Die Verordnung sollte klarstellen, dass die Gegenleistung mindestens den Kosten entsprechen muss, die dem Mitgliedstaat für die Unterstützung entstanden sind.

Die Pflicht, für die Prävention und Bewältigung von Stromversorgungskrisen vorrangig strombinnenmarktkonforme Maßnahmen zu ergreifen, ermöglicht eine effiziente Stromerzeugung. Denn Eingriffe in den Strombinnenmarkt schränken die Stromflüsse ein, verhindern eine effiziente Preisbildung auf den Großhandelsstrommärkten und machen die Stromversorgung damit unnötig teuer.

Folgen für Wachstum und Beschäftigung

Eine prosperierende Wirtschaft setzt eine sichere Stromversorgung voraus. Maßnahmen zur Erhöhung der Stromversorgungssicherheit wirken sich somit positiv auf Wachstum und Beschäftigung aus.

Folgen für die Standortqualität Europas

Eine sichere Stromversorgung ist für eine hochwertige industrielle Wertschöpfung unerlässlich. Maßnahmen zur Erhöhung der Stromversorgungssicherheit erhöhen daher die Attraktivität des Standorts Europa für Industrieunternehmen.

Juristische Bewertung

Kompetenz

Unproblematisch. Die EU darf Maßnahmen zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit ergreifen.

Subsidiarität

Unproblematisch. EU-weite Regelungen zur Gasversorgung können besser auf EU-Ebene getroffen werden.

Sonstige Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Pflicht der Mitgliedstaaten, nur eine einzige „zuständige Behörde“ mit der Erstellung eines Risikovorsorge-plans betrauen zu müssen, greift EU-rechtswidrig in die innerstaatliche Organisationshoheit der Mitgliedstaa-ten ein. Eine Zentralisierung sollte auf das notwendige Maß beschränkt bleiben, z.B. um Behörden als zentrale Ansprechpartner auf EU-Ebene zu benennen.

Zusammenfassung der Bewertung

Die Pflicht zur regionalen Unterstützung im Falle einer Stromversorgungskrise kann dazu beitragen, dass große wirtschaftliche Schäden in einzelnen Mitgliedstaaten vermieden werden. Die Vorgabe, dass Mitgliedstaaten für die Unterstützung bei der Bewältigung von Stromversorgungskrisen in anderen Mitgliedstaaten eine Gegenleistung erhalten, wirkt Trittbrettfahrerverhalten entgegen. Die Verordnung sollte jedoch klarstellen, dass die Gegenleistung mindestens den Kosten entsprechen muss, die dem Mitgliedstaat entstanden sind. Die Pflicht, für die Bewältigung von Stromversorgungskrisen vorrangig strombinnenmarktkompatible Maßnahmen zu er-greifen, ermöglicht eine effiziente Preisbildung auf den Großhandelsstrommärkten.

Autoren: Dr. Moritz Bonn und Dr. Götz Reichert, LL.M.

->Quellen: