Seltene Erden als Metalle unserer Zeit

Postfossil und digital

Die sogenannten Seltenen Erden begegnen uns, ohne dass wir das bemerken, auf Schritt und Tritt. Denn von der Kommunikationstechnologie bis zur Energietechnik gestalten wir mit ihnen unseren modernen Alltag. Der zehnte Band der Reihe Stoffgeschichten aus dem oekom verlag, „Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters“ (erscheint am 02.11.17), informiert über Geschichte, Verwendung und Bedeutung von Neodym, Europium & Co.

Marschall_Holdinghausen – Seltene Erden © oekom-Verlag

„Der wichtigste Rohstoff der deutschen Industrie ist der Erfindungsgeist ihrer Ingenieure“ – dieses Bonmot sei richtig, aber nicht ganz ehrlich – so der Verlag auf seiner Internetseite. Denn ohne Rohstoffe komme auch der klügste Ingenieur nicht weit. Während Rohstoffe wie Eisen oder Aluminium fast unerschöpflich erschienen, sehe es um die sogenannten Seltenen Erden anders aus – vor allem deshalb, weil der Quasi-Monopolist China die Mengen diktieren könne, die dem Markt zur Verfügung stehen.

Seltene Erden sind „Enabler“ – „Möglichmacher“ – von bestimmten Produkten und somit unverzichtbare Grundlage ganzer Industriezweige. Aufgrund ihrer besonderen Materialeigenschaften finden sie sich in zahllosen Produkten, in Mobiltelefonen, Laptops, elektrischen Zahnbürsten, Windrädern, Hybrid- und Elektroautos; sie sind in Lasersystemen und Beleuchtungsmitteln verbaut, von der Energiesparlampe bis zum Leuchtkugelschreiber. Darüber hinaus ermöglichen sie als Katalysatoren den reibungslosen und effizienten Ablauf vieler Produktionsprozesse, vor allem in der Erdöl- und Chemieindustrie. Die Seltenen Erden sind die strategischen Metalle unserer Zeit – und erzählen zugleich die faszinierende Geschichte unserer modernen Industriegesellschaft.

Diese „Vitamine der Industrie“ stehen wie kaum ein anderes Metall für die großen Themen unserer Zeit – sei es Energiewende, sei es Industrie 4.0. Seltene Erden haben aber nicht nur eine enorme technische und ökonomische, sondern auch eine ökologische und politische Dimension. Denn bei ihrer Aufbereitung entstehen große Mengen toxischer Abfälle, die häufig radioaktiv kontaminiert sind: „Pollution Export“, die Verlegung der Aufbereitung in Länder mit niedrigen Lohn- und Umweltstandards, wird von manchen Produzenten daher als geeignete Strategie verfolgt.

Luitgard Marschall ist Pharmazeutin, promovierte Wissenschaftshistorikerin und Autorin. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München und am Lehrstuhl für Ressourcenstrategie der Universität Augsburg tätig. Zu den Themenfeldern Medizin, Umwelt und Nachhaltigkeit hat sie zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Bücher, u. a. „Das übertherapierte Geschlecht“ (2017) sowie „Aluminium. Metall der Moderne“ (2008) veröffentlicht.

Heike Holdinghausen ist Redakteurin der taz. Im Ressort Wirtschaft und Umwelt schreibt sie vor allem über Chemikalien-, Abfall- und Rohstoffpolitik. Zu denselben Themen verfasste sie mehrere Bücher, etwa „Wir konsumieren uns zu Tode“ (2013) und „Der geschenkte Planet“ (2014), beide zusammen mit Armin Reller, sowie „Dreimal anziehen, weg damit“, einem Buch, das sich kritisch mit der Textilindustrie befasst.