Weltweit erste „Wasserbatterie“

Neuartiges Kraftwerkskonzept – TÜV-SÜD-geprüft

Energie gewinnen ist relativ einfach, sie flexibel speichern schon schwieriger. Der Naturstromspeicher Gaildorf kann beides – Strom erzeugen und speichern. Die Idee hinter dem Gemeinschaftsprojekt der Max Bögl Wind AG (Sengenthal bei Neumarkt) mit Projektinitiator Alexander Schechner ist simpel und innovativ: Vier mit einem Pumpspeicherkraftwerk verbundene Windgeneratoren sollen nach Prüfung durch den  TÜV Süd demnächst die Kombination aus Wind- und Wasserkraft zur Stromerzeugung nutzen – und so eine flexible Energieversorgung für die 12.000-Einwohner-Stadt Gaildorf südlich Schwäbisch Hall sicherstellen.

Die weltweit erste Anlage ihrer Art pumpt mit nicht benötigtern Windenergie Wasser vom Unterbecken nach oben und lässt es bei Strombedarf wieder nach unten auf drei Pumpturbinen laufen. Innerhalb von 30 Sekunden sollen diese Generatoren volle Leistung bis 16 MW liefern. Die elektrische Speicherkapazität des Kraftwerks ist auf 70 MWh ausgelegt.

Dazu entstanden auf den Limpurger Bergen oberhalb des Kochertals seit Baubeginn im April 2016 vier Windkrafttürme, die mit einer Gesamthöhe bis 240 Meter die höchsten der Welt. Die Windräder mit insgesamt 13,6 Megawatt Leistung erreichen Nabenhöhen von 158 bis 178 Metern und haben einen Rotordurchmesser von 137 Metern. Der Clou laut Max Bögl AG: „Während konventionelle Pumpspeicherkraftwerke jeweils nur über ein Ober- und ein Unterbecken verfügen, ist beim Projekt Gaildorf das Oberbecken quasi in vier kleine aufgeteilt, die direkt in die Windenergieanlagen integriert sind.“

Turmfundamente als Wasserspeicher

Dazu wurden auf den klassischen Ringfundamenten der Windkrafttürme 40 Meter hohe Wasserspeicher mit einem Durchmesser von knapp 63 Metern aufgebaut. Bis zu 13 Meter hoch sind sie mit Wasser gefüllt – zusammen mit diesen vorgelagerten Passivbecken können die Speicherfundamente der Windkrafttürme rund 160.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen. Zusätzlich erhöhen die Aktivbecken das Fundament der Anlagen und damit die Nabenhöhe der Rotoren um 40 Meter, so dass die Stromerzeugung aus Windkraft bis 25 Prozent gesteigert werden kann.

Druckrohre verbinden die Windkrafttürme untereinander und mit dem 200 Meter tiefer im Tal gelegenen Unterbecken. Das rund 400 mal 150 Meter große Wasserreservoir des Pumpspeicherkraftwerks soll als attraktiv gestaltetes Gewässer künftig auch der Naherholung dienen. Die hochinnovative PE-Hochdruckrohrleitung mit 30 bar Betriebsdruck wurde speziell entwickelt. Die neue Technik ermöglicht bisher unerreichte Verlegegeschwindigkeiten des Druckrohres und reduziert den erforderlichen Eingriff in die Landschaft stark. Gute Gründe, das Konzept im Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München zur Prüfung vorzulegen.

Neben der dezentralen und nachhaltigen Stromerzeugung ohne CO2-Emissionen liefert die innovative Technik auch die für das zukünftige Energiesystem benötigte Flexibilität. Das überzeugte auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit(BMUB): Es fördert das Vorhaben mit Mitteln in Höhe von 7.150.000 Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm.

TÜV-Süd hat geprüft

Im Auftrag des Landratsamtes Schwäbisch Hall hat der TÜV SÜD die bautechnische Einzelprüfung für Turm, Wasserspeicher und Gründung des Naturstromspeichers Gaildorf durchgeführt. In diesem Pilotprojekt werde die „Wasserbatterie“ der Max Bögl Wind AG zum ersten Mal realisiert. Das komplexe Projekt war auch für die erfahrenen Prüfer von TÜV SÜD eine besondere Herausforderung.

Das innovative Konzept des Naturstromspeichers Gaildorf stellte auch die Prüfer von TÜV SÜD vor besondere Herausforderungen. „Gerade bei der Realisierung solcher anspruchsvollen und komplexen Projekte können wir unser gesamtes Know-how und unsere umfangreiche Erfahrung beim Prüfen von Beton- und Hybridstrukturen für Windenergieanlagen zum Tragen bringen“, sagt Stephan Mayer, Projektleiter der TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Nach der Beauftragung durch das Landratsamt Schwäbisch Hall nahmen die Prüfer von TÜV SÜD im April 2015 ihre Arbeit auf.

„Bei einem neuartigen Projekt wie dem Naturstromspeicher Gaildorf gibt es immer wieder Änderungen im Vergleich zur ursprünglichen Planung“, erklärt Mayer. „Das verlangt hohe Einsatzbereitschaft und große Flexibilität von allen Beteiligten.“ Das betraf auch die lösungsorientierte Prüfung von technischen Innovationen beim Bau der Wasserbecken mit Betonfertigteilen und innovativen Vorspannkonzepten. Bei der Prüfung der Wasserbecken, die gleichzeitig als Fundamente für die Hybridtürme dienen, mussten hochkomplexe Anforderungen an Toleranzen und Wasserdichtigkeit mit hochdynamischen Belastungen aus den Windenergieanlagen kombiniert werden.

In Abstimmung mit dem Landratsamt Schwäbisch Hall übernahmen die TÜV SÜD-Prüfer 2017 auch die Bauüberwachung für die Hybridtürme. Ausschlaggebend für die Beauftragung waren auch hier Know-how und Erfahrungen in diesem Bereich. Während die vier Windenergieanlagen bereits ab Dezember 2017 ihren Strom in das Netz einspeisen, wird die komplette Wasserbatterie in Gaildorf voraussichtlich im Herbst 2018 in Betrieb gehen.

Internationales Interesse am Pilotprojekt

Mit Voranschreiten der Bauarbeiten wuchs auch das öffentliche Interesse am Naturstromspeicher: Im Mai und im November vergangenen Jahres durften sich interessierte Besucher bei Baustellenführungen einen eigenen Eindruck vom aktuellen Stand verschaffen. Auf der Weltleitmesse für Windenergie, der WindEnergy Hamburg, wurde das Konzept einem breiten Fachpublikum vorgestellt. Dort wurde auch der Vertrag mit GE Wind zur Lieferung von vier Windenergieanlagen vom Typ 3,4 MW mit einem Rotordurchmesser von 137 Metern unterzeichnet. Und auch die internationale Presse ist auf das Hightech-Projekt aufmerksam geworden: Sowohl türkische als auch US-Fachmedien berichteten bereits über den Naturstromspeicher.

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