Jürgen Resch (DUH) im Solarify-Selbst-Gespräch
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, im Solarify-Selbst-Gespräch über die fruchtbare Konkurrenz der deutschen Umwelt- und Verbraucherschutz-Organisationen, über vergebliche Einschüchterungsversuche der Großkonzerne, über saubere Luft und über Erfolge – und über die dringend notwendige Begrenzung überbordender Marktmacht.
Frage: Also wenn Sie mich fragen – gehen einem die dauernden Klagen – auch die juristisch-materiellen Bedrohungen durch die Konzerne manchmal an die Nieren?
Das belastet einen beruflich und privat. Seit nunmehr sechs Jahren werde ich ununterbrochen – zeitweilig mehrfach – persönlich verklagt. Mit millionenschweren Schadensersatzforderungen und Unterlassungsbegehren durch die Kunststoffindustrie (finanziert durch BASF). Und seit 2016 zusätzlich Unterlassungsklagen von Daimler, 2017 von Volkswagen. Es ist aber ermutigend, dass die Gerichte noch weitgehend unbeeinflusst entscheiden – immerhin habe ich alle diese Klagen rechtskräftig gewonnen. Mit der Forderung von 2,7 Mio Euro Schadensersatz sollte erreicht werden, dass wir uns nicht mehr kritisch zu den Fake-Biokunststoffen der BASF äußern. Gerade erst vergangene Woche hat der Bundesgerichtshof die Klage eines Plastiktütenherstellers endgültig abgewiesen, der den von uns kritisierten BASF-Kunststoff verwendete. Seit zwei Jahren versucht nun zusätzlich auch die Automobilindustrie, mit dem Instrument gerichtlich verfügter „Einstweiliger Verfügungen“ und der Androhung von 250.000 € Strafe oder sechs Monaten Haft gegen mich persönlich, dass wir bestimmte Dokumente oder zentrale Ergebnisse und rechtliche Bewertungen zur Betrugssoftware bei Diesel-Pkw von Daimler und VW nicht mehr veröffentlichen dürfen. Rechtsstaat absurd: Die VW-Anwaltsfirma Freshfields beantragte für den Fall der Zuwiderhandlung sogar „zwei Jahre Haft“ gegen mich persönlich und das Landgericht Düsseldorf verbot uns tatsächlich die Wiederholung der zehn zentralen Aussagen. Es dauerte sieben Monate, bis diese ohne Anhörung der DUH einseitig ergangene „Einstweilige Verfügung“ in allen zehn Punkten durch das Oberlandesgericht Düsseldorf im Oktober 2017 aufgehoben worden ist.
Frage: Warum gibt es vier große Natur- und Umweltschutzorganisationen – wäre eine einzige große nicht schlagkräftiger?
So wie wir in der Natur eine Vielfalt haben, ist das auch in der Zivilgesellschaft gut und richtig. Konkurrenz führt auch dazu, dass man innovativer wird. Wir haben in Deutschland eine mustergültige Zusammenarbeit im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich – dass wir uns bei all den Verbandsegoismen, die es geben muss, in der Sache einig sind, nämlich dass wir einander nicht behindern, sondern unterstützen, und dass wir gemeinsam an Lösungen im Umwelt- und Klimaschutz arbeiten. Wir wachsen auch aneinander, wenn wir zum Beispiel sehen, dass irgendeine andere Organisation neue pfiffige Wege geht. Es hilft, dass wir mehrere Verbände sind.
Frage: Die DUH und ihre Mitmach-Aktion „Saubere Luft“. Geht es wieder gegen die geplagten Dieselfahrer?
Erst einmal: Wir kämpfen für die neun Millionen betrogenen Käufer von Euro 5 und Euro 6 Diesel-Pkw. Denen wurde ein sauberes und klimafreundliches Auto versprochen – tatsächlich verpesten diese Fahrzeuge unsere Städte. Daher haben wir jetzt im Rahmen unseres Kampfes für „Saubere Luft“ das bundesweit größte Messprogramm für das Dieselabgasgift NO2 gestartet. Obwohl es in Deutschland 11.052 Städte und Gemeinden gibt, umfasst das staatliche Messnetz nur 247 verkehrsnahe Messstellen.
Wir haben die Bürger aufgerufen, uns Plätze mit hoher Luftbelastung zu melden und werden in 500 Orten – also an doppelt so vielen wie von der Bundesregierung – im Monat Februar die NO2-Belastung erfassen. Insgesamt sind es eigentlich über 535 staatliche Messpunkte – mehr als die Hälfte wurde aber z. B. auf Druck findiger Politiker an den Stadtrand oder auf die grüne Wiese verlegt. In der Statistik tauchen sie dann auf als „Hintergrund-Messstellen“, von wo sie dauerhaft niedrige Werte melden. Es ist fatal,wie grobmaschig das offizielle Messnetz ist. Die Bundeskanzlerin hat wegen unserer Klagen in 19 Städten den bekannten betroffenen Kommunen eine Milliarde Euro versprochen, weil sie sagt, damit sollten die drohenden Fahrverbote verhindert werden. Damit möchte man das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beeindrucken. Denn das Gericht wird am 22.02.2018 letztinstanzlich über die in Düsseldorf und Stuttgart bereits bestätigten Diesel-Fahrverbote entscheiden.