MdEP kritisieren Kommissions-Energieprojekte

Zu wenig EE – zu viel fossil

Eine Liste vorgeschlagener Energieprojekte der EU-Kommission wird derzeit von Europaparlamentariern geprüft. Einige MdEP werfen der Kommission vor, sie konzentriere sich zu sehr auf Projekte mit fossilen Brennstoffen – einige von ihnen erwägen eine bisher nie angewendete Form des Widerspruchs – wie Sam Morgan im Portal EURACTIV schreibt.

Vor zwei Monaten hatte die Kommission ihre Projekte von gemeinsamem Interesse (Projects of Common Interest, PCI) vorgelegt, darunter Energie-Infrastrukturprojekte wie Stromverbundleitungen und Gas-Pipelines, mit denen die EU ihre Energie- und Klimaziele erreichen soll. Am 23.01.2017 nun befragten MdEP die EU-Exekutive zur Liste. Es ging darum, welche Projekte in die Liste aufgenommen werden sollten – und welche nicht. Kommissionsvertreterin Catharina Sikow-Magny sah sich dabei  heftiger Kritik der EU-Parlamentarier ausgesetzt.

Isolierte Rohrleitungen in Berlin, Fernheizung – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Vor allem bemängelten die Mitglieder des Energieausschusses (ITRE) die Menge der Gasprojekte, die Methode, nach der die Liste aufgestellt worden war, und die mangelnde Transparenz bei der Entscheidungsfindung. Die Sozialdemokraten (S&D) Kathleen van Brempt und Dan Nica kritisierten, die Kommission hätte das Parlament bereits früher einbinden müssen. Van Brempt erklärte, es habe „zu wenig Dialog mit dem ITRE-Ausschuss über die Zusammensetzung der Liste“ gegeben. Der rumänische Abgeordnete Nica forderte von Sikow-Magny, ihre Institution müsse bei der zukünftigen PCI-Liste (die Liste wird alle zwei Jahre überarbeitet) mehr Transparenz zeigen.

Die Kommissionsvertreterin zeigte sich gewillt, öfter in den Ausschuss zu kommen. Sie deutete an, dass sich auch der für die Energieunion zuständige EU-Kommissar Maroš Šef?ovi? mit den MdEP treffen könnte.

Streit über Zahl der Gasprojekte

Zur Kritik der MdEP an der Menge der Gasprojekte auf der Liste verwies die Kommission darauf, dass sich die Anzahl dieser Projekte seit der letzten Überarbeitung verringert hab, dagegen argumentierten die Kritiker, die Zahl sei in Wirklichkeit gestiegen, da die Kommission Projekte in Gruppen zusammengefasst habe. Sikow-Magny verteidigte die Auflistung und erinnerte daran, dass die erste Liste 108 Gasprojekte enthalten habe – im Gegensatz zu den 53 in der jetzigen, dritten Liste. Sie bestand auch darauf, dass dieselbe Methodik in allen drei Listen gleichermaßen „kohärent und konsequent“ angewendet worden sei und dass es schon immer Projektgruppen gegeben habe.

Widerstand

Trotzdem erwägen die schärften Kritiker, darunter Xabier Benito Ziluaga (GUE/NGL) und Michèle Rivasi (Grüne/EFA), Maßnahmen gegen die Liste zu starten. Ihrer Ansicht nach ist der Vorschlag der Kommission derart mangelhaft, dass sie Widerspruch im ITRE-Ausschuss einlegen wollen. Dadurch müssten die MEPs über die Liste abstimmen, statt sie einfach nur durchzuwinken. Es wäre das erste Mal, dass die Parlamentarier auf diese Weise über eine PCI-Liste entscheiden. Allerdings wird nicht über individuelle Projekte, sondern über die Liste als Ganzes abgestimmt. Das werden die Ausschussmitglieder wohl beim nächsten Treffen des ITRE-Ausschusses Ende Februar tun. Sollte die Mehrheit sie zurückweisen, würde das Thema in einer Plenarsitzung im März behandelt. Dort ist eine Ablehnung allerdings nicht sehr wahrscheinlich, da die EVP- und EKR-Fraktionen die Liste unterstützen.

ITRE-Vorsitzender Jerzy Buzek (EVP) schloss die gestrige Sitzung mit der Feststellung, die Debatte sei wichtig, aber „es ist unmöglich, nur mit Erneuerbarer Energie und ohne Gaskraftwerke zurechtzukommen.“ Er deutete an, dass der Widerspruch über den Ausschuss hinaus keinen Erfolg haben werde.

Bulgariens Prioritäten

Beim Treffen des ITRE-Ausschusses war auch die bulgarische Energieministerin Temenuzhka Petkova anwesend – sie legte die Prioritäten ihres Landes während der aktuellen Ratspräsidentschaft dar. Wie erwartet erklärte sie, dass Energieverbindungen, hauptsächlich Erdgas-Pipelines, mit der Westbalkanregion ein wichtiger Fokus seien. Außerdem wolle Bulgarien auch für einen Gas-Hub im eigenen Land kämpfen. In Bezug auf eine Revision der Erdgas-Richtlinie zeigt sich die bulgarische Ratspräsidentschaft allerdings weniger ambitioniert: Petkova erklärte lediglich, man wolle bei dem Thema einen „Konsens erreichen“.

Darüber hinaus sei der Ratsvorsitz bereit, mit der Arbeit an den Gesetzen zu erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energie-Governance zu beginnen, die vergangene Woche in Straßburg vom Parlament abgeschlossen wurden. Außerdem wolle Bulgarien an der Verordnung zum Elektrizitätsmarkt arbeiten. Dass es vor Ende der bulgarischen Ratspräsidentschaft bei diesem Thema bereits zum Trialog zwischen Kommission, Parlament und Rat kommt, hält EURACTIV-Autor  Morgan jedoch für unwahrscheinlich.

„Teure Gas-Infrastruktur, die von uns allen bezahlt werden muss“

Harsche Kritik übte auch Cornelia Ernst, energiepolitische Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament: „Diese Liste muss unbedingt vom Industrieausschuss abgelehnt werden. Denn hier fließen Gelder aus dem Topf der Connecting Europe Facility des EU-Haushalts in den weiteren Ausbau der Gas-Infrastruktur in der EU, die wir nicht brauchen. Nach Langzeitprognosen wird der Gasverbrauch in der EU sinken, außerdem muss sich die EU an ihre selbstgesteckten Klima- und Energieziele halten – und dies ist mit einem Ausbau der Gas-Infrastruktur nicht zu erreichen. Vielmehr sollten die Gelder der PCI (Vorhaben von gemeinsamem Interesse) in den Ausbau intelligenter Stromnetze fließen, der einen höheren Anteil von erneuerbaren Energien im Stromnetz ermöglichen würde. In den letzten vier Jahren wurden aus dem Topf der Connecting Europe Facility 1 Milliarde Euro für Gas-Projekte ausgegeben, aber nur 500 Millionen für Projekte im Strombereich. Die heutige Debatte im Industrieausschuss hat gezeigt, dass auch Abgeordnete der Grünen Fraktion und der Sozialisten besorgt sind, dass hier in teure Gas-Infrastruktur investiert wird, die dann 40 bis 50 Jahre bestehen bleibt und von uns allen bezahlt werden muss. Gemeinsam mit anderen Abgeordneten des Industrieausschusses werden wir gegen diese Liste Einspruch erheben und eine ‚motion of objection‘ (Antrag auf Ablehnung) einbringen,“ so Cornelia Ernst abschließend.

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