Zur Transformation der globalen Energiesysteme

Energiewende und gesellschaftlichen Wandel verstehen

Mit Blick auf  den Beginn des Zeitalters der Industrialisierung wird greifbar, dass auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen werden. Um 1800 hat die Erfindung der Dampfmaschine nicht nur die Welt der Technik, sondern langfristig das Gesicht der Erde verändert. Die Möglichkeit, mit Wärmekraft Dinge in Bewegung zu setzen, die vorher praktisch als unbeweglich galten, und die damit verknüpfte Möglichkeit,  die Fabrikproduktion auf ein vorher nie dagewesenes Niveau zu heben, hat einen neuen Typ menschlicher Geschichte eröffnet. Mit Anbruch des industriellen Zeitalters galt Kohle als der zentrale Energieträger, der zunächst die Dampfmaschinen und dann ganze Kraftwerke antrieb. Zusammen mit Stahl ermöglichte die Kohle den Bau von Verkehrswegen und industriellen Großanlagen sowie später die Elektrifizierung der Städte.

Seitdem haben neue Materialien und neue Technologien kontinuierlich dazu beigetragen, das Erscheinungsbild der Welt – und der Menschen – zu verändern. Man nimmt an, dass bis zu jedes dritte Stickstoffatom in unseren Körpern aus industriellen Haber-Bosch-Verfahren für die Herstellung von Ammoniak und Düngemitteln stammt. Die Prozesse der chemischen Industrie haben damit seit Beginn des 20. Jahrhunderts globale Effekte auf landwirtschaftliche, biologische, gesellschaftliche und damit auch gesamtpolitische Prozesse.

Nach der Kohle kam das Öl, dann Kunststoff und später Silizium. Integrierte Schaltkreise, die auf den elektronischen Eigenschaften dieses chemischen Elements basieren, rüsteten unsere Rechner mit beispielloser Leistungsfähigkeit aus, mit der sich alle möglichen Arten von Problemen berechnen und simulieren lassen. Das Computerzeitalter mündete im Internetzeitalter mit all seinen erstaunlichen kulturellen Phänomenen, die wir heute erleben können. Aber obwohl wir die globalen kulturellen Auswirkungen, die das Internetzeitalter mit seinem weltweiten Austausch von Ideen, Meinungen, Mode oder Musikkultur hervorruft, noch nicht verstehen, sind wir auch mit der Dringlichkeit konfrontiert, unsere Erkenntnisse in ein größeres Gesamtbild darüber zu integrieren, wie menschliche Gesellschaften in Zukunft leben wollen. Das Wohlergehen künftiger Generationen hängt von unseren Entscheidungen darüber ab, wie wir unser Wissen teilen und produktiv nutzen wollen.

Wir stehen an einem Scheideweg, aber die Landkarten der vor uns liegenden Gebiete sind zum Teil noch leer. Und das hängt nicht nur mit dem Bedarf an weiterer Forschung über grundlegende chemische, physikalische und biologische Prozesse im Erdsystem zusammen. Wir wissen auch zu wenig über die Interaktion der menschlichen Gesellschaften mit diesem System und über ihren Umgang mit den Herausforderungen des Klimawandels und anderer Umwälzungen für unser planetarisches Umfeld. Wir wissen nicht, welche politischen, wirtschaftlichen und technologischen Maßnahmen uns in eine nachhaltigere Zukunft führen können. Forschung wird uns dabei helfen, die schnellsten und effizientesten Möglichkeiten der Einführung von sicheren und zuverlässigen Netzen aus erneuerbaren Energieträgern zu finden, die weniger schwankungsanfällig sind als die konventionellen fossil oder atomar betriebenen Kraftwerke. Mit diesen Problemen sind viele politische Fragen verknüpft. Betrachtet man eine gut vernetzte, regionale Organisation wie die Europäische Union mit all ihren verschiedenen Meinungen und Interessen, kann man sich vorstellen, wie schwierig es erst sein wird, globale Vereinbarungen in Richtung auf eine nachhaltige Zukunft in der Energieerzeugung zu erzielen.

Paris ist nur der Anfang

Zur Vermeidung einer übermäßigen Klimaerwärmung sind weltweit massive Investitionen in die regenerative Energiegewinnung erforderlich. Die Höchstgrenze von 2° C ist keine willkürliche Festlegung. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass bei noch höheren Temperaturen für viele Regionen weltweit dramatische Folgen zu erwarten sind, die zum Teil schon heute beobachtet werden können. Die Niederschlagsverteilungen werden sich verändern und in einigen Regionen zu extremer Dürre und in anderen zu heftigen Regenfällen führen. Die veränderten Wetterlagen werden Umwälzungen in der Landwirtschaft zur Folge haben und die Wahrscheinlichkeit von Hungersnöten erhöhen. Das wiederum wird in vielen ärmeren Teilen der Erde Migrationsbewegungen und bewaffnete Konflikte auslösen. Die Temperaturerhöhung der Atmosphäre wird sich nicht gleichmäßig verteilen, sodass es in einigen Gebieten sogar kälter werden könnte. Andere Regionen, wie etwa die Region des Persischen Golfs und Teile von Afrika, werden insbesondere in den Sommermonaten wesentliche höhere Temperaturextreme erleben – mit der Folge, dass Menschen während Zeiten extremer Hitze sogar in geschlossenen Räumen leben müssen. Am stärksten werden Entwicklungsländer unter der globalen Erwärmung zu leiden haben. Gleichzeitig sind sie am schlechtesten darauf vorbereitet – und haben das Problem nicht verursacht. Der bei weitem größte Anteil der erzeugten Treibhausgase stammt von den Industrieregionen, hier insbesondere Europa und den USA, wobei aber auch China und andere Schwellenländer inzwischen zu den großen Verursachern zählen.

Der Pariser Vereinbarung kommt eine zentrale Bedeutung zu, sie hat aber auch ihre Kehrseiten. Sie ist nicht bindend und die Länder, die ihre Zusicherungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen nicht einhalten, haben keine Sanktionen zu befürchten. Zudem wurden von vielen Regierungen keine eindeutigen Verfahren zur Messung von Kohlendioxidemissionen festgelegt. Darüber wird weiter diskutiert.

Die Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Strom ist nur eines der zentralen Probleme bei der Bekämpfung des Klimawandels. Die Emissionen, die durch die verschiedenen Formen des Verkehrs entstehen, sei es nun zu Lande, zu Wasser oder in der Luft, lassen sich noch viel schwerer durch die Nutzung nachhaltiger Energiequellen vermeiden, als dies bei der Stromerzeugung der Fall ist. Das gleiche gilt für Emissionen, die in der Landwirtschaft, durch Heizungsanlagen und im Zusammenhang mit industriellen Verfahren anfallen.

Die derzeitige Lage in der Klimapolitik