DUH-Messungen mit erschreckendem Ergebnis

Gesamtbetrachtung: 1.111 Messstellen in 426 Kommunen zeigen mit mehr als 20 µg/m³ bedenkliche NO2-Belastungen

Um über das Ausmaß des Problems zu informieren, hat die DUH neben ihren eigenen Ergebnissen auch alle bereits öffentlich über das Umweltbundesamt zugänglichen amtlichen Messungen sowie Untersuchungen des Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Rundfunkanstalten rbb und SWR sowie des Vereins Green City aus München in einer interaktiven Karte zusammengetragen. Das Ergebnis der Gesamtbetrachtung: 1.111 Messstellen in 426 Städten und Gemeinden zeigen gesundheitlich bedenkliche NO2-Belastungen der Atemluft mit Werten von mehr als 20 µg/m³. An 350 Messstellen in 121 Städten und Gemeinden zeigen die Ergebnisse sogar Überschreitungen des NO2-Luftqualitätswerts von 40 µg/m³.

DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert denn auch: „Wir haben in Deutschland ganz offensichtlich ein flächendeckendes Problem mit giftigem Stickstoffdioxid in unserer Atemluft. Ursache dafür sind vor allem die ungefilterten Abgase aus Dieselmotoren. Die neue Bundesregierung muss ihre Hilfe auf alle Städte und Gemeinden ausdehnen, die unter gesundheitlich bedenklichen NO2-Werten leiden, und nicht nur die wenigen Dutzend Städte mit amtlichen Messpunkten finanziell unterstützen“.

Teilweise mehr als in schmutzigen Metropolen

„Die Ergebnisse unserer Citizen Science Untersuchung zeigen selbst in vielen kleinen und mittelgroßen Gemeinden gesundheitlich bedenkliche Werte und Grenzwertüberschreitungen, die vergleichbar und im Einzelfall gar höher ausfallen als an bekannten Hot Spots der schmutzigen Metropolen Deutschlands. Kleinkinder, Asthmatiker, Lungenvorgeschädigte, Alte und Kranke werden hier buchstäblich im Dieseldunst alleingelassen. Die Kleinstadt Alsfeld in Hessen kämpft zum Beispiel mit einer Luftbelastung von 53.5µg/m³. Auch in Marburg, Esslingen und Aschaffenburg haben wir Werte von über 46µg/m³ gemessen. In allen Städten mit gesundheitlich bedenklichen NO2-Belastungen müssen die Behörden handeln und notfalls mit Diesel-Fahrverboten die ‚Saubere Luft‘ für ihre Bürger durchsetzen“, so Resch weiter.

Aktuelle Studien verschiedener Behörden und von der Industrie unabhängiger Institute zeigen, dass bedenkliche Gesundheitsschäden bereits ab einer Belastung von 20 µg/m³ auftreten. Besonders für Kinder, Schwangere sowie ältere Menschen ist diese Belastung gesundheitsgefährdend. „Daher fordern wir nicht nur dringend die Einhaltung der seit 2010 verbindlich geltenden Grenzwerte von 40 µg/m³, sondern auch eine schnellstmögliche Absenkung des Grenzwerts auf 20 µg/m³. Selbst die Schweiz hat mit 30 µg/m³ bereits seit 1986 einen strengeren Luftqualitätswert als die EU“, so Resch weiter.

EUA und UBA warnen ebenfalls

In ihrem jährlichen Bericht über die Luftqualität in Europa und die daraus resultierenden Gesundheitsschäden hatte die Europäische Umweltagentur EEA im Herbst 2017 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung auf jährlich 12.860 vorzeitige Todesfälle allein in Deutschland beziffert (solarify.eu/europaeischer-luftqualitaetsindex). Auch das Umweltbundesamt (siehe solarify.eu/uba-erhebliche-gesundheitsbelastungen-durch-no2) hat mit seiner am 08.03.2018 veröffentlichten Studie zu den Gesundheitsfolgen der NO2-Belastung unserer Atemluft davor gewarnt, dass schon bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes jährlich über 800.000 Atemwegs-, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes sowie 6.000 vorzeitige Todesfälle zu verzeichnen seien.

Um die bundesweite Datenlage weiter zu verbessern, plant die DUH eine zweite Messaktion für ungefähr 500 Orte in Deutschland im Juni 2018. Wie schon bei der ersten Mitmachaktion können Bürger Straßenabschnitte in ihrer Gemeinde mit einer besonders hohen Luftverschmutzung über die Internetadresse http://www.duh.de/abgasalarm melden.

Hintergrund: Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Leipzig vom 27.02.2018 zur Rechtmäßigkeit von Diesel-Fahrverboten bereiten erste Städte wie Hamburg Fahrverbote ab April 2018 vor. In den laufenden Gerichtsverfahren der DUH in derzeit insgesamt 19 Städten mit deutlichen Grenzwertüberschreitungen rechnet der Umwelt- und Verbraucherschutzverband mit vielen weiteren Diesel-Fahrverboten ab Herbst dieses Jahres für Diesel schlechter als Abgasstufe Euro 5. 40 weitere stark belastete Städte bzw. die für die Luftreinhaltung zuständigen Länder wurden zwischenzeitlich von der DUH aufgefordert, die Grundsatzentscheidung des BVerwG nun umzusetzen. Zuletzt hatte die EU-Kommission im Laufe des Vertragsverletzungsverfahrens von der Bundesregierung wirksame Maßnahmen eingefordert und eine kurzfristige Entscheidung über die Klageerhebung der EU gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshofs angekündigt.
Wie die DUH ankündigte, will sie nun die zuständigen Landesbehörden über die Ergebnisse der NO2-Hot Spot-Messungen informieren und umgehend Maßnahmen zur Absenkung der gesundheitlich bedenklichen NO2-Belastung sowie die Einführung amtlicher Messungen fordern. Von der Bundesregierung fordert die DUH die Ausdehnung des „Sofortprogramms für Saubere Luft“ auf alle Städte und Gemeinden mit gesundheitlich bedenklichen Werten, d.h. oberhalb von 20 µg/m³. Aus Sicht der DUH kann es nicht sein, dass die Bundesregierung nur den Städten und Gemeinden hilft, die eine amtliche verkehrsnahe Messstation haben. Um die notwendigen Diesel-Fahrverbote auf möglichst wenige Fahrzeuge zu beschränken, muss die Bundesregierung sicherstellen, dass schnell eine wirksame technische Nachrüstung aller Diesel der Abgasnorm Euro 5+6 auf Kosten der jeweiligen Hersteller im Rahmen eines amtlichen Rückrufs erfolgt.

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