„Wechselseitiges, bilaterales Lernen zur Beschleunigung der Energiewende“

Deutsche, aber auch japanische Experten berufen sich häufig auf die deutsche Energiewende als Referenzfall und empfehlen der japanischen Regierung diesem Beispiel zu folgen. Inwieweit sind die deutschen Erfahrungen auf Japan übertragbar?

Japan geht in Teilen bereits den gleichen Weg. Es hat Deutschland inzwischen durch allerdings hohe und volkswirtschaftlich recht teure Einspeisetarife beim Kapazitätsausbau von PV bereits überholt. Bei Windkraft besteht jedoch auf Grund fehlender positiver Rahmenbedingungen ein enormer Nachholbedarf. Insofern sind die deutschen Erfahrungen im Prinzip übertragbar, jedoch wird die Insellage voraussichtlich stärkere und damit teurere Flexibilitätsmaßnahmen zum Ausgleich der Schwankungen bei Solar- und Windstrom erfordern. Durch die Liberalisierung und Deregulierung des europäischen Strommarkts hat Deutschland zudem derzeit einen Vorsprung von etwa zwei Jahrzehnten bei der Öffnnung der Strommärkte. Nachholbedarf gibt es in Japan auch bei der Energieeffizienz in Gebäuden, obwohl auch Deutschland bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestandes und bei der Anhebung der jährlichen Sanierungsrate erhebliche Defizite aufweist.

Andererseits besitzt Japan ein hervorragendes städtisches und nationales Schienenverkehrssystem, von dem Deutschland nur träumen kann. Wechselseitiges Lernen auf „gleicher Augenhöhe“ kann daher ein wesentlicher Faktor für die Beschleunigung der Energiewende in beiden Ländern sein.

Die kommunale Energiewirtschaft, Bürgerenergie-Genossenschaften und andere regionale energiepolitische Akteure sind wesentliche Treiber der deutschen Energiewende. Welche Voraussetzungen liegen für eine stärker dezentralisierte Energieversorgung in Japan vor?

Die Dynamik zur Ausweitung der dezentralen, regenerativen Energieerzeugung („community power“) in Japan ist enorm. Gründe hierfür sind die Strommarktöffnung in 2012 für den Wettbewerb um Endkunden, attraktive Geschäftsfelder für Kuppelprodukte (z.B. Elektrizität und IKT-Dienstleistungen), die regionale Opposition gegen die Atomenergie sowie örtliche/kommunale Strategien zur Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe und der Resilienz gegen Naturkatastrophen.

Allerdings unterscheiden sich die Ausgangsbedingungen und auch die institutionell-rechtlichen Rahmenbedingungen beträchtlich. In Deutschland gibt es eine über Jahrzehnte gewachsene Struktur von etwa 1.000 Stadtwerken, einen erstaunlichen Aufschwung von derzeit etwa 850 Bürgerenergiegenossenschaften und insgesamt etwa 2 Mio. dezentrale Energieanbieter, insbesondere sogenannte Prosumer, die zeitweilig ihren Überschussstrom aus PV ins Netz einspeisen.

In Japan haben 2016 etwa 800 „Power Producer and Supplier“ (PPS) eine Zulassung beantragt, und etwa 135 haben damit begonnen, tatsächlich Strom zu liefern. Zwei Drittel dieses noch kleinen Markts (Anteil am Gesamtvolumen 2016: 9%) werden aber von (Groß-)Unternehmen aus der Gas-, Kommunikations- und Ölwirtschaft beliefert. Trotz widriger Umstände (es fehlt z.B. zur Unterstützung eines Wettbewerbs um Netze ein Kartell-, Konzessions- und kommunales Wegerecht wie in Deutschland), ist das Interesse am Aufbau von Stadtwerken sehr groß. Inzwischen hat sich ein mit dem VKU kooperierendes „Japan Stadtwerke Network“ (2017) gebildet, 30 Stadtwerke sind neu gegründet worden und in etwa 130 Kommunen gibt es Planungen zum Aufbau von Stadtwerken.

Auf Initiative von Wuppertal Institut, ECOS Consult/Osnabrück, Hennicke.Consult und in Kooperation mit den Institut of Energy Economics Japan (Tokyo) wurde im Jahr 2016 der „German-Japanese Energy Transition Council“ (GJETC) ins Leben gerufen. Welche Struktur und welche Aufgaben hat dieser Rat, und wie ist sein Selbstverständnis?

Die folgende Grafik zeigt die Struktur des Rates:

Struktur des GJETC – Grafik © Wuppertal-Institut.JPG

Der GJETC versteht sich als ein internationales Modell der kontinuierlichen bilateralen Politikberatung, der möglichst regierungsnah, aber unabhängig von politischer Einflussnahme arbeitet. Er hat in vier Sitzungen (Tokyo/Berlin), mit drei Stakeholder-Dialogen (Industrie, dezentrale Akteure, Unternehmen der Energieeffizienz), mit der Veröffentlichung eines umfangreichen Studienprogramms, zehn strategischen Inputpapieren und einem „Report 2018“ ein umfangreiches Programm absolviert.

Seit seiner Gründung im Mai 2016 hat der „German-Japanese Energy Transition Council“ (GJETC) energiepolitische und -wirtschaftliche Schlüsselfragen analysiert, gemeinsame Herausforderungen identifiziert und Unterschiede in Wahrnehmung, Konzepten und Rahmenbedingungen diskutiert, um basierend darauf Empfehlungen für Politik, Industrie und Zivilgesellschaft beider Länder zu geben. Ziel ist es, langfristige Perspektiven auf dem Weg zum ambitionierten Ziel der Energiewende aufzuzeigen.

Der GJETC ist in seiner Form, Kontinuität und Größenordnung ein weltweit bisher einzigartiges Energiewende-Kooperationsprojekt. Das gemeinsam von Wuppertal Institut, ECOS Consult, Hennicke.Consult und dem Institute of Energy Economics Japan (IEEJ/Tokyo) im Frühjahr 2016 ins Leben gerufene Projekt wird durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), die Stiftung Mercator, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und das Japanese Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) gefördert. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) unterstützen das Projekt. Auf deutscher Seite koordiniert das Wuppertal Institut zusammen mit ECOS Consult die Ratsarbeit als Sekretariat, auf japanischer Seite übernimmt diese Aufgabe das Institute of Energy Economics Japan (IEEJ). Der Rat kam in den letzten zwei Jahren jeweils halbjährlich zusammen.

Folgt: Der GJETC hat im April seinen „Report 2018“ vorgelegt. Was sind die wesentlichen Ergebnisse der bisherigen Ratsarbeit in der Periode 2016-2018 und welche weiteren Planungen gibt es?