Klimaziel wird offiziell verfehlt

Klimaschutzbericht 2017 liegt als Unterrichtung vor

Jetzt ist es amtlich: Deutschland verfehlt sein Klimaziel für 2020. Statt der bis dahin zu erreichenden Verringerung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent prognostiziert die Bundesregierung – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag – eine tatsächliche Minderung um 32 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990. Dies geht aus dem 96seitigen Klimaschutzbericht 2017 hervor, der jetzt als Unterrichtung vorliegt (19/2780). Die Prognose bezieht sich demnach auf die bisher umgesetzten Klimaschutzmaßnahmen. Als Gründe dafür führt die Bundesregierung unter anderem „unerwartete“ Entwicklungen an, wie die dynamische Konjunkturentwicklung und das Bevölkerungswachstum“.

905 statt 750 Mio. t Treibhausgas

Das 40-Prozent-Ziel bedeute eine „Gesamtminderung um etwa 500 auf 750 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente“, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. Bis 2016 hätten in Deutschland die Treibhausgasemissionen um rund 27 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 auf 909 Mio. t CO2-Äquivalente gesenkt werden können: „Für 2017 zeigen die aktuellen Schätzungen des Umweltbundesamtes eine leichte Absenkung auf 905 Mio. t CO2-Äq. und damit eine leichte Verbesserung auf 28 Prozent Minderung.“

Jetzt allerdings „ist davon auszugehen, dass mit den bisher umgesetzten Maßnahmen bis 2020 eine Minderung der Treibhausgasemissionen um etwa 32 Prozent gegenüber 1990 erreicht wird. Dies wird zu einer Lücke von etwa 8 Prozent führen. Gründe hierfür sind unter anderem die in den vergangenen Jahren unerwartet dynamische Konjunkturentwicklung sowie das unerwartet deutliche Bevölkerungswachstum.“

[note Sorgenkind Verkehr
„Der nationale Verkehr hatte im Basisjahr 1990 mit 163 Mio. t CO2-Äquivalenten einen Anteil von 13,0 Prozent an den Treibhausgasemissionen. Der Anteil stieg bis auf 17,7 Prozent bzw. 185 Mio. t CO2-Äquivalente 1999 an und ging zwischenzeitlich bis zum Jahr 2009 zurück. Seit 2010 nehmen die Emissionen wieder kontinuierlich zu und haben 2016 mit 166 Mio. t CO2-Äquivalenten oder 18,2 Prozent der Gesamtemissionen das Niveau von 1990 wieder leicht überschritten.
Im aktuellen Projektionsbericht wird eine Verringerung der Emissionen im Sektor Verkehr (ohne Emissionen aus internationalem Verkehr) 2020 auf rund 157 Mio. t CO2-Äquivalente für möglich gehalten. Aufgrund des tatsächlichen Anstiegs der Emissionen in den vergangenen Jahren und der aktuelleren Schätzung zur Minderungswirkung der Maßnahmen des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 ist diese Projektion jedoch vorsichtig zu beurteilen.“]

Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 der Bundesregierung hätte eigentlich 62 bis 78 Mio. t CO2-Äquivalente weniger als Beitrag zur Schließung der genannten Lücke erbringen sollen, ein Gesamtbetrag, der sich aus mehr als 110 Einzelmaßnahmen zusammensetzt. Die Aktualisierung der geschätzten Minderungswirkungen dieser Einzelmaßnahmen nahm ein Gutachterkonsortium vor. Die aktuelle Quantifizierung zeigt, so der Klimaschutzbericht 2017, „dass die Maßnahmen des Aktionsprogramms wirken und ein nicht unerheblicher Beitrag zur Schließung der Lücke erwartet werden kann. Allerdings zeigt die aktuelle Schätzung auch, dass die insgesamt erwartete Minderungswirkung der Einzelmaßnahmen mit 40 bis 52 Mio. t CO2-Äq. für 2020 unterhalb der des Jahres 2014 liegt.“ Folglich „kann abgeschätzt werden, dass die Maßnahmen voraussichtlich nicht die erhoffte Minderung bis 2020 werden liefern können.“ Dennoch müssten die Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, wenn die im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 avisierten Minderungen tatsächlich erreicht werden sollten. Allerdings sehe der Koalitionsvertrag Ergänzungen vor, „um die Handlungslücke so schnell wie möglich zu schließen“. Darüber hinaus erarbeite die Bundesregierung „ein Maßnahmenprogramm 2030 zum Klimaschutzplan 2050„.

Die Regierung erwartet auch „positive ökonomische Wirkungen“, beispielsweise eine deutliche Reduzierung der Importabhängigkeit dank erhöhter Energieeffizienz. Auch entstehe durch die beförderte Entwicklung neuer Technologien bleibende Wertschöpfung; das wiederum schaffe und sichere Arbeitsplätze.

Etappen auf Weg zu weitgehender Treibhausgasneutralität bis 2050

Die „so schnell wie möglich zu schließende Handlungslücke“ sei aber lediglich eine Etappe – ebenso wie das 55-Prozent-Ziel für 2030 – auf dem Weg zu einer weitgehenden Treibhausgasneutralität bis 2050. Für die Zeit nach 2020 gebe der Klimaschutzplan 2050 „eine wichtige Orientierung“ und setze „bis 2030 konkrete Ziele“.

Abschließend folgen zwei Absätze, die ziemlich selbstverständlich klingen – der letzte Satz lobt nutzbares Potenzial durch „Mitbestimmung und Teilhabe“: „Klimaschutz ist und bleibt ein wesentlicher Baustein zum Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen auf der Erde. Die Begrenzung des durch den Menschen verursachten Klimawandels und die Anpassung an nicht zu verhindernde Veränderungen sind gesellschaftliche Aufgaben von höchster Priorität. Die Bundesregierung stellt sich nach wie vor dieser Herausforderung und wird den eingeschlagenen Weg fortsetzen.

Dabei ist Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der das Wissen um die Zusammenhänge und die Akzeptanz für ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen. Die gemeinschaftliche Verantwortung, auf die es hier ankommt, wird entscheidend durch Mitbestimmung und Teilhabe befördert. Dieses Potenzial konnten wir bei der Suche und der Entwicklung der Klimaschutzmaßnahmen durch das Aktionsbündnis Klimaschutz 2020 nutzen.“

[note Solarify meint: Merkwürdig, dass im Klimaschutzbericht 2017 das Wort „Kohleausstieg“ nicht vorkommt, ebenso wenig „E-Fuels“ oder synthetische Treibstoffe. Welches „Potenzial“ von „wir“ (das Wort kommt ein einziges Mal vor) genutzt werden konnte – und warum trotz des genutzten Potenzials und trotz beschwörender Wahlkampfreden bis zuletzt unterm Strich minus acht Prozentpunkte stehen – und unsere internationale Reputation beschädigen – erhellt sich nicht.]

->Quellen: