Steigt Meeresspiegel noch schneller?

Bundesregierung verweist auf neuere Untersuchungen zum Klimawandel

Die Bundesregierung schließe nicht aus, dass der Pegel an Nord- und Ostsee deutlich höher und schneller steige als bislang angenommen, schrieb Dirk Fisser am 02.08.2018 in der Neuen Osnabrücker Zeitung und berief sich auf eine Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Abgeordneten Julia Verlinden (Bündnis90/Die Grünen).

Strand von Fehmarn-Burg-Südstrand – bald überflutet? – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify 20180421

Darin schreibt Umwelt-Staatssekretär Florian Pronold (SPD), neue Arbeiten in diesem Zusammenhang ließen es möglich erscheinen, dass es zu einem höheren und beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels als bislang angenommen kommen könne. Mit „bislang angenommen“ sind offenbar IPCC-Schätzungen von 2013 gemeint. Nach denen steigt der Meeresspiegel bis Ende des 21. Jahrhunderts um 26 bis 55 Zentimeter an – aber nur, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen deutlich reduziert wird, was bisher nicht der Fall ist. Im ungünstigsten Szenario rechnet der IPCC mit einem Anstieg um 45 bis 82 Zentimeter. Schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hielt es der IPCC aber für möglich, dass es auch deutlich mehr sein könnten.  Neuere wissenschaftliche Untersuchungen hatten zuletzt  in der Tat ergeben, dass auch noch extremere Varianten denkbar seien.

Bereits bei den Annahmen von 2013 kann Pronold für die deutschen Inseln und Küsten nicht sagen, „inwieweit mögliche Gebiete unbewohnbar sein werden.“ Ein Arbeitskreis von Bund und Ländern arbeite „an einer Strategie zum Umgang mit dem Meeresspiegelanstieg“.

Frage und Antwort im Wortlaut: „Abgeordnete Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Welche Veränderung des Meeresspiegels sind nach Kenntnis der Bundesregierung an Nord- und Ostsee in Deutschland zu erwarten, wenn die Durchschnittstemperatur bis 2050 um 2° Celsius ansteigt (vgl. Vortrag DWD dwd.de/DE/klimaumwelt/termine/klimatagung/programm_vortraege/vortrag_walter_dwd.pdf), und welche Gebiete auf den Inseln und an Küsten von Nord- und Ostsee in Deutschland könnten nach Einschätzung der Bundesregierung unbewohnbar werden bzw. nur unter extrem hohen Kosten bewohnbar bleiben (bitte auflisten)?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Florian Pronold vom 27. Juli 2018: Der Bundesregierung liegen derzeit nicht die für die angefragte Bewertung erforderlichen genauen Zahlenwerte vor, welche Veränderungen und mögliche Einschränkungen durch den Meeresspiegelanstieg an der Nord- und Ostseeküste, insbesondere auf den Inseln, zu erwarten sind und inwieweit mögliche Gebiete unbewohnbar sein werden. Der Meeresspiegelanstieg ist Gegenstand fortlaufender wissenschaftlicher Diskussionen. Neuere Arbeiten in diesem Zusammenhang lassen es möglich erscheinen, dass es zu einem höheren und beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels kommen kann, als bislang vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in seinem 5. Sachstandsbericht 2013 angenommen worden war. Um mögliche, mit dem Meeresspiegelanstieg zusammenhängende Gefahren und Anpassungsnotwendigkeiten frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Verringerung der Betroffenheit zu identifizieren und umzusetzen, erarbeitet die interministerielle Arbeitsgruppe Anpassung (IMAA) unter der Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) derzeit an einer Strategie zum Umgang mit dem Meeresspiegelanstieg im Ressortkreis und mit den Bundesländern. Die wissenschaftlichen Einrichtungen der Bundesregierung prüfen die neuen wissenschaftlichen Arbeiten zum Meeresspiegelanstieg. Wichtige Basis für die Identifizierung von Handlungsoptionen wird in diesem Zusammenhang der ‚IPCC-Sonderbericht über die Ozeane und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima‘ sein, der im September 2019 erwartet wird. Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes liegt die Zuständigkeit für Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes sowohl im Binnenland als auch an der Küste bei den Ländern. Der Bund kann bis zu 70 Prozent der Investitionskosten der von den Bundesländern durchgeführten Küstenschutzmaßnahmen übernehmen. Die hierfür erforderlichen Mittel stellt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“'(GAK) bereit.“

Grüne fordern konsequente Klimapolitik

Verlinden sprach daraufhin von „düsteren Aussichten“ für Küsten und Inseln: „Selbst die Bundesregierung spricht inzwischen von einem stärkeren Meeresspiegelanstieg als noch vor fünf Jahren angenommen. Wir brauchen endlich eine konsequente Klimaschutzpolitik, um einen noch viel stärkeren Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern“. Das bedeute Umsteuern in Landwirtschaft, Verkehr und Energieversorgung. „Gleichzeitig müssen Bundesregierung und Landesregierungen viel mehr für Vorsorge und Schutzmaßnahmen in den betroffenen Regionen im Norden tun.“

Als Ursachen für den Anstieg der Meere sieht die Wissenschaft das Abschmelzen der Gletscher sowie der Eiskappen in Grönland und der Antarktis an, aber auch die Ausdehnung des Wassers durch Erwärmung. Dabei erhitzt sich die Nordsee doppelt so schnell wie ansere Ozeane. Deren Durchschnittstemperatur stieg in den vergangenen 45 Jahren um 1,67 Grad Celsius – gegenüber nur 0,74 Grad waren. Das teilte das Bundesumweltministerium 2017 mit. Dabei bezog sich die Regierung auf Daten des Weltklimarates IPCC und des Alfred-Wegener-Instituts bis zum Jahr 2010.

Lies will Klimaschutz als Staatsziel für Niedersachsen

Im Klimareport des niedersächsischen Umweltministeriums ist unter Berufung auf den IPCC sogar von bis zu 100 Zentimetern die Rede. Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat daraufhin im Juni ein Landesklimagesetz mit eigenen Klimaschutzzielen angekündigt. Erst in dieser Woche kündigte er an, den Klimaschutz als Staatsziel in der niedersächsischen Verfassung zu verankern. Laut dem Umweltministerium in Hannover stellt der Meeresspiegelanstieg die bedeutendste Herausforderung für den Schutz der Küstenregion Niedersachsens dar.

->Quellen: