Altmaiers Haushaltsrede

Wirtschaftsaufschwung, Innovation und Industriestrategie, Netzausbau und Energiewende

Am 13.09.2018 hielt der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, im Rahmen der Einbringung des Haushalt seines Ministeriums im Rahmen der allgemeinen Debatte über das Haushaltsgesetz 2019 vor dem Deutschen Bundestag in Berlin eine Rede. Solarify dokumentiert sie in Ausschnitten.

Archiv Peter Altmaier vor Bundestagsplenum – Screenshot © bundestagsfernsehen

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist ungefähr so wie das Wetter der letzten Monate. Wir sind im neunten Jahr eines kräftigen Wirtschaftsaufschwungs. Die Auftragsbücher sind voll. In den Unternehmen werden Überstunden und Überschichten gemacht. Die Lieferfristen verlängern sich mancherorts, weil die Aufträge schneller erteilt werden, als sie ausgeführt werden können.

Das ist ein großes Kompliment an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Es macht deutlich, dass die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig ist und diese Wettbewerbsfähigkeit auch in den letzten Monaten international verteidigt hat. Und was noch wichtiger ist: Nach der Herbstprognose der führenden Forschungsinstitute wird sich der Aufschwung auch im nächsten Jahr fortsetzen. Wir werden dann einen Aufschwung haben, der der längste seit 1966 ist, seit über einem halben Jahrhundert. Es liegt an uns, ob wir jetzt die Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Aufschwung auch in den nächsten Jahren weitergeht; denn er kommt bei den Menschen zunehmend an. Löhne und Renten steigen kräftig, die Beschäftigung steigt in einem Ausmaß, das niemand für möglich gehalten hätte. Wir werden alleine in diesem Jahr rund 600.000 neue Erwerbstätige haben, und im nächsten Jahr werden wir die Schallmauer von 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland durchbrechen. Das ist die höchste Zahl von Erwerbstätigen, die es jemals in unserem Land gegeben hat…

Innovation und Entwurf einer Industriestrategie

Das zweite große Thema für die Zukunft ist die Innovation. Hier erwarten Mittelständler, Handwerker und Unternehmen, dass der Staat ihnen dabei hilft, die rasend schnellen Veränderungen, die es auf internationaler Ebene gibt, nachzuvollziehen, umzusetzen und dafür zu sorgen, dass „made in Germany“ auch in Zukunft nicht nur populär ist, sondern auch ein Garant für höchste Innovationen, für höchste Qualität, für höchsten technischen Fortschritt darstellt. Wir haben dies in vielen Bereichen gleichzeitig zu thematisieren, weil wir erleben, dass durch die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, dass durch die Entwicklung der Batteriezellproduktion weltweit, dass durch 3-D-Druck und viele andere Innovationen, die innerhalb von wenigen Jahren dazu führen, dass die Claims weltweit neu abgesteckt werden, auch die Frage, wo die künftigen Arbeitsplätze entstehen, eine ganz neue Dynamik gewonnen hat. Deshalb werde ich als Bundeswirtschaftsminister gemeinsam mit der Wirtschaft, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen den Entwurf einer Industriestrategie vorlegen, die sicherstellt, dass Deutschland auch in Zukunft einen hohen Anteil an Industriearbeitsplätzen hat und dass wir unsere traditionellen industriellen Kapazitäten mit den neuen Innovationen im Bereich der Digitalisierung so verbinden, dass wir auch dort vorne sind.

Wir haben die ersten Maßnahmen bereits umgesetzt. Wir – meine Kollegin Anja Karliczek und ich als Wirtschaftsminister – haben im zivilen Bereich gemeinsam eine Agentur für Sprunginnovationen auf den Weg gebracht und eine weitere für den Bereich Cybersecurity, von innerer und äußerer Sicherheit, weil wir wollen, dass diese neuen Innovationen eben auch in Deutschland umgesetzt werden. Denn es kann nicht sein, dass wir in Deutschland die Dinge nur erforschen und fördern und andere Länder sie dann praktisch umsetzen…

Klima- und Umweltschutz: Auf nachhaltige Lösungen setzen – Sonderausschreibung kommt

Wir werden die wirtschaftlichen Herausforderungen nur bewältigen, wenn wir auch im Bereich von Klima- und Umweltschutz auf nachhaltige Lösungen setzen. Weil das in den früheren Debatten ein Thema war, haben wir die Sommerferien genutzt und uns Gedanken gemacht, wie wir die zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages durchaus strittigen Fragen im Bereich der Sonderausschreibung für erneuerbare Energien, im Bereich des Weitergangs der Energiewende gemeinsam lösen können. Wir werden noch einige wichtige und nicht ganz einfache Gespräche zu führen haben. Aber ich werde mich dafür einsetzen, dass wir noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag einbringen, damit dieses Gesetz, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, Ende des Jahres in Kraft treten kann.

Strukturwandelkommission (Kohlekommission) – sozialverträglich

Dann müssen wir dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit sowie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit nicht zwei Gegensätze, sondern zwei Seiten ein und derselben Medaille sind. Deshalb haben wir eine Strukturwandelkommission eingesetzt, die sich mit den Fragen des Strukturwandels beschäftigt, den Deutschland in den nächsten Jahren zu bewältigen hat. In dieser Kommission arbeiten hervorragende Vertreter aus Wirtschaft, von Umweltverbänden, von Arbeitergebern und Arbeitnehmern mit, um ein zukunftsfähiges Konzept auch für diejenigen Regionen, die heute noch sehr stark durch Kohleverstromung – Steinkohle wie Braunkohle gleichermaßen – geprägt sind, zu entwickeln.

Was wir tun werden, um den Strukturwandel sozialverträglich zu ermöglichen, ist das eine; auch die Sorgen der Menschen während des gesamten Prozesses wahrnehmen und ernst nehmen, ist das andere. Ohne den Ergebnissen dieser Kommission vorzugreifen: Ich bin überzeugt, dass wir diesen Strukturwandel nur dann sozialverträglich hinbekommen werden, wenn wir den Beschäftigten die Gewissheit geben, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird; denn sie verlieren ihren Arbeitsplatz nicht, weil ihr Unternehmen schlechte Arbeit leistet oder sie selbst schlechte Arbeit leisten. Der Strukturwandel ist notwendig, weil wir uns in Deutschland hin zu weniger CO2, hin zu mehr Klimaschutz committed, verpflichtet haben. Deshalb müssen wir diesen Menschen eine Perspektive geben. Wir müssen auch dafür sorgen, dass mindestens so viele neue Stellen geschaffen werden – der Großteil von der privaten Wirtschaft selbstverständlich – wie wegfallen, damit die Menschen in den Regionen die Gewinner und nicht die Verlierer dieses Prozesses sind.

Hambacher Forst – unternehmerische Entscheidung nicht denunzieren

Sehr geehrte Frau Kollegin Leidig, zu Ihrer Frage möchte ich Ihnen sagen, dass die Fakten doch so bleiben, wie sie sind: Es hat zum Thema „Hambacher Forst“ seit vielen Jahren Debatten und Diskussionen gegeben, und es hat eine Regierung in Nordrhein-Westfalen gegeben, der meine Partei nicht angehört hat, nämlich eine Regierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die sich auf ein Gesamtpaket geeinigt hat. Dieses Paket ist vor Gericht angegriffen worden. Die gerichtlichen Urteile sind so, wie sie sind.

Es hat in den vergangenen Tagen und Wochen Gespräche gegeben, und diese Gespräche sind unter der Führung der örtlich Verantwortlichen geführt worden. Der Bundeswirtschaftsminister hat diese Gespräche interessiert verfolgt. Er hat sich auch mit seinem Rat und mit seinen Auffassungen dabei zur Verfügung gestellt. Aber: Ich finde, es ist nicht in Ordnung, wenn Sie eine unternehmerische Entscheidung, die durch Gerichte bestätigt ist, die durch Parlamente bestätigt ist, die durch demokratische Mehrheiten bestätigt ist, in dieser Art und Weise hier denunzieren.

Netzausbau – Energiewende

Wir wollen erreichen, dass die Energiewende auch dadurch zum Erfolg wird, dass wir die Netze so ausbauen, dass der Strom von Nord nach Süd und von Ost nach West transportiert werden kann. Wir haben bei der Energiewende große Fortschritte gemacht. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist heute zu weitaus geringeren Kosten möglich als in früheren Jahren, weil wir ihn marktwirtschaftlicher gemacht haben. Beim Ausbau der Stromnetze sind wir nicht vergleichbar vorangekommen.

Ich habe Ihnen in der letzten Haushaltsdebatte versprochen, mich selbst bis zum Ende dieses Jahres an allen wesentlichen Schwerpunkten der Netzausbauproblematik schlau und kundig zu machen und mit allen Beteiligten zu reden. Genau das habe ich getan. Ich habe eine Netzausbau-Reise unternommen. Was mich am meisten erschüttert hat, war, dass in vielen Fällen die Betroffenen seit Jahren nicht miteinander geredet haben. Das haben wir beendet, und wir werden alles tun, damit wir bis zur Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten erkennbare Fortschritte haben. Auch das trägt dazu bei, dass die Energiewende vorangeht und dass sie am Ende bezahlbar bleibt und gelingt.

Finanzielle Forschungsförderung regeln – energetische Gebäudesanierung vereinbaren

Viele reden über Finanzüberschüsse, viele reden darüber, wie sie die Mehreinnahmen, die sie erwarten, vernünftig ausgeben können. Der Bundeswirtschaftsminister ist ein Bundesgenosse des Bundesfinanzministers, wenn es darum geht, eine nachhaltige, solide Finanzpolitik zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. Wenn sich aber Finanzierungsspielräume ergeben, dann sollten wir darauf achten, dass sie so genutzt werden, dass sie das wirtschaftliche Wachstum verstetigen, und dann sollten wir dafür sorgen, dass sie so genutzt werden, dass sie neue Investitionen und neue Unternehmensgründungen ermöglichen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die finanzielle Forschungsförderung regeln. Deshalb ist es wichtig, dass wir in den nächsten Monaten die energetische Gebäudesanierung vereinbaren, und deshalb ist es wichtig, dass wir auch über Entlastungen der Wirtschaft dort reden, wo es nötig ist, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft gewährleistet ist.

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