Medien im Hitzesommer 2018

„Sterbende Fische, lebendiger Journalismus“ – Bestandsaufnahme des Klimajournalismus
Mit freundlicher Genehmigung von klimafakten.de

„Fast punktgenau mit dem Herbstbeginn zieht über unserer Redaktion in Berlin die erste ergiebige Regenfront heran und beendet damit eine seit April herrschende Dürre“, damit leitete die klimafakten-Redaktion am 24.09.2018 eine außergewöhnliche (und verdienstvolle) Bilanz des Rekordsommers ein: eine „Bestandsaufnahme des Klimajournalismus„, eine vorläufige Bilanz, inwieweit Dürre und Hitze zu einem Aufmerksamkeits- und Bewusstseinsschub für das Thema Klimawandel geführt haben – und ob hiervon vielleicht sogar Effekte für die Klimapolitik zu erwarten sind.

Dürre im Stadtpark in Duisburg – Sommer 2018 – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Ergebnisse der klimafakten-Rundumschau sind zwiespältig: Zwar haben Journalisten mit einer bisher selten zu beobachtenden Intensität über die Wetterereignisse berichtet. Sie sind dabei vielfach fundiert und detailreich auch dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwetter nachgegangen. Nicht zuletzt waren die direkte Betroffenheit, die spürbaren Auswirkungen bei Landwirten, Feuerwehren, Notärzten oder hitzegestressten Großstädtern Thema zahlreicher eindrücklicher Berichte und Reportagen. Doch ließ die mediale Aufmerksamkeit schon mit dem Zurückweichen der größten Hitze nach, trotz weiter anhaltender Dürre. Vor allem aber sind langer Atem, journalistisches „Dranbleiben“ und Nachhaken noch viel zu selten zu sehen – dabei wäre es Aufgabe eines professionellen Klimajournalismus, die Frage nach politischer Verantwortlichkeit und politischem Handeln zu stellen. Und zwar auch dann noch, wenn das Großereignis Extremsommer abgeklungen ist.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch auf der Ebene der lokalen und regionalen Klimapolitik. Fast jeder, den due Redaktion von klimafakten.de nach dem Extremsommer befragt hat, hat ihr bestätigt: So viele Menschen wie noch nie haben die vergangenen Monate mit einem Gefühl der Beklommenheit, einer neuen Aufmerksamkeit für das Klimathema erlebt. Doch was Kommunalpolitiker und Landräte, Bezirkshauptleute oder kommunale Klimaschutzbeauftragte mit einer neuen Unmittelbarkeit erlebt haben – übersetzt sich dies auch auf die Ebene der Bundestags- und Nationalratsabgeordneten in Berlin, Wien und Bern? Und am Ende in konkrete Klimapolitik? Vielleicht ist es zu früh, hierauf bereits eine Antwort finden zu wollen. Aber die Frage stellt sich genau jetzt, zum klimapolitischen Herbstanfang 2018.

Wenn Journalisten in einem Artikel zeigen wollen, dass ein Problem besonders relevant und drängend ist, dann nennen sie zu Beginn eines Textes häufig plastische Beispiele, an denen sich das Problem ablesen lässt. Wenn hingegen politische Beobachter erkennen wollen, welche Themen die gesellschaftlichen Debatten bestimmen, dann werfen sie einen Blick darauf, ob es in der Medienberichterstattung besondere Schwerpunkte gibt, an denen sich die Debattentrends ablesen lassen.

Plastische Formulierungen als Eye-Catcher

In diesem August kam beides zusammen. Ein deutsches Nachrichtenmagazin etwa listete in einer Titelgeschichte über den Extremsommer 2018 auf:

  • In Chemnitz erlässt die Stadtverwaltung ein Verbot, Wasser aus den städtischen Gewässern zu entnehmen.
  • In Gotteszell in Niederbayern muss eine Regionalbahnstrecke gesperrt werden, weil sich in der Hitze die Gleise verformt haben.
  • Und an der Warenterminbörse klettern wegen der erwarteten Ernteausfälle die Notierungen für Kartoffeln.

So zu lesen unter der Überschrift „Der Sommer, der nie endet“. Trotz sinkender Auflagenzahlen zählt das Magazin noch immer zu den Leitmedien im deutschsprachigen Raum. Und war mit seiner Titelstory tatsächlich so etwas wie der Blitzschlag in einer medialen Gewitterfront, die mit fortschreitender Hitze, Dürre und Trockenheit im Sommer 2018 über Leser, Hörer und Zuschauer hereinbrach:

  • Eine Doppelseite in der Welt am Sonntag, in der Pia Heinemann, Ressortchefin des Wissenschaftsteils, analysiert, was Menschen trotz klarer wissenschaftlicher Befunde anfällig macht für Verschwörungstheorien und das Leugnen des Klimawandels.
  • Eine Doppelseite im Schweizer Blick, auf der die Boulevardzeitung unter der Überschrift „Politiker finden ständig Ausreden …“  nicht nur schmelzende Gletscher zeigt und von der Dürre betroffene Land- und Forstwirte vorstellt – sondern mit der Gletscherinitiative ausführlich auch Schweizer Bürger porträtiert, für die das Extremwetter eines der Motive ist, eine Änderung der Bundesverfassung zu fordern.
  • Und ein Brocken von einem Kommentar in der Bild, in dem Kolumnist Franz-Josef Wagner die Bilder in der Hitze verendender Fische zum Anlass nimmt zu fordern: „Alle Klima-Leugner sollen ab jetzt die Klappe halten. Unsere Welt bewegt sich Richtung Hölle.“ Und der in der Frage gipfelt: „Wollen wir Fische sein, oder wollen wir überleben?“

Folgt: Große Bandbreite