Medien im Hitzesommer 2018

Deutschland schwitzt – plötzlich wirkt der Klimawandel nicht mehr weit weg

Entscheidend war aus Schäfers Sicht, dass sich das Extremwetter diesmal nicht in Form von Hurrikanen in den Subtropen oder Waldbränden in Griechenland abspielte – sondern dass Redakteure ebenso wie Leser und Zuschauer direkt betroffen waren: „Der Dürre, der Hitze konnte man nicht ausweichen – die Medien haben daher automatisch die Nähe, die Alltäglichkeit des Themas aufgegriffen. Und im besten Fall dabei aufgezeigt, wie sehr wir existentiell abhängig und betroffen sind von Ressourcen wie Böden, Luft, Wälder und Wasser und damit arbeitenden Zweigen wie der Forst- und Landwirtschaft.“

Ähnlich sieht es der Hamburger Wissenschaftsjournalist Christopher Schrader. „Dieser Sommer hat den Klimawandel von einer intellektuellen auf eine emotionale Ebene gebracht, es war eine sinnliche, körperlich spürbare Erfahrung.“ Potenziert wurde dies möglicherweise durch eine einprägsame Begrifflichkeit. „Der mitten in die Hitze hinein platzende Begriff ‚Heißzeit‚ hat einen Nerv getroffen – dass der entsprechende Forschungsartikel in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) auf dem Höhepunkt der Hitzewelle kam, war vielleicht Zufall, aber kommunikativ betrachtet ein Treffer“, so Schrader. „Allerdings bin ich skeptisch, ob dieser Begriff den Leuten langfristig im Kopf bleiben wird, nachdem die direkte Betroffenheit vorüber ist.“

In der Tat stellt sich die Frage, was bleiben wird, wenn die vielerorts mageren Ernten eingeholt sind, wenn die Nächte wieder erholsame Kühle bringen und sich die Pegel der Flüsse normalisiert haben. Die eigentliche journalistische Aufarbeitung der meteorologischen Extreme müsse jetzt erst anfangen, meint beispielsweise Bernhard Pötter, Journalist bei der Berliner tageszeitung und Beobachter zahlreicher UN-Klimagipfel. Ohnehin ist er vergleichsweise genervt von der journalistischen Standardfrage der vergangenen Wochen: ‚Wetter oder Klima?‘ Pötter: „Ich finde es ist nicht wichtig zu wissen, ob diese Wetterextreme zu 22 Prozent oder zu 28 Prozent auf den Klimawandel zurückzuführen waren – denn offenkundig verläuft ja der Klimawandel schneller, als selbst die alarmistischsten Geister einst meinten.“

Auch Christopher Schrader betrachtet es mit einer gewissen Skepsis, den Unschärfen und Unsicherheiten bei einzelnen Forschungsfragen zum Klimawandel breiten Raum zu geben. „Wenn einzelne Medien weiterhin die vermeintlichen ‚großen Unsicherheiten‘ in der Klimaforschung thematisieren, dann verwenden sie damit eine Chiffre für das, was viele Leser eigentlich gern hören wollen – dass man beim Klimaschutz noch abwarten kann und auf keinen Fall zu viel tun sollte.“

„Politikjournalisten müssen beharrlich nach Klimapolitik fragen“

Vom Wetter zur Politik – taz-Redakteur Bernhard Pötter findet, der Klimajournalismus dürfe nicht stehen bleiben bei der Auseinandersetzung mit ins Auge springenden Wetterphänomenen: „Als Journalisten müssen wir weiter sein. Wir tun immer noch so, als ob der Klimawandel abzuwägen sei gegen Jobs, so als könnte man wie bei Tarifverhandlungen damit verhandeln und Kompromisse schließen – das sind aber physikalische Prozesse, die sich nicht nach Wahlterminen oder dem Betriebsergebnis einzelner Firmen richten.“

In diese Richtung argumentieren auch die befragten Medienforscher. Michael Brüggemann beispielsweise wünscht sich für die Berichterstattung nach dem Dürresommer: „Die Journalisten müssen dranbleiben, auch wenn es wieder fünf Grad kühler wird. Jetzt ist klassischer politischer Journalismus gefragt, der sich als Watchdog gegenüber der Politik versteht. Der beharrlich fragt, ob die Politik die Konsequenzen aus diesem Sommer zieht.“

Torsten Schäfer, der mit dem Web-Portal „Grüner Journalismus“ selbst einen Beitrag zu professionellem Klimajournalismus leisten will, spitzt es politisch noch etwas zu: „Wir haben die Frage nach der politischen Verantwortlichkeit zu lange gewissermaßen privatisiert. Ich würde mir deshalb eine Klimaberichterstattung wünschen, die nicht nur meistens danach fragt, was ‚man‘ jetzt tun kann, sondern was der Staat, was politische Verantwortliche tun können.“

[note Immerhin einen Schritt weiter: Bei Maybrit Illner geht es – anders als im vergangenen Jahr bei ihrer Talkkollegin Sandra Maischberger – nicht mehr um das Ob des Klimawandels, sondern die richtige Reaktion darauf; Foto: Screenshot]

Auch wenn in der Gluthitze des Sommers 2018 nur wenigen nach Lagerfeuer zumute gewesen sein dürfte: Am Ende dieser vorläufigen Medien-Hitze-Bilanz muss sich der Blick noch auf die großen Talkshows richten – die langsam verglühenden, aber immer noch heißen „Lagerfeuer der Nation“. Im vergangenen Jahr machten die großen Talkrunden im deutschen Fernsehen noch einen großen Bogen um das Thema Klimawandel, wie eine Analyse von klimafakten.de zeigte. Einzige Ausnahme bildete eine – inhaltlich dann auch noch umstrittene – Ausgabe der Sendung von Sandra Maischberger in der ARD anlässlich der Verwüstungen des Orkans Xavier im Oktober 2017.

Folgt: Talkshows: Vom Ob des Klimawandels zum Wie der Reaktion darauf