Solides Regelwerk – aber nicht ausreichend zur Abwendung der Klimakrise

Germanwatch, BUND und BEE zum COP24-Ergebnis

Das bei der COP24 vereinbarte Regelbuch ist nach Einschätzung der Umweltorganisationen zwar eine solide Grundlage für die weltweite Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, bedeutet aber nur einen kleinen ersten Schritt.  Germanwatch: „Dieses Regelwerk ist eine solide technische Basis. Aber zur Abwendung der Klimakrise kommt es nun darauf an, dass alle Staaten deutlich mehr politischen Willen zur zügigen Umsetzung des Pariser Abkommens zeigen“, so Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. BUND-Chef Weiger: „Enttäuschend“.  Simone Peter (BEE): „Es liegt bei den Nationalstaaten, was sie aus den Beschlüssen von Kattowitz machen.“

„Für den notwendigen Wandel müssen zum Beispiel weitreichende Transformationspartnerschaften zwischen Staaten zur Umsetzung der Energie- und Verkehrswende vereinbart werden. Dies ist vor allem deswegen ein beachtliches Ergebnis, weil es einige Sabotageversuche aus dem Weißen Haus, von Saudi-Arabien und Brasilien gab.“ Das Ergebnis sei vor allem der Verdienst der ärmsten und durch die Klimakrise verletzlichsten Entwicklungsländer, die sich für starke Beschlüsse eingesetzt haben, so Bals und weiter: Es liegt bei den Nationalstaaten, was sie aus den Beschlüssen von Kattowitz machen.“

„Die Abwendung der Klimakrise ist gerade für diese Länder eine Frage des Überlebens. Auch Deutschland hat durch seine Finanzzusagen und sein Auftreten innerhalb der sogenannten High-Ambition-Koalition von Industrie- und Entwicklungsländern zu diesem Ergebnis konstruktiv beigetragen. Das Ergebnis von Katowice ist auch ein Sieg für den Multilateralismus. Die Bewährungsprobe folgt aber nun, wenn es an die Umsetzung des Pariser Abkommens geht. Wir brauchen jetzt Entscheidungen der Regierungen für ehrgeizigen Klimaschutz zu Hause. Die Klimabewegung, die sich gerade vom Hambacher Wald über Widerstand gegen Pipelines bis zu Klima-Schulstreiks weltweit formiert und auch hier in Katowice sichtbar geworden ist, wird von den Regierungen nun immer vehementer den notwendigen Klimaschutz einfordern.“ In Deutschland muss Anfang des Jahres die Kohlekommission einen Ausstiegspfad beschließen, der mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist, die Verkehrskommission muss die Weichen für eine echte Verkehrswende stellen und das Klimaschutzgesetz muss die notwendigen Maßnahmen wie einen CO2-Preis festschreiben. „Das erlaubt dann auch die Erhöhung des unzureichenden europäischen Klimaziels für 2030, so wie es Deutschland und die EU hier zugesagt haben“, betont Christoph Bals.

COP 24 fordert verbesserte Klimaziele aller Länder bis 2020

Als ein zentrales Ergebnis der Konferenz hebt Germanwatch hervor, dass die Bedeutung der Berichte des Weltklimarats IPCC für die Klimapolitik anerkannt worden sei und alle Staaten aufgefordert seien, bis 2020 nachgebesserte Klimaziele vorzulegen. „Ohne den Widerstand der USA und Saudi-Arabiens wären hier noch eindeutigere Beschlüsse möglich gewesen. Trotzdem macht das Abschlussdokument der Konferenz deutlich: Vor dem Hintergrund des Sonderberichts des Weltklimarats zu 1,5 Grad wird von allen Ländern erwartet, jetzt ihre Klimaziele für 2030 nachzuschärfen“, so Bals.

UN-Generalsekretär Guterres lädt für September 2019 zu einem Sondergipfel ein, auf dem die verbesserten Klimaziele vorgelegt werden sollen.

In den Umsetzungsregeln für das Pariser Klimaabkommen ist es gelungen, einheitliche Vorgaben für alle Länder zur Vergleichbarkeit der nationalen Klimabeiträge und zu den Berichten über ihre Umsetzung zu verankern. Zudem gibt es Übergangsregeln für die Entwicklungsländer, denen bislang die notwendigen Kapazitäten dafür fehlen.

„Das ist ein wichtiger Erfolg von Katowice, denn nur mit einheitlichen Vorgaben kann das Pariser Klimaabkommen funktionieren“, erklärt Bals. „Der Versuch Brasiliens, riesige Schlupflöcher zu schaffen, konnte abgewehrt werden.“ Brasilien habe sich dafür stark gemacht, dass der internationale Emissionshandel nicht im Transparenzregime berücksichtigt wird. Klar ist nun auch, wie die regelmäßigen Überprüfungsrunden ab 2023 ablaufen sollen; die Regeln hierzu bewertet Germanwatch als ausreichend robust. Positiv hervorzuheben ist, dass bei diesen Runden zur Zielkontrolle und Nachschärfung dieser Ziele alle fünf Jahre auch die klimabedingten Schäden und Verluste beachtet werden sollen.

Regeln zur Klimafinanzierung gestärkt – doch mehr Länder müssen Finanzzusagen aufstocken

Mit den Beschlüssen zur Klimafinanzierung seien die Grundlagen gelegt worden, dass auch Entwicklungsländer ihre Emissionen schneller reduzieren und gleichzeitig die Anpassung an schon nicht mehr vermeidbare Klimafolgen stemmen könnten. Die Regeln zur Berichterstattung über geplante und geleistete Klimafinanzierung schafften mehr Planungssicherheit für die Entwicklungsländer, so Bals. „Allerdings sollte es seriöse Praxis sein, in den Berichten klar zwischen Zuschüssen und Krediten zu unterscheiden. Es ist widersinnig, wenn Kredite mit ihrer Gesamtsumme genauso gezählt werden wie Zuschüsse; das muss in einigen Jahren dann verbindlich geregelt werden.“

Ein Erfolg sei aus Sicht von Germanwatch auch, dass die Zukunft des erfolgreichen Anpassungsfonds, der bislang Teil des auslaufenden Kyoto-Protokolls gewesen sei, nun auch unter dem Paris-Abkommen gesichert sei. „Die Regeln und Institutionen zur Klimafinanzierung wurden gestärkt – aber jetzt ist auch mehr Geld notwendig. Mit Ankündigungen zur Verdopplung der Beiträge für den Grünen Klimafonds haben Deutschland und Norwegen vorgelegt, auch die anderen reichen Länder müssen kommendes Jahr ihre Beiträge verdoppeln“, fordert Bals.

Enttäuschend für die vom Klimawandel besonders Betroffen sei, dass keine Fortschritte zur Finanzierung von klimawandelbedingten Schäden und Verlusten gemacht worden seien, die trotz Klimaanpassung nicht mehr abwendbar seien. Die Auswirkungen des Klimawandels würden immer dramatischer – dieses Thema gehöre daher ganz oben auf die Tagesordnung der nächsten Klimakonferenz in Chile.

BUND: Trotz drohender Heißzeit zu wenig Antworten auf die Klimakrise

Ebenfalls enttäuscht zeigte ich der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, das Ergebnis der Weltklimakonferenz in Katowice. „Auf dieser Klimakonferenz wurde die Dringlichkeit der Klimakrise in fast jeder Rede der politisch Verantwortlichen erwähnt – das Ergebnis ist jedoch sehr weit von einer adäquaten Antwort entfernt. Wir sind empört, dass die Regierungen der Klimaschutz-Bremser trotz der schmelzenden Gletscher, brennenden Wälder und trockenen Flüsse sich nicht dazu entschieden haben, den Klimaschutz vor kurzfristige, wirtschaftliche Einzelinteressen zu stellen“, sagt der BUND-Vorsitzende.

Die dringend benötigte Verbesserung aller nationalen Klimaschutzpläne steht aus. „Um eine stetig schlimmer werdende Klimakrise zu verhindern, müssten die Länder ihre Klimaschutzziele entsprechend der 1,5-Grad-Grenze verbessern – das ist in Katowice nicht passiert“, sagt Weiger. Der BUND begrüßt zwar, dass die notwendigen, verbindlichen Regeln für die Vergleichbarkeit von Maßnahmen im Klimaschutz verabschiedet worden sind. Doch allein das Beachten dieser Regeln wird nicht automatisch zu einer Verbesserung des Klimaschutzes führen. Die Kluft zwischen dem Pariser Klimaziel und den dafür notwendigen Klimaschutzmaßnahmen ist nach wie vor zu groß. Deutschland macht da keine Ausnahme und muss jetzt umsteuern.

„Sich nur auf internationalen Konferenzen für einen ambitionierten Klimaschutz einzusetzen genügt nicht. Um glaubwürdig zu sein, muss die Bundesregierung zuerst ihre eigenen Klimaschutz-Ziele erreichen“, sagt Hubert Weiger. „Deutschland erfüllt als hochindustrialisierte Nation alle Voraussetzungen dafür, bei gleichzeitigem wirtschaftlichen Erfolg vor 2030 aus Kohle und Atom auszusteigen. Mit dem Ausstieg aus Kohle und Atom vor 2030 kann die Bundesregierung eine Messlatte legen, die wichtiger ist, als alle Appelle.“

Mit Blick auf die Rolle der Europäischen Union in den internationalen Klimaverhandlungen fordert Weiger: „Die EU muss endlich eine führende Rolle in der internationalen Klimapolitik übernehmen, nicht zuletzt durch das deutliche Anheben der eigenen Klimaschutz-Ziele.“ Erforderlich sei außerdem, dass alle Mitgliedstaaten ihre Klimaschutzanstrengungen verstärken und schnell den Ausstieg aus fossilen Energien einleiten.

Nicht akzeptabel

Ein Ereignis zu Mitte der Verhandlungen stufte Hubert Weiger als nicht akzeptabel ein. Nach der ersten Woche der Verhandlungen waren BUND-Partner aus der Ukraine daran gehindert worden, als zivilgesellschaftliche Beobachter an der Konferenz teilzunehmen. Sie arbeiten mit dem BUND in einem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt, das dem Aufbau zivilgesellschaftlicher Arbeit im Bereich Klimaschutz in der Ukraine, in Georgien und in Kolumbien dient. „Umso skandalöser ist es, dass eine Mitarbeiterin dieses Projekts, die schon seit einer Woche auf der Klimakonferenz war und auf einem Side-Event auf dem Podium saß, morgens im Hotel festgenommen wurde“, sagt Hubert Weiger. „Bis heute ist unklar, was ihr überhaupt vorgeworfen wurde.“ Eine andere Kollegin war an der Grenze festgehalten und zurückgeschickt worden.

Alle sind nun wieder frei, aber: „Polen hat als EU-Mitglied und demokratisches Land die Beteiligung der Zivilgesellschaft extrem eingeschränkt“, kritisiert Weiger. „Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholt und die UN muss garantieren, dass die Freiheitsrechte der Zivilgesellschaft bei zukünftigen Klimakonferenzen nicht eingeschränkt werden.“

BEE: Nach zähem Ringen bleiben tatsächliche Klimaschutzambitionen offen. Klimaschutzgesetz wird für die Umsetzung in Deutschland entscheidend

„Die UN-Klimakonferenz (COP24) im polnischen Kattowitz ist nach einem zähen Ringen um mehr Ambition beim Klimaschutz mit einem unzureichenden Ergebnis zu Ende gegangen“, sagt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). „Die IPCC-Berichte wurden zwar als wegweisend anerkannt und alle Staaten müssen für 2030 bessere Klimaschutzziele vorlegen, wie sie das aber tatsächlich erreichen, ist völlig unklar. Es liegt bei den Nationalstaaten, was sie aus den Beschlüssen von Kattowitz machen.“ Es brauche also weiterhin Vorreiter beim Klimaschutz, die zeigen, dass die Energiewende technisch, ökonomisch und sozial verträglich machbar ist. Die deutsche Bundesregierung sei dringend aufgefordert, dem Klimaschutz wieder mehr Priorität zu geben. Dazu gehöre auch ein Ausstiegspfad für die Kohle.

„Klimaschutz muss in den kommenden Jahren tatsächlich stattfinden und die Erderwärmung in einem für Mensch und Natur noch vertretbaren Bereich gehalten werden. Dazu hat das Regelbuch der COP24 ein Stück weit beigetragen.“ Immerhin gebe es jetzt gemeinsame Regeln für alle, zum Beispiel Transparenzregeln und Standards zur CO2-Erfassung.

Deutschland selbst stehe unter Druck, da es mit den derzeit unzureichenden Maßnahmen noch nicht einmal die Mindestanforderungen von Kattowitz erreichen werde. Deshalb sei das für nächstes Jahr geplante Klimaschutzgesetz von großer Bedeutung. „Die wichtigste Aufgabe im Rahmen des Klimaschutzgesetzes ist die Anpassung der nationalen Ziele an die Beschlüsse von Paris“, so Peter. Es müsse zudem regeln, wie Deutschland bis 2050 komplett aus den fossilen Energieträgern aussteigt und die Energieversorgung in allen Sektoren auf der Basis Erneuerbarer Energien organisiert wird. Den einzelnen Sektoren müssen dazu klar abgesteckte und vor allem verbindliche Treibhausgaseinsparungen und Maßnahmen zugeordnet werden. Hier könnte zum Beispiel eine Regelung helfen, nach der die Bundesregierung Strafzahlungen bei Zielverfehlungen an die verantwortlichen Ministerien durchreichen kann.

Für das Jahr 2020 droht Deutschland bereits eine deutliche Verfehlung des Ziels, im Vergleich zum Basisjahr 1990 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen. „Werden für die Folgejahre nicht verbindliche Zwischenziele und Maßnahmen definiert, ist auch die Einhaltung aller nachfolgenden Ziele ungewiss und damit wichtige Zeit für den Klimaschutz vertan.“

Es sei deshalb wichtig, alle relevanten Gesetze im Bereich der Energie- und Klimapolitik darauf auszurichten. „Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag müssen jetzt umgesetzt werden. Diese umfassen ein Zeit- und Mengengerüst für das Ziel 65 Prozent Ökostrom bis 2030, einen Fahrplan für den sozial verträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung und Instrumente, die die Wärme- und Verkehrswende umfassend einleiten“, fordert Peter. Auch in diesen Sektoren könne das Ordnungsrecht, z.B. im Gebäudeenergiegesetz, ambitionierter ausgestaltet und Energie effizienter genutzt werden. Es sei zudem an der Zeit, eine verlässliche Besteuerung des CO2-Ausstoßes auf den Weg zu bringen und eine nationale CO2-Bepreisung im Strom- wie im Wärmesektor zu beschließen. „Beim Thema CO22-Preis zeigten in Kattowitz eine Reihe von Ländern Flagge, denen sich Deutschland anschließen sollte.“

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