Lesehinweis: Rockfeller-Urenkelin greift Öl-Multi an

stern: Exxon Mobil mitschuld an Klimakrise

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Neva Goodwin Rockefeller ist Ko-Direktorin des Global Development And Environment Institute an der Tufts-Universität in Massachusetts und Urenkelin von Standard Oil-Gründer John D. Rockefeller. Der beherrschte zeitweise 90 Prozent des US-Ölmarktes, Grundstein des sagenhaften Reichtums der Rockefellers. Heute sagt die 74jährige: „Wir hätten vor Jahrzehnten den Klimawandel verhindern können. Doch man hat uns belogen.“ Der von ihrem Urgroßvater gegründete Energie-Gigant, heute Exxon Mobil, sei mitschuldig am Klimawandel und leugne das wider besseres Wissen – schreibt stern-USA-Korrespondent Nicolas Büchse am 22.12.2018.

Atlantik vor US-Küste – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Neva Goodwin Rockefeller, eine Frau der Fakten, stellt sich die Frage, ob ihr „Urgroßvater mit seiner ersten Ölraffinerie nicht nur den Urmythos ihrer Dynastie schuf, sondern auch ihre Ursünde beging“ (Büchse). Und sie sieht ihre Familie in der Pflicht. Ihr Feldzug gegen Exxon begann 2003. Lange versuchte der Ölmulti in der Folge, die Kritikerin klein zu halten. Schließlich finanzierte die Rockefeller-Stiftung Recherchen von Journalisten, die herausfanden, dass Exxon schon 1977 über den klimaschädlichen Einfluss der Verbrennung fossiler Energieträger Bescheid wusste. 1982 warnte ein interner Report davor, dass „katastrophale Ereignisse“ drohten, wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe nicht reduziert würde. Exxon hielt die Studien geheim.

Im Oktober 2015 dann schrieb Shannon Hall im Scientific American, über eine neue Untersuchung des Pulitzerpreis-Gewinners Inside Climate News, derzufolge Exxon Mobil zwar sehr wohl die wissenschaftlichen Erkenntnisse verstanden hatte, lange bevor sie zu einem öffentlichen Thema wurden. Aber die Ölgesellschaft finanzierte  jahrzehntelang mit zweistelligen Millionensummen Lobbygruppen und Pseudo-Thinktanks, die den anthropogenen Klimawandel anzweifelten und bewusst Fehlinformationen publizierten. (siehe: solarify.eu/2015/exxon-wusste-schon-vor-fast-40-jahren-vom-klimawandel). Exxon soll zudem in großem Stil Einfluss auf die Forschung genommen haben, um zu vertuschen, in welchem Ausmaß das äußerst profitable Geschäftsmodell des Konzerns eine Belastung für das Klima darstellte.

Die Rockefeller-Urenkelin fragte sich:“Warum hat Exxon Mobil uns und die Öffentlichkeit angelogen?“ Und: Warum täten die Chefs großer Unternehmen Dinge, welche die Zukunft der Menschheit aufs Schwerste bedrohten? Das könnten nur „gewissenlose Psychopathen“ sein.

New York verklagt Ölriesen wegen Täuschung von Aktionären über Klimawandel

Die New Yorker Generalstaatsanwaltschaft hat – schrieb John Schwartz vor kurzem in der New York Times – am 24.10.2018 nach mehr als drei Jahre langen Ermittlungen Klage gegen Exxon Mobil erhoben, mit dem Vorwurf, das Unternehmen habe Investoren und Aktionäre betrogen, indem es das für sein Geschäft bedrohliche Risiko des Klimawandels bewusst verharmlost habe. Der Rechtsstreit bedeutet ein finanzielles Risiko für Exxon und droht dem Ölmulti mit einem kräftigen Reputationskratzer – wo doch das Unternehmen angeblich so intensiv daran gearbeitet hat, die Sorgen um den Klimawandel zu verstehen – und könnte weitere Prozesse nach sich ziehen.

Die Klageschrift beschuldigt Exxon im Gegensatz zu vielen anderen Initiativen nicht, eine Rolle bei der Entstehung des Klimawandels gespielt zu haben, obwohl die Verbrennung von Öl und Benzin wesentlich zum menschengemachten Klimawandel beiträgt. Vielmehr soll das Unternehmen ein „langjähriges betrügerisches System“ betrieben haben, um Investoren, Analysten und Underwriter „über das Management der Risiken zu täuschen, die sich aus der Regulierung des Klimawandels für sein Geschäft ergeben“.

Exxon habe die Welt wissen lassen, dass man auf die zwangsläufig zur Bekämpfung des Klimawandels erforderlichen strengeren Maßnahmen vorbereitet sei, sagte die Staatsanwaltschaft. Aber in Wirklichkeit, so die Klage, „wendete das Unternehmen interne Praktiken an, die mit seinen Darstellungen unvereinbar waren, den Anlegern nicht offenbart wurden und das Unternehmen einem größeren Risiko durch die Regulierung des Klimawandels aussetzten, als die Anleger das glauben sollten“.

Andere Küstenstädte wie San Francisco und Oakland zogen nach. Exxon aber versuchte lange, die Ermittlungen vor Gerichten in drei Bundesstaaten zu blockieren, diskreditierte sie als Teil einer Verschwörung gegen die fossilen Brennstoffe, befördert unter anderem durch die Rockefeller-Familie, und bezeichnete sie schließlich gar als Versuch von „Rüpeln“, die First Amendment-Rechte des Unternehmens einzuschränken (der erste Verfassungszusatz garantiert die freie Religionsausübung, die Rede- und Pressefreiheit sowie das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und, schließlich das Petitionsrecht). Schließlich behaupteten republikanische Senatoren im Mai 2018 in einem Schriftsatz: „Klimaschutz-Fragen sind politische Fragen und eignen sich nicht für einen Gerichtsentscheid.“  Und ein konservativer Kommentator schrieb gar: „Es ziemt sich nicht für eine der großen Familien unserer Nation, eine amerikanische Firma so skrupellos anzugreifen.“

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