Klimaschutzbericht 2018: Klassenprimus muss nachsitzen

Zusammenfassung

Dem (mit Recht) schmucklosen, 147seitigen Klimaschutzbericht 2018 wurde eine Zusammenfassung vorangestellt – Solarify dokumentiert sie:
„Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 – bezogen auf die Emissionen des Jahres 1990 – um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, bis 2030 um mindestens 55 Prozent. Das entspricht einer Gesamtminderung um etwa 500 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf 750 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2020 und um etwa 687,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente auf 562 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2030. Bis 2050 strebt die Bundesregierung eine Treibhausgasminderung um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 beziehungsweise weitgehende Treibhausgasneutralität an. Bis zum Jahr 2017 konnten in Deutschland die Treibhausgasemissionen (ohne Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft) um 27,7 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 auf 905 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden.

Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sollte einen Beitrag im Umfang von 62 bis 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten zur Erreichung des 40-Prozent-Ziels erbringen. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom Oktober 2017 ist davon auszugehen, dass mit den bis dahin umgesetzten Maßnahmen bis 2020 eine Minderung der Treibhausgasemissionen um etwa 32 Prozent gegenüber 1990 erreicht wird. Dies wird zu einer Lücke zur Zielerreichung von etwa 8 Prozentpunkte führen.

Die im vorliegenden Klimaschutzbericht 2018 dargestellte Aktualisierung der geschätzten Minderungswirkungen der einzelnen Maßnahmen wurde wie bereits in den beiden Vorjahren im Auftrag des BMU durch ein Gutachterkonsortium vorgenommen. Die Quantifizierung zeigt, dass die Maßnahmen des Aktionsprogramms wirken und ein Beitrag zur Schließung der Lücke erwartet werden kann. Allerdings zeigt die aktuelle Schätzung erneut, dass die insgesamt erwartete Minderungswirkung der Einzelmaßnahmen mit 43 bis 56 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten für das Jahr 2020 weder die ehedem erwartete noch die aktuelle Lücke wird schließen können – auch wenn der Emissionshandel infolge deutlich höherer Zertifikatspreise mit 3,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einen höheren Minderungsbeitrag als noch vor einem halben Jahr erwarten lässt.

Die Bundesregierung macht sich zwar die Bewertung der Einzelbeiträge der Maßnahmen nicht zu eigen, bekräftigt aber die Notwendigkeit einer konsequenten Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, um die mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 avisierten Minderungen tatsächlich zu erreichen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, Ergänzungen vorzunehmen, um die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich zu schließen. Entsprechend wurde die Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung‘ im Koalitionsvertrag mandatiert, bis Ende 2018 Maßnahmen zu erarbeiten, um die Lücke zur Erreichung des 40 Prozent-Reduktionsziels bis 2020 so weit wie möglich zu reduzieren. Diese Vorschläge und Empfehlungen liegen seit dem 26. Januar 2019 vor.

Die Bundesregierung erarbeitet ein Maßnahmenprogramm 2030 zum Klimaschutzplan 2050. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass das Minderungsziel für 2030 erreicht wird und alle Sektoren ihren Beitrag leisten. Alle Maßnahmen werden hinsichtlich ihrer ökologisch, ökonomischen und sozialen Folgen wissenschaftlich abgeschätzt. Für die Zeit nach 2020 gibt der Klimaschutzplan 2050 als nationale Langfriststrategie zum Klimaschutz eine wichtige Orientierung und setzt für die einzelnen Emissionssektoren bis 2030 konkrete Ziele. Sowohl das Aktionsprogramm 2020 als auch der Klimaschutzplan 2050 folgen dabei dem Leitbild von Klimaschutz als gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Modernisierungsstrategie, die wissenschaftlich fundiert, technologieoffen und effizient gestaltet wird.

Klimaschutz ist und bleibt ein wesentlicher Baustein zum Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen auf der Erde. Die Begrenzung des durch den Menschen verursachten Klimawandels und die Anpassung an nicht mehr zu verhindernde Veränderungen sind gesellschaftliche Aufgaben von höchster Priorität. Nicht zu handeln, bedeutet, großes Leid, immense Schäden und unwiederbringliche Verluste an Lebensräumen zu riskieren. Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Bundesregierung wird weiterhin die unbedingt notwendige gemeinschaftliche Verantwortung durch Mitbestimmung und Teilhabe befördern und das Potential des Aktionsbündnisses Klimaschutz bei der Suche nach und der Entwicklung von weiteren Klimaschutzmaßnahmen nutzen.“

Schwache Auslastung von Gaskraftwerken

Das Kölner domradio ergänzt: „Mit einer schnellen und massiven Stilllegung von Braunkohlekapazitäten ist das nationale Klimaziel 2020 einer Studie zufolge zumindest drei Jahre später erreichbar. Dafür müssten neun Gigawatt Braunkohleleistung heruntergefahren werden bei einer gleichzeitigen höheren Auslastung von Gas- und Steinkohlekraftwerken. Das ist das Ergebnis einer bereits im November 2018 in Berlin vorgestellten Analyse des Beratungsunternehmens Aurora Energy Research im Auftrag der Lobbyorganisation Zukunft Erdgas (siehe: solarify.eu/erdgasbranche-fordert-schnelleren-braunkohleausstieg). Mit einer Stilllegung von neun Gigawatt Braunkohleleistung könne das Ziel bis 2023 erreicht werden – durch einen Umstieg sei bis dann eine Minderung von 43 Prozent machbar, heißt es in der Studie. Gleichzeitig müsse aber die derzeit schwache Auslastung von Gaskraftwerken massiv erhöht werden.

Eine Stilllegung von Braunkohlekapazitäten gehe nicht zu Lasten der Versorgungssicherheit, sagte Studienautor Hanns Koenig. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Erdgas, forderte die Bundesregierung auf, mehr Anreize für die Stromproduktion aus CO2-ärmeren Gaskraftwerken zu setzen. Am Markt ist Braunkohle derzeit am günstigsten. Eine CO2-Bepreisung könne eine Lenkungsfunktion haben. Der Aufsichtsratschef von Zukunft Erdgas, Stephan Kohler, sagte, die Politik solle sich nicht mehr an Zubauraten bei erneuerbaren Energien orientieren, sondern an der CO2-Minderung.“

Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, zum Klimaschutzbericht: „Der Klimaschutzbericht zeigt einmal mehr: Der Energiesektor liefert und hat einen klaren Plan. Ein Baustein ist die CO2-Bepreisung im ETS. Wir benötigen auch im Verkehrs- und Wärmesektor endlich eine CO2-Bepreisung. Außerdem muss regenerativ erzeugter Strom attraktiver für den Mobilitäts- und Wärmesektor werden. Dafür muss die Stromsteuer gesenkt werden. Und wir brauchen endlich eine steuerliche Abschreibung für energetische Gebäudesanierungen, um das gewaltige CO2-Einsparpotenzial im Wärmemarkt zu heben.“

In der Zeit wurden die Oppositionsparteien zitiert: „Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Linkspartei, nannte das Verfehlen der Klimaziele ‚keine Überraschung bei einer Politik, die die Wünsche der Wirtschaft laufend vor die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt stellt‘. Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, der Klimaschutzbericht sei ‚die Quittung für das jahrelange Nichtstun‘ der Regierung. Kanzlerin Merkel müsse dafür sorgen, ‚dass Klimaschutz endlich in allen Sektoren begonnen wird‘, verlangte Hofreiter. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Ulla Ihnen sprach sich für einen ‚inhaltlichen Neuanfang‘ im Umweltministerium aus. Ministerin Schulze investiere ‚planlos in teure Programme mit unkalkulierbaren finanziellen Risiken‘.“

Solarify meint: „Der Schluss der obigen Zusammenfassung („Nicht zu handeln, bedeutet, großes Leid“) klingt unfreiwillig zynisch. Wenn eines sicher nicht als Ausweg taugt, dann die gleichzeitige Verschiebung in die Zukunft kombiniert mit einer Erhöhung des Ziels. Ich überspringe die Latte nicht leichter, wenn ich sie weit in der Zukunft höher lege – das entlarvt eher vergangene Fehlentscheidungen. Dabei wäre es so einfach: Die Bundesregierung muss endlich aufhören, sich – offenbar völlig schmerz- und ethikfrei – als Außenstelle und Befehlsempfänger der Autoschmieden und Schmutzstromer zu verstehen.“

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