Fünf neue globale Umweltrisiken

UN-Report Frontiers 2018/19

Die UNO warnt in einem neuen Bericht vor fünf globalen Umweltrisiken, die ihrer Überzeugung nach zu wenig beachtet werden: Von den Innovationen und ethischen Dilemmata der synthetischen Biologie bis hin zu den Optionen für eine angemessene internationale Anpassung an den Klimawandel. Der UN-Report Frontiers 2018/19 untersucht aufkommende Umweltprobleme des Planeten. Die UNEP Frontier-Reihe verbindet neue Wissenschaften mit ergebnisorientierten politischen Maßnahme-Vorschlägen in Bezug auf die Gesundheit der Umwelt und ihre Nachhaltigkeit. Die Ausgabe 2018/19 setzt die Tradition hochrangiger Texte fort, die von illustrativen Infografiken begleitet werden und die Interaktivität von Links zu Videos über verwandte Forschung und Informationen zeigen.

Wird die Spitzentechnologie der neuen genetischen Verfahren zu enormem Segen für die Gesundheit von Mensch und Umwelt führen, sofern die Regulierung das Risiko unbeabsichtigter ökologischer Folgen erfolgreich kontrolliert werden kann? Werden wir rechtzeitig handeln, um eine weitere Verschlechterung der klimageschädigten Permafrostmoore zu verhindern und das Erreichen der Schwelle für einen möglichen globalen Treibhauseffekt zu verhindern? Können wir die Fallstricke der Fehlanpassung an den übergreifenden Klimawandel vermeiden und mit Weisheit voranschreiten, um die schlimmsten Auswirkungen abzumildern – für alle, nicht für die wenigen?

Mit diesen und anderen neu auftretenden Fragen befassen sich UN-Umweltexperten mit der Veröffentlichung von Frontiers 2018/19, ihrem jüngsten Bericht über neue Umweltherausforderungen, mit denen die Welt konfrontiert ist. Frontiers 2018/19 wurde am 04.03.2019, vor der vierten UN-Umweltversammlung in Nairobi, Kenia, publiziert. Der Bericht behandelt fünf wichtige neu auftretende Themen: die neuesten Entwicklungen in der synthetischen Biologie, die angeblichen Vorteile der Landschaftsvernetzung, die komplexen Wechselwirkungen und die Anfälligkeit von Permafrostmooren, die Herausforderungen der weit verbreiteten Stickstoffverschmutzung und die Gefahren einer Fehlanpassung in einer Welt des Klimawandels.

Synthetische Biologie: Umgestaltung der Umwelt

Die Fähigkeit, Organismen auf genetischer Ebene erfolgreich zu verändern, hat Wissenschaftler und die Öffentlichkeit gleichermaßen begeistert. Gen-Editing-Techniken schreiten schnell voran und versprechen viele biologische und ökologische Vorteile, von der Ausrottung menschlicher Krankheiten bis hin zur Verhinderung des Artensterbens. Die Genschere CRISPR-Cas9 ist das neueste und schnellste Werkzeug im Bereich der Gentechnik und ermöglicht eine außergewöhnliche Präzision bei der Manipulation von Genomen.

Diese Fähigkeit, synthetisches Leben zu erschaffen und bestehende DNA zu verändern, birgt jedoch das Risiko einer Querkontamination und unbeabsichtigter Folgen. Das Eindringen in den Lebenskodex hat so große Auswirkungen, dass es dringend notwendig ist, dass die Leitungsorgane zusammenwirken und zusammenarbeiten, um eine sichere Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu gewährleisten. Der Aufstieg des DIY-Biohackers und die Gefahr der unbeabsichtigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind Anlass zu regulatorischen Bedenken. Viele der Vorteile und Herausforderungen der synthetischen Biologie werden in diesem faszinierenden Kapitel behandelt.

Ökologische Vernetzung: Eine Brücke zum Erhalt der Biodiversität

Die großflächige Industrialisierung hat zu einer weitreichenden Fragmentierung von bisher intakten Landschaften rund um den Globus geführt. Von der Rodung vielfältig belebter Regenwälder bis hin zum Aufstauen mächtiger, zentraler Flüsse reicht die Folgewirkung auf isolierte, belastete Ökosysteme sowohl für die Gesundheit von Flora und Fauna als auch in schweren Fällen bis zum Artensterben. Landschaften sind auch nicht auf den Landbereich beschränkt, da die Vernetzung der Ökosysteme über die kontinentalen Küsten hinaus bis hin zu ozeanischen Meereslandschaften reicht.

Initiativen zur Förderung der Landschaftsvernetzung bieten Hoffnung an verschiedenen globalen Standorten, aber es ist viel mehr Aufmerksamkeit bei der Planung der Wiedervernetzung von Biotopflächen oder der Erhaltung bestehender Verbindungen erforderlich. Dies ist von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der verbleibenden biologischen Vielfalt und für den Schutz der miteinander verbundenen Ökosysteme, von denen wir alle abhängig sind. Die nationalen Bemühungen erfordern eine Ausweitung auf die internationale Ebene, da die Ökosysteme nicht an Ländergrenzen gebunden sind. Von Meeresreservaten bis hin zu Wildtierkorridoren und darüber hinaus untersucht dieses umfangreiche Kapitel die Fragen und Lösungen für die Fragmentierung der natürlichen Welt und die Notwendigkeit eines gemeinsamen Denkens bei der Planung zur Bewahrung und Erhaltung der biologischen Vielfalt und des Überlebens von Arten.

Permafrostmoore: Bodenverlust in einer sich erwärmenden Welt

Angesichts der steigenden Temperaturen erwärmt sich die Arktis doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt, und die Wissenschaftler werden zunehmend beunruhigt durch die steigende Geschwindigkeit des Permafrostauftauenss. Während der Forschungsarbeiten ist derzeit noch zu wenig über die komplizierten Zusammenhänge und die Dynamik zwischen dem ewig gefrorenen Boden, dem Permafrost, und der isolierenden Schicht abgestorbener Pflanzenreste – oder Torf – bekannt, die einen erheblichen Teil der nördlichsten Gebiete unseres Planeten bedecken.

Das Auftauen des Permafrosts hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die Ökologie und Infrastruktur der Moorregionen, sondern ist auch ein potenzielles „Kippelement“ zu einem durchschlagenden Treibhauseffekt. Die Erhaltung dieser reichen Boden-Kohlenstoff-Lagerstätten ist unerlässlich, um die globalen Auswirkungen des Klimawandels abzufedern und die schlimmsten Auswirkungen und Risiken der Erschließung dieser eingefrorenen Vermögenswerte zu vermeiden, die Kohlenstoff und andere Treibhausgase unterirdisch und außerhalb der Atmosphäre gebunden halten. Wahrscheinliche Szenarien und die dringend notwendige Verbundforschung, um die Erhaltung dieser wichtigen Lagerstätten zu gewährleisten, werden in diesem Kapitel gründlich untersucht.

Der Stickstoff fixiert: Von der Stickstoffkreislaufverschmutzung zur Stickstoffkreislaufwirtschaft

Stickstoff ist eines der häufigsten natürlichen Elemente und in seinen unreaktiven Formen weitgehend gutartig. Zu viel des Guten kann jedoch schädlich sein, und eine übermäßige Stickstoffbelastung hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Ökosysteme und den Menschen. In Form von Lachgas ist das Treibhausgas 300mal stärker als Kohlendioxid, dazu kommen Auswirkungen verschiedener Stickstoffverbindungen auf Luftqualität, Boden und Wasser sowie die Ozonschicht.

Es bedarf eines kohärenten globalen Ansatzes für das Stickstoffmanagement, um den Stickstoffkreislauf in eine nachhaltige, umweltfreundliche und profitable Kreislaufwirtschaft umzuwandeln. Obwohl es auf nationaler Ebene einige Fortschritte gegeben hat, wird ein wirklich ganzheitlicher Ansatz zur Umsetzung effektiver Stickstoffmanagementstrategien internationale Zusammenarbeit erfordern. Dieses sehr informative Kapitel untersucht die Details und die Chemie des Problems der Stickstoffbelastung und mögliche Wege zu seiner Lösung. Wenn der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft für Stickstoff erfolgreich ist, könnte er ein Wegbereiter für weise wissenschaftliche und politische Entscheidungen zur Erreichung des Ziels eines umweltfreundlichen Planeten sein.

Fehlanpassung an den Klimawandel: Vermeidung von Fallstricken auf dem Entwicklungsfähigkeitspfad

Im Großen und Ganzen hängt die Entwicklung von einer erfolgreichen Anpassung ab, und eine Fehlanpassung führt zum Misserfolg. Im Hinblick auf den Klimawandel müssen Anpassungsstrategien Schwachstellen angehen und die Widerstandsfähigkeit auf globaler Ebene erhöhen sowie kurzfristige Lösungen vermeiden, die möglicherweise nur lokale Vorteile haben. Es wird deutlich, dass internationale Zusammenarbeit und Planung notwendig sind, um Anpassungen zu vermeiden, die scheinbar mildernd wirken, das Problem aber noch verschärfen. Dieses faszinierende Kapitel untersucht die Unterscheidung zwischen wahrer Anpassung, Fehlanpassung und Scheinanpassung. Er geht auf die entscheidenden Diskussionen in internationalen Foren und Fallstudien darüber ein, was eine Fehlanpassung im Hinblick auf die Notwendigkeit darstellt, den postindustriellen globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg unter 1,5°C zu halten. Dieser relativ neue Schwerpunkt für politische Entscheidungsträger wird das menschliche Attribut der Vorausschau anwenden, um die erforderliche “ Entwicklungsfähigkeit “ zu erreichen. Langfristige Visionen bei der Gestaltung von Entwicklungs- und Anpassungsstrategien sind erforderlich, um die richtigen nachhaltigen Entscheidungen für zukünftige Generationen zu treffen.

AWI-Einschätzung

Prof. Dr. Guido Grosse, Leiter der Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung dazu: „Der UNEP-Report greift wichtige Ergebnisse der neuesten Permafrostforschung auf und weist deutlich auf die globale Relevanz der schon jetzt zu beobachtenden Veränderungen in Permafrostregionen hin. Eine besondere Bedeutung hat dabei der bisher gefrorene Bodenkohlenstoff, der beim Tauen freigesetzt werden kann und durch mikrobielle Abbauprozesse dann verstärkt als Kohlenstoffdioxid oder Methan in der Atmosphäre landet. Die Aussagen werden durch kürzlich vorgestellte Forschungsergebnisse unter AWI-Leitung untermauert. Diese schließen auf Satellitendaten basierend Untersuchungen zu schnellen Landschafts-Veränderungen in Permafrostregionen durch Tau-Seen, Feuer, und Tau-Rutschungen ein (Nitze et al., 2018 Nature Comm). Außerdem wurde mit einer erstmaligen Analyse von Temperaturdaten eines globalen Permafrostbohrloch-Netzwerkes eine Erwärmung von Permafrost auf globalem Maßstab festgestellt, die mit der Erwärmung der Atmosphäre einhergeht (Biskaborn et al., 2019 Nat Comm).“

In den nächsten drei Wochen werden mehrere AWI-geleitete Expeditionen in die Permafrostregionen Sibiriens und Kanadas starten, bei denen unter anderem Kohlenstoffspeicher und -Qualität in alten Permafrost-Ablagerungen, in Flussdeltas, sowie entlang der arktischen Küste untersucht werden sollen. Die AWI-Mitarbeiter schwärmen dafür in das Lena-Delta (Leitung Dr. Jens Strauss), zur größten Tau-Rutschung der Arktis – dem Batagaika-Krater – (Leitung Dr. Sebastian Wetterich) und an die arktische Küste der kanadischen Beaufort-See aus (Leitung Prof. Dr. Hugues Lantuit) aus und arbeiten dafür eng mit russischen, britischen und kanadischen Partner zusammen. Die abenteuerlichen Expeditionen der Wissenschaftler werden mit Kettenfahrzeugen über das Eis des zugefrorenen sibirischen Lena-Deltas führen, mit Schneemobilen an die vereiste arktische Yukon-Küstenebene, und mit erfahrenen Eiskletterern an die 80 Meter hohen Steilwände des Batagaika-Kraters.

->Quellen: