Greenpeace: E-Fuels können CO2-Lücke im Verkehr nicht schließen

„Verkehrsministerium überschätzt CO2-Einsparpotenzial von E-Fuels deutlich“

Mit erneuerbarem Strom erzeugte Kraftstoffe können den CO2-Ausstoß im Verkehr nicht kostengünstig senken. So genannte E-Fuels werden dauerhaft deutlich teurer und weniger effizient sein, als Autos direkt mit Strom zu betreiben. Das ist das Resümee einer am 03.04.2019 veröffentlichte Kurzstudie des Wuppertal Instituts im Auftrag von Greenpeace.

Schiffsabgase im Hafen von Malaga – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Demnach soll der Energiebedarf für den Betrieb eines Autos mit strombasiertem Kraftstoff fünf bis sieben Mal höher sein, als der eines vergleichbaren Elektroautos. Entsprechend müssten für den Pkw-Betrieb mit E-Fuels mindestens fünf Mal so viele Windräder und Solaranlagen gebaut werden, wie für die gleiche Zahl E-Autos. Das Verkehrsministerium nimmt für alternative Kraftstoffe laut einer Vorlage für Minister Andreas Scheuer (CSU) ein hohes Minderungspotenzial von acht bis zwölf Millionen Tonnen CO2 an.

„Minister Scheuer ist bei der Berechnung von CO2-Einsparungen durch E-Fuels so seriös wie ein Hütchenspieler“, sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Statt mit Scheinlösungen weiter Zeit zu vergeuden, darf der Minister die Verkehrswende weg vom Verbrenner nicht länger rauszögern.“

Trotz ihrer niedrigen Effizienz könnten E-Fuels bei der Verkehrswende eine Rolle spielen, zeigt die Studie. Allerdings nur dort, wo es keine Alternativen gibt – wie im Flugverkehr oder der Schifffahrt. Um die Nachfrage in diesen Bereichen zu decken, seien enorme Strommengen nötig. Allein um das 2018 in Deutschland abgesetzte Kerosin durch E-Fuels zu ersetzen, seien etwa 200 Terawattstunden erneuerbarer Strom nötig – kaum weniger, als 2018 in Deutschland erzeugt wurde (229 TWh). Das begrenzte Potential strombasierter Kraftstoffe solle deshalb – laut Studie – nicht bei Autos verschwendet werden.

Verkehrsminister beim Klimaschutz unter Druck

Wie unrealistisch die Annahmen des Verkehrsministeriums bei E-Fuels seien, zeige eine einfache Umrechnung: Um im Straßenverkehr die angenommene Menge von zwölf Millionen Tonnen CO2 durch strombasierte Kraftstoffe zu ersetzen, seien etwa 110 Terawattstunden Strom nötig. Im vergangenen Jahr haben alle in Deutschland installierten Windanlagen zusammen 113 Terrawattstunden Strom erzeugt.

Minister Scheuer müsse in Kürze Maßnahmen präsentieren, die den jährlichen CO2-Ausstoß im Verkehr bis zum Jahr 2030 verlässlich um gut 65 Millionen Tonnen auf weniger als 100 Millionen Tonnen senken. Schnell wirksame Maßnahmen wie eine E-Auto-Quote oder höhere Steuern für schwere Spritfresser, habe Scheuer abgebügelt.

„Statt die Aufgabe im Straßenverkehr mit Scheinlösungen wie E-Fuels kleinzurechnen, sollte Minister Scheuer endlich ein Ausstiegsdatum für Diesel und Benziner festlegen“, so der Greenpeace-Experte. „Nur wenn Verbrenner bald von der Straße verschwinden, werden die Klimaziele im Verkehr auf Dauer erreicht.“

Im Wortlaut: Schlussfolgerungen der Greenpeace-Studie

Nach konsequenter Umsetzung von Vermeidungs-, Verlagerungs- und Verbesserungsmaßnahmen könnten synthetische Kraftstoffe als eine weitere Option im Portfolio der Klimaschutzstrategien zur kompletten Dekarbonisierung des deutschen und internationalen Verkehrssektors beitragen, so die Studie. Zu erwägen sei dabei stets, dass ihr Gesamtwirkungsgrad aufgrund der zahlreichen Umwandlungsschritte unvorteilhaft und ihre Herstellung entsprechend teuer ist. Die Möglichkeit der Herstellung synthetischer Kraftstoffe in Deutschland sei auf der Basis der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien sehr begrenzt. Global bestünden grundsätzlich hohe Potenziale in sonnen- und windreichen Ländern, jedoch dürfe auch hier nicht vernachlässigt werden, dass jede Form der Energiebereitstellung mit Auswirkungen verbunden sei. Dies gelte auch für Erneuerbare Energien (z.B. Flächenbedarf), so dass insgesamt ein entsprechend effizienter Umgang mit den Potenzialen angezeigt sei.

Anreize für alternative Mobilitätsangebote und Verkehrsmittel sowie Nachfragesteuerung über den Preis und gezielte Regulation seien weiterhin prioritäre Strategien für die nötige Vermeidung verkehrsbedingter Emissionen. Vermeidung und Verlagerung seien effektiv und im Vergleich zur Referenzentwicklung ohne ambitionierten Klimaschutz mit geringen volkswirtschaftlichen Kosten und häufig gar Nutzen verbunden. Fahrzeugeffizienz und Antriebswechsel hin zu direkter Elektrifizierung (batterieelektrische Pkw, Oberleitungs-Lkw) hätten im Vergleich zu synthetischen Kraftstoffen erhebliche Vorteile. Hinzu kämen im Verbund vorgelagerter Optionen solche, die die Systemeffizienz erhöhten, etwa Tempolimits und die Erhöhung der Besetzungsgrade durch Car- oder Ridesharing.

Synthetische (flüssige) Kraftstoffe hätten zudem auch einen schlechteren Wirkungsgrad als Antriebssysteme mit Wasserstoff-Brennstoffzelle. Insofern sei aus Klimaschutzsicht sehr zu begrüßen, dass Fahrzeugkonzepte mit Brennstoffzelle für große Pkw und Lkw bzw. lange Distanzen möglichst bald marktfähig würden. Für Busse und Züge seien diese Möglichkeiten heute schon gegeben und in der breiten Erprobung. Brennstoffzellenfahrzeuge seien in der Anwendung nach Möglichkeit den synthetischen Kraftstoffen vorzuziehen, , so die Autoren der Studie.

Für die Dekarbonisierung des internationalen Flug- und Seeverkehrs seien hingegen kaum Alternativen zu synthetischen Kraftstoffen absehbar. Deshalb seien sie hier bevorzugt einzusetzen. Außerdem solle in diesen Bereichen Nachfragesteuerung und Verkehrsmitteleffizienz so organisiert werden, dass die globale Nachfrage die nachhaltigen Bereitstellungsoptionen von PtL nicht übersteige.

->Quellen: