CO2-Bepreisung: Lenkungswirkung und Gerechtigkeit verbinden

Kohlendioxidpreis kontrovers diskutiert

Ob und wie ein Preis für CO2-Emissionen eingeführt werden soll, diskutierte der Bundestags-Umweltausschuss am 03.04.2019 im Rahmen eines öffentlichen Fachgespräches mit Sachverständigen. Eine der wesentlichen Fragen dabei war, ob die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) auf Sektoren wie Verkehr oder Gebäude und Wärme sinnvoll ist.

Gegen eine Erweiterung des ETS auf diese Sektoren sprach sich Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) aus. Er befürchtete enorme Risiken, wie etwa die unklaren Auswirkungen auf das System; weil die CO2-Vermeidungskosten zwischen den Sektoren sehr unterschiedlich seien, könne es zu unabsehbaren Preisänderungen kommen. Grundsätzlich lobte Lösch das ETS: Das System erfülle die Reduktionsvorgaben. Entsprechend sei die Debatte um einen Mindestpreis innerhalb des ETS eine „Geisterdebatte“.

Rauch, Feinstaub und CO2 in Berlins Westen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Ganz anders beurteilte der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Weimann von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die Frage der ETS-Ausweitung. Die Begrenzung der Emissionen müsse möglichst kosteneffizient organisiert werden. Weil der Emissionshandel das leiste, sei eine Erweiterung auf die anderen Sektoren sinnvoll. Die unterschiedlichen Vermeidungskosten in den Sektoren würde das ETS nutzen. Emissionen würden eben dann dort reduziert, wo es am günstigsten sei. Das würde den Verkehrssektor, in dem die Vermeidungskosten hoch seien, entlasten, argumentierte Weimann. Der Sachverständige sprach sich gegen eine CO2Steuer aus, da diese im Gegensatz zum Emissionshandel nicht an der Emissionsmenge ansetze. Zudem ließe sich die Ausweitung de ETS schneller umsetzen, da das Instrumentarium bereits vorhanden sei. Dies sei bei einer CO2-Steuer, die aus seiner Sicht nur europäisch sinnvoll wäre, nicht der Fall.

Barbara Praetorius, Volkswirtin und Politikwissenschaftlerin der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, sah in der Ausweitung des ETS keine praktische Option, da die Umsetzung zu lange dauern würde: „Das wäre eine Verschiebung bis in alle Ewigkeit.“ Es müsse auf vorhandene Ansätze aufgesetzt werden. Praetorius schlug vor, im Strombereich, in dem Erneuerbare Energien großen Anteil hätten, den Preis deutlich zu senken. Dazu könnten unter anderem die bisher in den Strompreisen eingeschlossenen Kosten für die Strompreis-Ausnahmen der Industrie oder für den ursprünglichen Aus- und Aufbau der Erneuerbaren Energien herausgenommen werden. Eine entsprechende Senkung der Strompreise käme auch bei den Verbrauchern an. Weil Strom in den Sektoren Verkehr und Wärme eine größere Rolle spielen müsse, müssten durch eine entsprechende CO2-Bepreisung die Kosten für fossile Energieträger wie Benzin und Heizöl steigen. Denn deren Preise seien in den vergangenen Jahren – anders als der Strompreis – stabil geblieben. Mittelfristig forderte Praetorius einen Mindestpreis im ETS.

Ebenfalls für eine CO2-Bepreisung sprach sich Ulf Sieberg (CO2 Abgabe e.V.) aus. Dabei sei es wichtig, soziale und wirtschaftliche Härten gezielt zu verhindern. Eine CO2-Bepreisung sei aber keine „eierlegende Wollmilchsau“. Ähnlich argumentierte Oldag Caspar (Germanwatch e.V.). Die CO2-Bepreisung müsse eine Maßnahme innerhalb eines Instrumente-Mix sein, um die Treibhausgas-Minderungsziele zu erreichen. Caspar führte aus, dass es dafür in vielen Ländern, in der Wirtschaft und der Wissenschaft Unterstützung gebe.

Der Sachverständige Sebastian Lüning („Die kalte Sonne“)sagte, das naturwissenschaftliche Fundament der Klimapolitik sei „nicht so solide, wie viele glauben“. Es gebe noch viele Unsicherheiten, etwa bei der erwarteten Erwärmung sowie dem menschengemachten Anteil daran. Grundsätzlich brauche es Augenmaß in der Klimapolitik. Maßnahmen müssten sozial und wirtschaftlich nachhaltig gestaltet werden, sagte Lüning. (hib/SCR)

Bundesverband Erneuerbare Energie: „CO2-Bepreisung sollte Bestandteil des Klimaschutzgesetzes werden“

„Die CO2-Bepreisung ist ein effektives Instrument zur Reduktion von CO2-Emissionen“, sagt Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), anlässlich der Anhörung. Die CO2-Bepreisung richte die Besteuerung auf Klimaschutz und entsprechende technische Lösungen aus. „Die CO2-Bepreisung sollte ein Bestandteil des Maßnahmenpakets des Klimaschutzgesetzes werden und darf nicht als Alternative dazu betrachtet werden“. Die Klimaschutzstrategie müsse mit verschiedenen Instrumenten effektiv über alle Sektoren hinweg die vollständige Dekarbonisierung voranbringen.

„Die am Klimaschutz orientierte CO2-Bepreisung ist der richtige Hebel, da sie die tatsächlichen Kosten der konventionellen Stromerzeugung transparent macht, die bislang stillschweigend vergesellschaftet werden.“ Das heutige System aus Abgaben, Steuern und Umlagen führe zu verzerrten Preisen und Marktbedingungen. Es verhindere Klimaschutz und die intelligente Ausrichtung einer modernen Energieversorgung, in der u. a. die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität eine viel größere Rolle spielen wird. Die CO2-Bepreisung sei auch deshalb wichtig, um den Industriestandort neu aufzustellen und fit für die Zukunft zu machen. Im Stromsektor senkt ein höherer CO2-Preis zudem die EEG-Umlage. „Es ist wichtig, den Strompreis langfristig zu stabilisieren und zu senken. Daher sollte im Gegenzug zur CO2-Bepreisung die Stromsteuer reduziert werden.“

Die BEE-Präsidentin betonte die Notwendigkeit, die CO2-Bepreisung sozial verträglich auszugestalten und dafür Rückerstattungsmodelle zu konzipieren, die den Einsatz Erneuerbarer Technologien und Energiesparen belohnten. Die Schweiz könne hier als Vorbild dienen. Das sorge neben der gewünschten Lenkungswirkung zugunsten sauberer Energieträger auch für Gerechtigkeit sowie für einen fairen Wettbewerb. Alle Sektoren seien aufgefordert, ihre Treibhausgasemissionen signifikant zu senken. Erneuerbare Energien traügen dazu bereits heute in wesentlichem Umfang bei. Je mehr sie ausgebaut würden, desto höher sei ihre klima- und umweltschützende Wirkung. Allein im vergangenen Jahr hätten Erneuerbare rund 184 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart und damit zum Rückgang der Treibhausgasemissionen beigetragen, wie es das Umweltbundesamt am 02.04.2019 mitgeteilt habe (siehe solarify.eu/klimabilanz-2018-42-proznt-weniger-treibhausgasemissionen).

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