Kommt der CO2-Preis doch?

Und wie?

In Deutschland werden die Rufe nach der Einführung einer CO2-Abgabe lauter, schrieb Florence Schulz am 11.04.2019 auf EURACTIV.de. Doch die Koalition ist darüber uneins, das Beispiel der französischen Gelbwesten schreckt ab. Wie kann ein sozialverträglicher CO2-Preis aussehen?

CO2 symbolisch – Montage © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Die Klimaforscherin und Generalsekretärin des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC, Brigitte Knopf, hat im Rahmen des Berlin Energy Transition Dialogues betont, dass ein CO2-Preis in Deutschland unbedingt zusammen mit einem fairen Verteilungsmechanismus eingeführt werden muss. „Sollte ein CO2-Preis kommen, muss er auf jeden Fall von der Öffentlichkeit mitgetragen werden“, so Knopf gegenüber EURACTIV. Eine Möglichkeit sei ihrer Ansicht nach, die staatlichen Einnahmen aus dem CO2-Handel direkt an die Bürgerinnen und Bürger auszuzahlen.

In Deutschland intensiviert sich derzeit die Debatte darüber, ob ein Mindestpreis für Kohlendioxidemissionen eingeführt werden sollte. Viele Experten sehen darin ein effizientes Instrument zur Erreichung der Pariser Klimaziele. Obwohl Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sich bislang dagegen ausgesprochen hatte, hieß es vergangene Woche aus dem Wirtschaftsministerium, dass eine CO2-Bepreisung geprüft werden solle. Außerdem habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim gestrigen Treffen des sogenannten Klimakabinetts „sehr offen“ gegenüber dieser Idee gezeigt, verkündete Umweltministerin Svenja Schulze nach der ersten Sitzung der Minister am 10.04.2019.

Klimaforscher drängen schon lange auf die Einführung eines europaweiten CO2-Mindestpreises, bislang existieren allerdings nur nationale Lösungen in einzelnen Mitgliedsstaaten. Solange keine länderübergreifende Lösung gefunden werde, könnte Deutschland einen Preisaufschlag auf den bereits existierenden ETS-Handel setzen, mit dem in der EU die Emissionen im Energiesektor reguliert werden. Vorbild dafür könnte Großbritannien sein, wo ein solches Modell bereits seit 2013 existiert, meint Knopf. „Damit könnte man sich gegen sinkende Preise im ETS-Handel wappnen.“ Um die Einführung eines EU-weiten Modells voranzutreiben, brauche es zusätzliche eine Koalition der Willigen basierend auf einer verstärkten deutsch-französischen Zusammenarbeit, parallel dazu sollte der Diskurs auf Ebene der G20 vorangetrieben werden.

Kurswechsel in der Bundesregierung?

Obwohl innerhalb der Bundesregierung weiterhin Uneinigkeit über das geplante Klimaschutzgesetz von Svenja Schulze (SPD) herrscht, scheint die Idee eines Mindestpreises für Kohlenstoff zunehmend an Zustimmung zu gewinnen. In der ersten Sitzung der Klimakommission legte Finanzminister Olaf Scholz ein eigenes Energiekonzept vor und stärkte darin seiner Parteikollegin Schulze, die sich für einen CO2-Preis ausspricht, den Rücken. Auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die bislang einige Kernpunkte des Klimaschutzgesetzes ablehnt, zeigte sich auf einer Veranstaltung im Februar diskussionsbereit. Das Thema CO2-Preis stehe auf ihrer Agenda „ganz oben“.

Ob das Klimakabinett sich im Verlauf des Jahres für eine Bepreisung von Kohlenstoff entscheidet, bleibt offen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sperrt sich weiterhin gegen diesen Schritt. Doch der öffentliche Druck ist groß, die Jugendbewegung Fridays for Future fordert ein sofortiges Handeln der Regierung.

Die Tatsache, dass die Bundeskanzlerin nun ein Klimakabinett einberufen habe, deutet die Klimaforscherin Knopf als positive Entwicklung: „Merkel hat das Thema endlich zur Chefsache erklärt. Ich denke, dass sie sich nun wieder ihrem Klimavermächtnis zuwendet. Was es braucht, ist ein Machtwort für Klimaschutz ihrerseits, denn alleine wird sich Umweltministerin Schulze nicht gegen die regierungsinternen Widerstände durchsetzen können.“

Andere Länder, andere Lösungen

Weltweit existieren bereits verschiedene Bepreisungsmodelle zur Reduktion von CO2. Die Weltbank geht davon aus, dass Staaten auf diese Art 2017 knapp 30 Milliarden Euro eingenommen haben. Um zu besprechen, welches Modell sich in Deutschland eignen würde, verglichen Experten am 10.04.2019 im Rahmen des Berliner Energy Transition Dialogues einige Beispiele aus der Schweiz, Québec und Kalifornien.

Im nicht-EU Land Schweiz besteht seit 2008 eine Abgabe auf CO2, derzeit liegt der Preis für eine Tonne bei 90 Euro. Zum Vergleich: im europäischen ETS-System sind es derzeit 24 Euro. Die Einnahmen werden wieder auf alle Schweizer Bürger verteilt – vergangenes Jahr erhielten sie pro Kopf etwa 80 Euro.

In Kalifornien hat man ein anderes Modell gewählt: Dort wird die Hälfte der CO2-Einnahmen gezielt in Gegenden mit ärmerer Bevölkerungsstruktur gelenkt.  „Es geht vor allem um die effiziente Verteilung der Gelder, also dort, wo sie am meisten Mehrwert schaffen“, meint Robert B. Weisenmiller, ehemaliger Leiter der kalifornischen Energiekommission, während der Debatte. Der kalifornische CO2-Handelsmarkt ist mit den kanadischen Provinzen Ontario und Québec gekoppelt. Dort fließen die Gelder in Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur, des öffentlichen Verkehrs und der Energieeffizienz und sollen so den Strukturwandel in benachteiligten Regionen unterstützen.

Welches dieser Modelle in Deutschland anwendbar wäre, blieb in der Expertenrunde am 10.04.2019 offen. Brigitte Knopf definiert im Panel fünf mögliche Wege, einen CO2-Preis auszugleichen: Direkte Transfers nach dem Schweizer Modell, eine Verringerung der Einkommens- oder Körperschaftssteuer, Investitionen in kohlenstoffarme Technologien oder nachhaltige Infrastruktur, gezielte Hilfen für strukturarme Regionen oder finanzielle Hilfen für international agierende Unternehmen zum Beispiel im Stahl- oder Aluminiumsektor.

Nun ist es an den Ministern des Klimakabinetts, einen Weg zu finden, mit dem Deutschland die Pariser Klimaziele erreichen kann. Die Entscheidung darüber, ob und wie dazu ein CO2-Preis eingeführt wird, soll laut Umweltministerin Schulze noch dieses Jahr fallen.

->Quelle: euractiv.de/kommt-der-co2-preis-doch-und-wie