Steuerbetrüger stehlen 50 Mrd. im Jahr

Umsatzsteuerkarusselle mit EE und CO2-Zertifikaten

Organisierte Verbrecherbanden nutzen den europäischen Markt für erneuerbare Energien und den ETS-Zertifikatehandel für Steuerbetrug im großen Stil. Europäische Finanzbehörden haben deshalb eine dringende Warnung vor der Betrugsmasche ausgegeben. Deutschland allerdings blockiert die effektive Bekämpfung solcher sogenannter Umsatzsteuerkarusselle, die Kriminelle nutzen, um Steuergelder zu rauben. Dabei beläuft sich der Schaden nach Schätzung der EU-Kommission auf jährlich 50 Milliarden Euro. Das haben gemeinsame Recherchen von 35 Medienpartnern aus 30 europäischen Ländern ergeben, koordiniert durch das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV. Der Trick sei seit Langem bekannt, doch den Tätern sei schwer beizukommen – so das ZDF (zdf.de/der-grosse-betrug-vom-7-mai-2019-) in einer Dokumentation am 07.05.2018.

Steuerbetrüger stehlen 50 Mrd. im Jahr – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Wie ZDF und Correctiv mitteilten, nutzen die Täter sogenannte Umsatzsteuerkarusselle. Dabei schlagen Firmen Mehrwertsteuer auf den Preis von Waren oder Dienstleistungen auf, führen diese aber nicht an das Finanzamt ab. Denn innerhalb der EU können Importeure umsatzsteuerfrei Waren aus einem anderen Mitgliedsland empfangen. Beim Weiterverkauf an einen Geschäftspartner in Deutschland muss diesem dann die gesetzliche Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden. Hier beginnt das Betrugsszenario: Der Händler berechnet beim Weiterverkauf die Steuer, führt sie aber nicht ans Finanzamt ab. Bevor der Importeur die Steuer schließlich doch ans Finanzamt zahlen muss, schließt er seinen Betrieb und taucht ab: Die Branche spricht hier vom „Missing Trader“, also einem „fehlenden Händler“.

Der Käufer im Inland verkauft die Ware dann noch einmal weiter ins Ausland. In diesem Fall darf er sich die ursprünglich bezahlte Mehrwertsteuer wieder vom heimischen Finanzamt erstatten lassen. So entsteht ein Karussell, in dem es gar nicht um die Nutzung der Ware geht, sondern nur darum, die Mehrwertsteuer abzugreifen.

Grand Theft Europe ist eine euopäische Recherche, koordiniert durch das Recherchezentrum CORRECTIV. Die Ergebnisse der Recherchen werden auf der Webseite grand-theft-europe.com zusammengeführt. Neben Links zu Veröffentlichungen aller Medienpartner und einem FAQ zu Umsatzsteuerkarussellen finden sich dort weitere Hintergründe.

  • Es ist der größte laufende Steuerbetrug Europas: Organisierte Banden berauben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Schätzungen der EU-Kommission jedes Jahr um sagenhafte 50 Milliarden Euro. Umsatzsteuerkarusselle verursachen in Deutschland einen jährlichen Schaden von geschätzt 5 Milliarden bis 14 Milliarden Euro.
  • Mangelnde Kooperation und die Unfähigkeit der Staaten, sich bei Steuerfragen zu einigen, kosten die Öffentlichkeit Milliarden. Deutschland bremst beim Kampf gegen den Steuerbetrug besonders.
  • Aktuell sehen europäische Behörden eine große Gefahr von Karussellbetrug über Ökostromzertifikate.
  • Anhand des Karrierepfades eines Drahtziehers von Steuerkarussellen in Deutschland beschreibt CORRECTIV die Strukturen dieser Form von Organisierter Kriminalität und die Schwierigkeiten, sie zu bekämpfen.

Bei Produktions- und Handelsstufen über EU-Grenzen hinweg verlieren die Finanzämter bisweilen den Überblick. Dadurch entgeht den öffentlichen Kassen viel Geld. Der Schaden in Deutschland soll sich auf 14 Milliarden Euro jährlich belaufen, berichtete das ZDF. Doch die Bundesregierung gehe nicht entschieden dagegen vor. Neben Großbritannien sei Deutschland das einzige EU-Land, das noch nicht aktiv dem Betrugs-Frühwarnsystem TNA vertraue. Das System ermittelt durch künstliche Intelligenz grenzüberschreitenden Umsatzsteuerbetrug. Das Bundesfinanzministerium prüfe die Teilnahme noch.

Neue Betrugsmasche mit Ökostromzertifikaten

Nach Recherchen von „Grand Theft Europe“ infiltrieren die Betrüger mittlerweile Markt mit Eneuerbaren Energien und nutzen für ihre Umsatzsteuerkarusselle auch Ökostrom-Zertifikate.  Jeder Stromanbieter, der Ökostrom verkauft, muss zuvor Ökostromzertifikate kaufen, etwa von einem Wasserkraftwerk oder einem Windpark. Diese Zertifikate sind handelbar und sehr anfällig für Umsatzsteuerkarusselle. Das Umweltbundesamt (UBA) kündigte an, eine internationale Taskforce gemeinsam mit der europäischen Polizeibehörde Europol gründen zu wollen. Diese Taskforce soll helfen, die neuen Karussellgeschäfte zu bekämpfen. In Deutschland prüft das UBA die Registrierung der Händler.

Deutschland besonders betroffen

Finanzbehörden nehmen an, dass hinter der neuen Betrugs-Welle teilweise dieselben Hintermänner stecken wie beim Betrug mit CO2-Zertifikaten vor ein paar Jahren. Vom Steuerbetrug mit Ökostromzertifikaten sind vor allem Länder mit hohem Anteil an Erneuerbaren Energien bedroht, also Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden, die Niederlande, Spanien und Norwegen. Um sich gegen die neue Betrugsmasche zu wappnen, haben bereits sechs EU-Länder (Rumänien, Österreich, Dänemark, Italien, Tschechien und Irland) Ökostrom-Zertifikate beim Handel zwischen Unternehmen von der Umsatzsteuer befreit. Deutschland aber hat noch keine derartige Vorsorge getroffen.

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