Diskussion um CO2-Preis geht weiter

Chef der Wirtschaftsweisen und „Union der Mitte“ dafür – SPD-Fraktions-Vize Miersch: „Nebelkerze“

Der Ökonom Christoph Schmidt, Leiter des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und Chef der Wirtschaftsweisen rät der Politik erneut dazu, den CO2-Ausstoß mit einem Preis zu versehen. Dies sei die kostengünstigste Methode, sagte Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. Bereits am 01.12.2018 hatte er gemeinsam mit PIK-Direktor und MCC-Chef Ottmar Edenhofer diese Forderung aufgestellt – siehe: solarify.eu/deutsche-forscher-fordern-co2-steuer.

HKW-Reuter-West, Berlin: Laut UBA 2,5 Mio. t CO2, 2.000 t NOx, 57 t Feinstaub, 32 kg Arsenverbindungen, 136 kg Hg im Jahr – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Schmidt und Edenhofer forderten damals in einem „Eckpunkte einer CO2-Preisreform“ überschriebenen, dreiseitigen gemeinsamen Papier von der Regierung, sie solle eine Initiative für einen schrittweise steigenden CO2-Mindestpreis im europäischen Stromhandel starten und zugleich die Steuern auf fossile Energieträger anheben. Dafür soll die Stromsteuer „auf ein Minimum“ gesenkt werden. So sollen die COP21-Ziele „mit dem kosteneffektivsten Instrument zum Klimaschutz“ erreicht werden. Dazu solle der CO2-Preis 2020 bei 20 €/t festgeschrieben werden und bis 2030 stufenweise auf 35 € steigen. Die Steuer auf Benzin soll 2020 um 4,7 ct/l und die Steuer auf Diesel um 5,3 ct/l steigen. Parallel, so errechnete Schmidts RWI, würde durch die Senkung der Stromsteuer ein Drei-Personen-Haushalt um mehr als 90 Euro pro Jahr entlastet.

„Die Chance, dieses Preissignal nun in die Tat umzusetzen, war noch nie so groß wie jetzt,“ sagte Schmidt – der von der Bundesregierung damit beauftragt ist, eine entsprechende Studie auszuarbeiten – der Deutschen Presseagentur dpa. Schmidt zeigte sich überzeugt, dass ohne Belastungen mehr Klimaschutz nicht zu haben sei. Daher müsse die Wirtschaft bis 2050 klimaneutral werden, quasi ohne Emissionen aus fossilen Energieträgern. Schmidt warnte aber auch, das sei „aber auch sehr aufwändig und teuer: Wir reden hier von mehreren Billionen Euro“. Dagegen ständen aber die zu erwartenden Schäden und die drohenden hohen Strafzahlungen, wenn Deutschland seine internationalen Klimaverpflichtungen nicht einhalte.

Doch Schmidt lässt der Regierung ein Hintertürchen offen: Deutschland solle bei der Bepreisung von CO2 nicht allein vorangehen. „Am besten wäre ein CO2-Preis auf der globalen Ebene. Nicht zuletzt würde eine rein nationale Klimastrategie, selbst wenn sie auf einem einheitlichen Preissignal über alle Sektoren beruhen würde, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft erheblich gefährden.“ Nicht nur als Wirtschaftswissenschaftler weiß Schmidt, das das extrem unwahrscheinlich ist. Konsequenterweise lehnt er es auch ab, das Dieselprivileg abzuschaffen: Wer daran rüttle, der mache das Ringen um die Akzeptanz für einen CO2-Preis nicht leichter: „Denn man hat ja den Leuten lange gesagt: Kauft Diesel, das ist gut für die Umwelt. Es ist schwierig, ihnen jetzt quasi das Gegenteil zu erzählen.“ Ebenso wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält aber auch Schmidt einen sozialen Ausgleich für notwendig. Den lassen die CO2-Preis-Gegner oft gerne weg.

SZ: „Ohne Pillepalle“: 60 €/t CO2

Robert Roßmann schrieb am 08.06.2019 in der Süddeutschen Zeitung, eine sogenannte „Union der Mitte“ habe die Einführung einer „allgemeinen CO2-Abgabe“ vorgeschlagen. Diese solle bei 60 Euro pro Tonne CO2 beginnen und bis 2030 kontinuierlich auf 120 Euro angehoben werden. Die Bundesregierung werde zudem aufgefordert, auf EU-Ebene eine einheitliche Lösung „zur CO2-orientierten Besteuerung von Flugbenzin und Schiffsdiesel zu erreichen“.

Die Überschrift des Papiers „Ohne Pillepalle: Klimaschutz – einfach machen“ (die offen lässt, ob der Klimaschutz einfach gemacht werden soll, oder ob man ihn schlicht jetzt machen soll) erinnert an die jüngste Kanzlerinnen-Rede vor der Fraktion: Am 04.06.2019 hat Angela Merkel ihre Unionskollegen Rossmann zufolge „davor gewarnt, die Nerven zu verlieren und unüberlegte Entscheidungen zur Bepreisung von CO2 zu treffen. Nach der Sommerpause dürfe es dann von der Regierung beim Klimaschutz aber ‚kein Pillepalle mehr‘ geben, sagte die Kanzlerin Teilnehmerangaben zufolge. Es dürfe dann nicht mehr darum gehen, hier und dort noch einen Cent draufzuschlagen. Stattdessen seien Beschlüsse nötig, die zu ‚disruptiven‘ Veränderungen führen.“ Eine für eine konservative Politikerin durchaus bemerkenswerte Wortwahl: Laut Duden bedeutet das neudeutsche Wort disruptiv „ein Gleichgewicht, ein System o. Ä. zerstörend“, das Langenscheidt-Fremdwörterbuch sagt „auseinanderreißend, die Extreme bevorzugend“.

Die vor knapp zwei Jahren gegründete und zunächst aus der CSU angefeindete (Die Zeit, 28.07.2018: „CSU-Spitze fordert laut Medien, die Aktivitäten unverzüglich einzustellen“) Union der Mitte schlägt außerdem eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer vor: Der bislang lineare Anstieg auf der Bemessungsgrundlage des Hubraums soll in einen exponentiellen dergestalt umgewandelt werden, dass Autos mit weniger als 1800 cm³ Hubraum entlastet – darüber aber stärker belastet werden sollen. Ähnlich dem schweizer Modell sollen die Bürger über die Krankenversicherungen für die CO2-Abgabe entlastet werden. Weiter soll die Stromsteuer um 1,95 ct und die EEG-Umlage um 4 ct/kWh reduziert werden. Das würde den Strompreis um 5,95 ct reduzieren.

Miersch: „CO2-Preis-Debatte ist Nebelkerze“

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch forderte laut Verkehrsrundschau die Union auf, sich um dringlichere Fragen der Klimapolitik zu kümmern. Geschehe das nicht, werte er es als Bruch des Koalitionsvertrags. Denn die Debatte um einen CO2-Preis lenkt aus Sicht von SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch von vordringlichen Fragen der Klimapolitik ab. Ein Preis für den CO2-Ausstoß sei eine „absolute Nebelkerze“ – „ein Mosaikstein, aber niemals das Allheilmittel“, sagte Miersch am 11.06.2019 in Berlin. Stattdessen müssten CDU und CSU bei der Umsetzung des Kohleausstiegs, dem schnelleren Ökostrom-Ausbau, gesetzlichen Treibhausgas-Reduktionszielen für einzelne Bereiche wie Verkehr und Gebäude sowie bei konkreten Maßnahmen liefern. Wenn die Union dazu nicht bereit sei, wäre das ein „massiver Bruch des Koalitionsvertrags“.

In der Klima- und Energiepolitik werde es einen „Herbst der Entscheidungen“ geben müssen, sagte Miersch. Was daraus dann folge, sei zu diskutieren. Das Klimaschutzgesetz müsse seines Erachtens im Oktober durch das Bundeskabinett, damit der Bundestag es wie vereinbart in diesem Jahr verabschieden könne. Ein Kabinettsbeschluss bis Ende des Jahres reiche nicht, auch die Unionsfraktion müsse mitziehen. Die SPD will Ende 2019 eine Zwischenbilanz der großen Koalition mit der Union ziehen und darüber entscheiden, ob die Zusammenarbeit weitergehen soll.

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