Strom aus Rost und Salzwasser

US-Wissenschaftler nutzen bei Eisenoxid-Dünnschicht auftretenden elektrokinetischen Effekt

„Es gibt viele Möglichkeiten, Strom zu erzeugen – Batterien, Solarmodule, Windturbinen und Staudämme, um nur einige Beispiele zu nennen. Und jetzt ist da – Rost.“ So beginnt Emily Velasco von der Pressestelle des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena ihren Text über ein eben entdecktes Verfahren zur Stromproduktion mittels Rostschichten und Salzwasser.

Forschungen von Wissenschaftlern am Caltech und der Northwestern University in Evanston und Chicago zeigten, dass dünne Schichten aus Roheisenoxid Strom erzeugen können, wenn Salzwasser darüber fließt. Das stellt eine völlig neue Art der Stromerzeugung dar und könnte zur Entwicklung neuer Formen der nachhaltigen Stromerzeugung dienen.

Wechselwirkungen zwischen Metallverbindungen und Salzwasser erzeugen oft Strom, aber dies ist meist das Ergebnis einer chemischen Reaktion, bei der eine oder mehrere Verbindungen in neue Verbindungen umgewandelt werden. Solche Reaktionen sind das, was in Batterien funktioniert. Das von Tom Miller, Caltech-Professor für Chemie, und Franz Geiger, Dow-Professor für Chemie an der Northwestern, entdeckte Phänomen beinhaltet dagegen keine chemischen Reaktionen, sondern wandelt die kinetische Energie des fließenden Salzwassers in Strom um.

Das Phänomen, der elektrokinetische Effekt, wurde zuvor in dünnen Schichten von Graphen aus Kohlenstoffatomen beobachtet, die in einem hexagonalen Gitter angeordnet sind – und ist bemerkenswert effizient. Der Effekt hat einen Wirkungsgrad von etwa 30 Prozent bei der Umwandlung von kinetischer Energie in Strom. Zum Vergleich: Die Effizienz der besten Solarmodule liegt nur bei etwa 20 Prozent. „Ein ähnlicher Effekt wurde bei einigen anderen Materialien beobachtet. Sie können einen Tropfen Salzwasser nehmen und es über Graphen ziehen und etwas Strom erzeugen sehen“, sagt Miller.

Es ist jedoch schwierig, Graphenfilme herzustellen und auf brauchbare Größen zu skalieren. Die von Miller und Geiger entdeckten Eisenoxidschichten sein allerdings relativ einfach herzustellen und auf größere Größen skalierbar. „Es ist im Grunde nur Rost auf Eisen, also ist es ziemlich einfach, es in großen Mangen herzustellen“, sagt Miller.

Obwohl Rost allein auf Eisenlegierungen entsteht, musste das Team sicherstellen, dass er sich in einer gleichmäßig dünnen Schicht bildet. Dazu verwendeten sie einen Prozess namens Physical Vapor Deposition (PVD), der normalerweise feste Materialien, in diesem Fall Eisen, in Dampf verwandelt, der auf einer gewünschten Oberfläche kondensiert. PVD erlaubte es ihnen, eine 10 Nanometer dicke Eisenschicht zu erzeugen, die etwa 10.000 mal dünner ist als ein menschliches Haar. Nach dem Herausnehmen der Metallfolie aus der PVD-Maschine bildete sich an der Luft spontan Rost mit einer Dicke von etwa 2 Nanometern. Als sie dieses rostbeschichtete Eisen nahmen und Salzwasserlösungen unterschiedlicher Konzentration darüber flossen, fanden sie heraus, dass es mehrere Dutzend Millivolt und mehrere Mikroamps pro cm2 erzeugte.

„Aus heutiger Sicht würden Platten mit einer Fläche von je 10 Quadratmetern ein paar Kilowatt pro Stunde erzeugen – genug für ein Standardhaus in den USA“, sagt Miller. „Natürlich sind weniger anspruchsvolle Anwendungen, einschließlich stromsparender Geräte an entfernten Orten, kurzfristig  mehrversprechend.“ Der Mechanismus hinter der Stromerzeugung ist komplex und beinhaltet Ionenadsorption und -desorption, aber er funktioniert im Wesentlichen so: Die im Meerwasser vorhandenen Ionen ziehen Elektronen im Eisen unter der Rostschicht an. Wenn das Salzwasser fließt, dann auch diese Ionen, und durch diese Anziehungskraft ziehen sie die Elektronen im Eisen mit und erzeugen einen elektrischen Strom.

Miller sagt, dass dieser Effekt in bestimmten Szenarien nützlich sein könnte, in denen sich Salzlösungen bewegen, wie im Meer oder im menschlichen Körper: „Zum Beispiel könnte Gezeitenenergie oder Dinge, die im Meer wackeln, wie Bojen, für die passive Umwandlung elektrischer Energie genutzt werden“, sagt er. „Du hast Salzwasser, das in periodischen Impulsen in deinen Adern fließt. Das könnte genutzt werden, um Strom für die Versorgung von Implantaten zu erzeugen.“

Das Papier mit dem Titel „Energy Conversion via Metal Nanolayers“ erscheint in der Ausgabe vom 29.07.2019 der Proceedings of the National Academy of Sciences.

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