BESSY II: Schnelle Elektronik für Datenerfassung

Physiker entwickeln „Zeitmaschine“ für Materialforschung

Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Freien Universität Berlin und der Technischen Universität München wollen eine schnelle Elektronik für die Datenerfassung an BESSY II entwickeln. BESSY II ist eine deutschlandweit einmalige Forschungsanlage am Helmholtz-Zentrum Berlin, mit der sich Röntgenstrahlung erzeugen lässt, deren Energie und Polarisation exakt eingestellt werden kann. Herzstück ist ein Teilchenbeschleuniger, der Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit bringt. Diese durchlaufen einen Speicherring mit Magneten, wobei Röntgenblitze entstehen. Die neue Elektronik soll es ermöglichen, die Signale aller während des Experiments anfallenden entstehenden Röntgenblitze aufzuzeichnen. Dadurch sollen Forschende die Daten umfangreicher auswerten können – auch im Nachhinein. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Vorhaben mit rund zwei Millionen Euro.

BESSY Elektronen Beschleunigerring – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft für Solarify

Viele Experimente in der Physik sind zeitaufwändig und teuer. Manchmal merke man aber erst am Ende, dass man eigentlich die falschen Messparameter angesetzt habe, so eine Medienmitteilung aus der FU Berlin. Wie praktisch wäre es dann, eine Zeitmaschine zu haben, mit der man an den Anfang des Experiments springen und die Daten neu auswerten könnte? Genau solch eine Maschine wollen die Forscher aus Halle, Berlin und München für die Großforschungsanlage am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie entwickeln und die Anlage so verbessern.

Warteliste zur Benutzung ist lang

„Man kann sich den BESSY-II-Speicherring wie eine Kamera mit extrem schnellem Blitzlicht vorstellen. Die Röntgenstrahlung wird gepulst erzeugt, sodass Experimente mit einer sehr hohen Zeitauflösung möglich sind“, sagt der Physiker Prof. Georg Woltersdorf von der MLU, der das Projekt gemeinsam mit Prof. Wolfgang Kuch von der Freien Universität und Prof. Christian Back von der TU München leitet. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften sei die Anlage bei Materialforschern auf der ganzen Welt äußerst gefragt. Jährlich nutzten über 2.000 Wissenschaftler BESSY II für Experimente, die Warteliste zur Benutzung sei lang.

Eine weitere Herausforderung sei es, dass die Forschenden im Vorfeld genau festlegen müssten, welche Parameter zu welchen Zeitpunkten gemessen werden sollen. Ein kleiner Fehler in der Fragestellung könnte, so Woltersdorf, aber dazu führen, dass die ganze Messreihe keine oder unzureichende Ergebnisse erziele. Hier setze das neue Projekt an: Eine schnelle Elektronik für die Datenerfassung soll es ermöglichen, das Signal aller entstehenden Röntgenblitze aufzuzeichnen und auszuwerten, die während des Experiments anfallen. Dabei entstünden einige Terabyte Daten pro Stunde.

Materie auf der Pikosekunden-Zeitskala untersuchen

„Der neu geplante Aufbau kann auf diese Weise viel mehr leisten, als es bisher der Fall war. Die gemessenen Daten werden durch die Elektronik gleich zum korrekten Zeitpunkt einsortiert. Mit den gespeicherten Roh-Daten kann man auch nachträglich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den Daten springen und ein neues Zeitraster verwenden“, so Woltersdorf weiter. Um diese Elektronik sinnvoll einsetzen zu können, wollen die Forscher das VEKMAG-Experiment – einen einzigartigen Messplatz, mit dem Messungen bei hohen Magnetfeldern und tiefen Temperaturen möglich seien – an BESSY II zudem um eine Laseranlage erweitern, die die gepulste Anregung der zu untersuchenden Proben erlaube. Auf diese Weise könne die Dynamik von Materie auf der Pikosekunden-Zeitskala untersucht werden. Eine Pikosekunde ist der billionste Teil einer Sekunde.

Für die drei Projektpartner sei es nicht die erste gemeinsame Arbeit an BESSY II: Bereits in vergangenen Jahren hätten die Wissenschaftler aus Halle, Berlin und München an der Synchrotron-Strahlungsquelle das VEKMAG-Experiment aufgebaut.  Erforscht würden mit der Anlage zum Beispiel neue magnetische Materialien die langfristig Anwendung bei der Datenspeicherung finden könnten.

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