Regierung steuert wissend auf Katastrophe zu

Gastbeitrag von Mario Sixtus auf t-online.de

Mario Sixtus, Journalist, Autor und Filmemacher, laut t-online.de einer der prominentesten und einflussreichsten Twitterer Deutschlands“, fragt sich in einem Gastbeitrag, warum sich die deutsche Politik so schwer damit tue, angemessen auf die Klimakrise zu reagieren? Er hat in einem Buch („Warum an die Zukunft denken?“ Duden-Verlag) eine Antwort gefunden: Politiker sind einfach viel zu sehr im Hier und Jetzt verwurzelt.

Sixtus zitiert Bundesumweltministerin Svenja Schulze – die „auffallend selten über Zukunft“ rede. Angesprochen auf das so genannte Klimapaket habe sie antworte „sie gegenüber t-online.de mit Gegenwart“ geantwortet: „Mein Job ist es, das Klima zu schützen und dabei Strukturwandel so zu gestalten, dass wir das Leben der Menschen insgesamt im Auge behalten.“ Sixtus: „Auch wenn – zumindest versteckt – der Begriff Wandel darin vorkommt: Mehr Jetzt kann man zu einem Zukunftsthema kaum in einen einzigen Satz packen“.

Zudem fällt ihm auf, dass die Regierung nicht mehr vom Pariser Abkommen sprechen, sondern nur noch von regierungseigenen Klimazielen. Faktisch habe die Bundesregierung das Pariser Abkommen bereits aufgekündigt. Der Umweltrat SRU habe erklärt, was die konkrete Zahl von COP21 (1,5° Erwärmung) für Deutschland bedeute: Mit Beginn des Jahres 2019 dürften wir noch 7,3 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen, wenn das in Paris gegebene Wort gehalten werden soll. Sixtus: „Machen wir so weiter wie bisher, reicht dieses Budget noch ungefähr bis 2029. Dann ist Schluss. Aus. Null. Mehr geht nicht. Ab dann muss Deutschland CO2-neutral sein.“ Und nicht erst 2050, oder so. Das neue Regierungsziel bis 2050 (80 Prozent weniger CO2 bis 2050) „ist der Ausstieg aus Paris“. Stattdessen habe die Regierung in den Disziplinen Planung, Zuverlässigkeit oder auch Verantwortung „spektakulär versagt. Die Regierung kann nicht Zukunft.“

Dabei sei es gar nicht neu, dass den Regierungen naheliegende Vorhaben – etwa Bürger nicht durch unangenehme neue Regeln und Verbote verärgern – wichtiger seien als ferne, zukünftige, große Ziele. Allerdings angesichts der bevorstehenden Klimakatastrophe „besonders auffällig – und fatal“. Sixtus‘ Befund ist niederschmetternd. Die Unfähigkeit, mit Zukunft umzugehen, sei „keine exklusive Schwäche der Politikerklasse. In dieser Beziehung agieren wir alle nahezu gleichsam unbeholfen.“

Sixtus sieht, abschließend, „nur eine Lösung: Das Planen, das Ausrichten des Jetzt auf das Kommende, das Übernehmen von Verantwortung für die noch nicht anwesende Zeit – kurz: die Zukunft – muss zu einer Belohnung der politischen Entscheider im Jetzt führen. Wir Bürgerinnen und Bürger müssen von den Regierenden Zukunft verlangen! Und zwar laut und deutlich, etwa so wie es „Fridays for Future“ tut, nur noch lauter und noch deutlicher – und nicht nur Freitags, sondern auch jetzt und eigentlich immer. Nur wenn die fordernde Stimme der Bürger nach sofortigen Lösungen für das heranrollende Klima-Desaster lauter wird als das ‚Politiker-Wanting‘ nach einer putzigen Gegenwart, könnte es noch etwas werden mit der Zukunft.“

Solarify ergänzt: Es könnte auch etwas werden, wenn in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (und das sind wir) langfristiges Denken über das aktuell übliche kurzfristige allmählich die Oberhand gewinnen würde.

Mario Sixtus, geboren 1965, lebt und arbeitet als freier Autor und Filmemacher in Berlin. Zunächst schrieb er für Print- und Online-Medien, etwa für die „Frankfurter Rundschau“, „c’t“, „DIE ZEIT“, „FAS“ und „brand eins“. Seit vielen Jahren produziert er vor allem für Arte und ZDF Dokumentar- und Fernsehfilme, darunter die mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete Reihe „Elektrischer Reporter“ und den 2017 für einen Grimme-Preis nominierten Film „Operation Naked“. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ nannte Sixtus einmal den „deutschen Netzpropheten“.

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