Neujahrsnacht: Extreme Feinstaubbelastung durch Feuerwerk

Starke Nebelbildung verursachte Unfälle mit Toten und Verletzten – 135 Millionen für Böller

In vielen Ballungsgebieten in Deutschland zeigten die Messstationen des Umweltbundesamtes (UBA) in der Silvesternacht sehr hohe Feinstaubwerte an. „Mehr als 1.000 Mikrogramm Feinstaub“ um zwei Uhr morgens meldete der Wetterbericht in den tagesthemen vom 01.01.2019 aus Gelsenkirchen – „normal“ seien 50 µg als Grenzwert. Die Feinstaubteilchen wirken auf kleinste Tröpfchen im Wasserdampf wie Kondensationskerne, das Wasser wird sichtbar in Form von Nebel, der wird wiederum undurchsichtig mit Sichtweiten von wenigen Metern. Entsprechend meldete das Portal Wetter-Online auch „Viele schwere Unfälle durch Nebel“. Zum Teil sei „der Nebel durch das Silvesterfeuerwerk ausgelöst oder noch verstärkt“ worden. Geschätzt haben die Deutschen zu Silvester 2019 voraussichtlich rund 135 Millionen Euro in Form von Böllern und Raketen in die Luft gejagt, etwa so viel wie im Jahr davor.

Silvesterfeuerwerk in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Besonders betroffen seien das Ruhrgebiet (wegen der Bevölkerungsdichte besonders starkes Feuerwerk), Niedersachsen und Schleswig-Holstein gewesen, wo bei drei Unfällen insgesamt rund 50 Fahrzeuge zusammengestoßen seien. Dutzende seien verletzt worden, zwei Personen tödlich. Auf der A3 bei Duisburg habe sich gegen 3 Uhr morgens eine Massenkarambolage von 18 Autos ereignet. Vier Personen wurden dabei verletzt, eine schwer. Wetter Online: „Ursache für den Extrem-Nebel mit Sichtweiten von teils unter 5 Meter ist gebietsweise auch der Feinstaub der Silvesterraketen. Die Staubpartikel dienen als zusätzliche Kondensationskerne für die Wassertröpfchen des Nebels und verstärken auf diese Weise die Nebelbildung erheblich.“

Feinstaub ist der Partikelanteil des atmosphärischen Aerosols kleiner 2,5 µm, PM2.5 („Particulate Matter2.5). Er kann in die tiefen Atemwege bis zu den Alveolen (Lungenbläschen) gelangen. Feinstaub wird daher auch als „lungengängiger“ Staub bezeichnet. Im allgemeinen Sprachgebrauch sowie historisch bedingt wird unter Feinstaub vielfach die Staubfraktion PM10 (alle Teilchen mit einem Durchmesser bis 10 µm) verstanden. Diese Partikel können in die oberen Atemwege gelangen. PM10 wird daher auch als „inhalierbarer Feinstaub“ oder „thorakaler Staub“ bezeichnet. Bei der Staubfraktion PM2.5, die in PM10 enthalten ist, handelt es sich überwiegend um sekundäre Partikel, d.h. um solche, die aus gasförmigen Vorläufern, wie etwa SO2 und NH3, gebildet werden, während die Staubfraktion 2,5 bis 10 µm (inhalierbarer Grobstaub) hauptsächlich aus primären, also direkt emittierten Partikeln besteht. Demnach ist PM10 ein Gemisch aus Feinstaub und Grobstaub. PM2.5 entsteht vorwiegend durch Verbrennung in Motoren und Kraftwerken, Heizungsanlagen, Industrieanlagen sowie Verbrennung von Biomasse und Holz. Für die Gesundheit sind besonders auch die in PM2.5 enthaltenen Substanzen wie Schwermetalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Ruß bedeutend. PAK und Ruß entstehen bei der unvollständigen Verbrennung von organischem Material, so auch bei Waldbränden und Vulkanausbrüchen. Weitere natürliche Quellen von Feinstaub sind Meeresgischt und Vegetation. Lagern sich Feinstaubpartikel im Lungengewebe ab, können Entzündungsreaktionen bis hin zu chronischen Lungenerkrankungen wie Bronchitis, Asthma oder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ausgelöst werden. Auch Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems können die Folge sein. Je nach Quelle können auch einige, im Feinstaub vorhandene Substanzen (etwa PAK) krebserregend sein. Um den Menschen vor Gesundheitsgefahren, die vom Feinstaub ausgehen können, möglichst zu schützen, ist seit 2015 für PM2.5 ein Immissionsgrenzwert von 25 µg/m³ im Jahresmittel verbindlich. Ab 2020 wird dieser auf 20 µg/m³ abgesenkt. Es ist nicht auszuschließen, dass auch bereits unterhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte Gesundheitsbeeinträchtigungen auftreten können. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt daher einen strengeren Grenzwert von 10 µg/m³. Die Feinstaubkonzentration wird mit Aktivgeräten bestimmt, welche die Luft mit Hilfe einer Pumpe über einen größenselektierenden Lufteinlass und einen nachgeschalteten Filter ansaugen. (Siehe: dwd.de//broschuere_feinstaub.pdfsolarify.eu/partikelgroesse-pm25)

In Stuttgart sorgten Qualm und Rauch für Fehlalarme und Feuerwehreinsätze, meldeten die Stuttgarter Nachrichten.“Die Luftqualität ist überall in den Metropolen schlechter“, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes mit Verweis auf die UBA-Daten vom Neujahrstag. Das Umweltbundesamt (UBA) rechnet in einer Broschüre damit, dass pro Jahr rund 4.200 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerk ausgestoßen werden, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Die Feuerwerksindustrie kritisierte diese Berechnung kürzlich als zu hoch und verwies auf eigene Messungen beim Abbrennen von Feuerwerk. Die Ergebnisse wolle man im Januar zunächst dem UBA und anschließend der Öffentlichkeit vorstellen, so der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI). Das UBA möchte die VPI-Messwerte prüfen.

Die Belastung der Luft durch Feinstaub ist in Zwickau in der Neujahrsnacht zeitweise auf mehr als das Neunfache des höchstzulässigen Tagesmittelwerts gestiegen. Um zwei Uhr morgens wurde an der Messstation des Landesamtes für Umwelt, Geologie und Landwirtschaft an der Werdauer Straße ein Feinstaubwert von 453 Mikrogramm pro Quadratmeter gemessen. Der zulässige Höchstwert (50 µg) darf maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Als Grund für den Anstieg wird das Abbrennen von Feuerwerkskörpern und Böllern genannt, die jede Menge Schadstoffe freisetzen. Über der Stadt bildete sich ein dichter Nebel, der nur langsam wieder abzog.

In Köln entstand aufgrund der Windstille streckenweise extremen „Böller-Smog“ so der Kölner Expres. Matthias Habel, Meteorologe von „WetterOnline“, erklärt: „Die bodennahe Kaltluft wird sich innerhalb von Minuten durch das Feuerwerk mit großen Mengen von Feinstaub anreichern. Vor allem in Flusstälern und in Orten, wo intensiv Feuerwerk abgebrannt wird, bildet sich in kürzester Zeit dichter Nebel.“ Das schränke nicht nur die Sicht auf das Feuerwerk ein, sondern stelle auch eine Gefahr für den Straßenverkehr dar. „Die hohen Feinstaubmengen können zudem gesundheitsschädlich sein, da der nicht vorhandene Wind die Schadstoffe nicht großflächig verbreitet,“ so Habel.

Meldung von Wetter-Online im Wortlaut:

„Der Wetterbericht für den Jahreswechsel ist auf den ersten Blick gar nicht so schlecht: Trocken, kalt und verbreitet windstill. Doch vor allem aufgrund der Windstille droht in der Silvesternacht die Gefahr von ‚Böller-Nebel‘. „Das Wetter am Silvesterabend wird von einem kräftigen Hoch mit Zentrum über Großbritannien dominiert. Es bringt ganz Deutschland trockenes Wetter‘, weiß Matthias Habel, Meteorologe und Pressesprecher von WetterOnline.

‚Dabei wird es im Norden windig und frostfrei bleiben, im Rest des Landes hingegen sinken die Temperaturen bei nur wenig Wind schnell in den frostigen Bereich. Fürs Anstoßen und Raketenzünden empfehlen sich bei Temperaturen von 0 bis minus 4 Grad daher Handschuhe und Mütze‘, so Habel. Von Nordrhein-Westfalen bis nach Bayern wird es zum Jahreswechsel windstill. ‚Genau dies ist ein Problem‘, warnt Habel. „Die bodennahe Kaltluft wird sich innerhalb von Minuten durch das Feuerwerk mit großen Mengen von Feinstaub anreichern. Vor allem in Flusstälern und in Orten, wo intensiv Feuerwerk abgebrannt wird, bildet sich in kürzester Zeit dichter Nebel. Dabei wird die Sichtweite abrupt auf unter zehn Meter sinken. Dies schränkt nicht nur die Sicht auf das Feuerwerk ein, sondern stellt auch eine Gefahr für den Straßenverkehr dar. Die hohen Feinstaubmengen können zudem gesundheitsschädlich sein, da der nicht vorhandene Wind die Schadstoffe nicht großflächig verbreitet.‘ Der Rauch der Silvesterböller und Raketen trägt Milliarden feinster Partikel in die Atmosphäre. An diese als primäre Aerosole bezeichneten Staubteilchen dockt die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit an. In der Folge kann sich in kürzester Zeit dichter Nebel bilden. Aufgrund der verbreitet vorherrschenden Windstille kann diese Situation bis weit nach Mitternacht andauern. Die Feinstaubkonzentration dürfte in vielen Orten die höchsten Werte des ganzen Jahres erreichen. Besonders extrem war der Nebel zum Jahreswechsel 2014/2015. Damals sank die Sichtweite unter anderem in Hamburg und Köln auf teils unter 5 Meter. Autos fuhren nur noch im Schritttempo durch den ‚Böller-Nebel‘, die Fahrer mussten teils von Fußgängern gelotst werden, die sich am Randstreifen der Straße orientierten. Bei Köln wurden damals sogar Autobahnen gesperrt.“

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