Klimaschutz drei Mal vor Verfassungsgericht

Neun besonders Betroffene klagen Grundgesetz ein – weitere vom BUND unterstützte Klage

Neun junge Menschen aus Deutschland legen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein, weil das schwache Klimaschutzgesetz ihre Grundrechte nicht ausreichend schützt, so eine gemeinsame Pressemitteilung von Germanwatch in Kooperation mit Protect the Planet, Greenpeace und DUH – die drei NGO unterstützen die Klage, treten aber selbst nicht als Klägerinnen auf. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 15.01.2020 in Berlin erläuterten die Kläger ihr Ziel.

Die Kläger: Luisa Neubauer, Mitbegründerin der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, Lueke Recktenwald von der Nordseeinsel Langeoog sowie Sophie, Hannes, Jakob und Paul Backsen, Johannes und Franziska Blohm (die sieben Jugendliche und junge Erwachsene der drei Bauernfamilien, die 2019 gemeinsam mit Greenpeace die Bundesregierung auf Einhaltung des Klimaschutzziels 2020 verklagt haben). Rechtsbeistand ist erneut die Hamburger Rechtsanwältin Roda Verheyen, die sieben der Kläger in der ersten Klimaklage vor dem Berliner Verwaltungsgericht vertreten hatte und auch Lueke Recktenwald vor dem Europäischen Gerichtshof im „People’s Climate Case” vertritt.

PK Klimaklage vor BVerfG – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Greenpeace: Schwaches Klimaschutzgesetz beeinträchtigt Grundrechte

Das deutsche Klimaschutzgesetz ignoriert, dass – wie 2015 in Paris vereinbart – Emissionen von Treibhausgasen so schnell wie möglich reduziert werden müssen, wenn der Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C begrenzt werden soll. Mit den bisher verabschiedeten Maßnahmen kann nicht einmal das zu schwache Ziel von 55 % bis 2030 erreicht werden. Damit bleibt das neue Klimaschutzgesetz hinter dem zurück, was Gerichte in Holland kürzlich als Menschenrechtsstandard definiert haben. Die Jugendlichen verweisen in ihrer Klage beispielsweise auf ihr Recht auf Zukunft aus Artikel 1 Grundgesetz, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) oder das Recht auf freie Wahl von Beruf und Arbeitsplatz (Art. 12 GG). Ob das Klimaschutzgesetz insofern überhaupt verfassungsgemäß ist, soll deshalb die Verfassungsbeschwerde klären. „Mit diesem zu wenig ambitionierten Klimaschutzgesetz kommt der Staat seiner Schutzpflicht für die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend nach. Der Gang zum Bundesverfassungsgericht ist deshalb die logische Konsequenz aus dem Klimaklage-Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts“, sagt Rechtsanwältin Roda Verheyen. “Das Verfassungsgericht kann und muss feststellen, dass jedes Land seinen Anteil am Klimaschutz leisten muss – so wie es die Gerichte in Holland bei der Urgenda-Klage getan haben.” (s. solarify.eu/gericht-verurteilt-holllaendische-regierung-zum-klimaschutz)

DUH unterstützt zwei weitere Klagen

Die DUH unterstützt zwei weitere Klimaklagen, die am Freitag, 10. Januar eingereicht wurden. Eine der Verfassungsbeschwerden stammt von 15 Betroffenen aus Bangladesch und Nepal, die durch den fortschreitenden Klimawandel unmittelbar bedroht werden. Die zweite Verfassungsbeschwerde führen 10 Kinder und Jugendliche im Alter von 11 bis 22 Jahren aus Deutschland. Ihre Zukunft hängt von den heute getroffenen Entscheidungen im Kampf gegen die Klimakrise ab. Rechtsanwalt Remo Klinger vertritt die Klägerinnen und Kläger in beiden Fällen. Der Bundesregierung stehen zahlreiche Maßnahmen zur CO2-Reduzierung wie ein Tempolimit, der massive Ausbau Erneuerbarer Energien und die konsequente Umsetzung der Mehrwegquote zur Verfügung.

Germanwatch

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: “ Wir unterstützen die jungen Menschen bei diesem wichtigen Schritt, den Schutz ihrer Grundrechte über das Bundesverfassungsgericht durchzusetzen. Das unzureichende Handeln der Regierung schränkt den Freiheitsraum der heute Jungen und der ihnen folgenden Generationen drastisch ein.  Das aktuelle Klimaschutzgesetz droht ihnen ihr Recht auf Zukunft zu nehmen. Deutschland muss seine Emissionen deutlich schneller und stärker reduzieren, als es das Gesetz vorsieht.“

Klägerin Luisa Neubauer ergänzt: „Die Generationen vor uns haben klimapolitisch versagt. Die Klimakrise schränkt die Freiheiten der jungen Generationen dramatisch ein, wenn nicht heute die notwendigen Maßnahmen für wirkungsvollen Klimaschutz getroffen werden. Wir gehen vor das Bundesverfassungsgericht, um diesen Schutz der Grundrechte der heute jungen Menschen durchzusetzen.“

In der Klage führen die Kläger an, dass die angestrebte Reduktion von Treibhausgasen um 55 Prozent bis zum Jahr 2030 nicht genügt, um Menschenrechte zu schützen, die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen und die katastrophalen Folgen der Klimakrise, die in immer mehr Regionen der Erde schon jetzt drastisch zutage treten, soweit wie möglich zu begrenzen.

„Sturmfluten nehmen zu und gefährden unsere Trinkwasserversorgung auf Langeoog. Ich möchte die Möglichkeit haben, auf der Insel auch künftig zu leben und zu arbeiten – so wie meine Eltern auch. Doch ohne wirksamen Klimaschutz wird das nicht möglich sein“, sagt der 18jährige Lueke Recktenwald. Seine Eltern und er beteiligen sich an der EU-Klimaklage „People’s Climate Case“, die eine Klimazielverschärfung für das Jahr 2030 auf europäischer Ebene fordert. Die Klage ist derzeit in der Berufungsinstanz beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig. Germanwatch unterstützt gemeinsam mit Protect the Planet auch dieses Anliegen

->Quellen und links: